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Beschluss 2022/68

Leitantrag 01: Gemeinwohl statt Profit

Beschluss des Parteivorstandes vom 24. April 2022

Der Parteivorstand beschließt den anhängenden Leitantrag zum Erfurter Parteitag am 25./26. Juni 2022.

 

Gemeinwohl statt Profit

Klimagerechtigkeit statt Aufrüstung. DIE LINKE ist bereit für die neue Zeit

 

Wir leben in Zeiten großer Umbrüche: Die Klimakatastrophe bedroht das Überleben der Menschheit, Russlands Krieg gegen die Ukraine hat den Frieden in Europa erschüttert, die zunehmenden geopolitischen Rivalitäten zwischen imperialistischen Mächten bergen die Gefahr eines globalen Flächenbrandes. Seit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 hängt das neoliberale Wirtschaftsmodell am Tropf der Notenbanken – die wirtschaftlichen Aussichten sind angesichts der Auswirkungen von Krieg und Pandemie ungewiss. Die soziale Ungleichheit spitzt sich weltweit weiter zu, autoritäre und rechte Kräfte erstarken. Die Pandemie hat diese Krisen noch vertieft und beschleunigt. Diese Umbrüche und Krisenprozesse verdichten sich zu einem Epochenbruch.

Viele Menschen haben Angst vor einer Eskalation, vor wachsenden Kriegsgefahren und sogar vor einem möglichen Atomkrieg. Als Folge der Krisen der letzten Jahre scheint alles in Frage zu stehen: Politik, Medien, Wissenschaft – kaum ein gesellschaftlicher Bereich, in dem das Vertrauen der Menschen nicht erschüttert ist. Besonders für die junge Generation und bei prekär Lebenden gilt das kapitalistische Wirtschaftssystem nicht mehr als verheißungsvolle Zukunft. Zugleich werden grundsätzliche Alternativen von vielen kaum für möglich gehalten. Gegen das Gefühl von Alternativlosigkeit und Apokalypse wollen wir zeigen, dass es anders geht.

Die Niederlage unserer Partei bei der Bundestagswahl zeigt, wo wir stehen und von wo wir neu starten müssen. Uns gelingt es nicht ausreichend, in einer veränderten politischen Konstellation die Erwartungen derjenigen zu erfüllen, die sich vorstellen können links zu wählen. Wir wollen denjenigen Menschen, die uns gewählt oder nicht mehr gewählt haben, die zweifeln oder neugierig auf Alternativen sind, neue Antworten geben – und das, was richtig war und bleibt, geschlossener und mutiger nach außen vertreten. Dafür wollen wir DIE LINKE gemeinsam erneuern und uns für die neue Zeit gesellschaftlicher Richtungsentscheidungen aufstellen.

Millionen Menschen haben bei der Bundestagswahl ihre Hoffnungen mit einem Regierungswechsel verbunden. Hoffnungen, das Klima zu retten. Hoffnungen auf mehr Gerechtigkeit. Nach Jahren des Aussitzens von Problemen, gab es die Hoffnung auf etwas Neues. Mit der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro hat die Ampel-Koalition ein sozialdemokratisches Wahlversprechen umgesetzt, mit der Streichung des § 219a eine längst überfällige Reform beschlossen. In der Mitte des Koalitionsvertrages aber klafft eine riesige Gerechtigkeitslücke: 100 Milliarden Euro Sondervermögen für Aufrüstung – aber kein Sondervermögen zur Bekämpfung der wachsenden Armut in Deutschland. Kein Gerechtigkeitspaket, um bezahlbare Wohnungen zu bauen, Kinderarmut und den Pflegenotstand endlich zu beenden und soziale Berufe endlich angemessen zu bezahlen. Die Rentenpolitik der Ampel lässt sich auf die Formel bringen: Zehn Milliarden Euro Steuergelder in die Aktienrente, aber Null Milliarden, um die sich abzeichnende Lawine von Altersarmut zu stoppen. Hartz IV wird umbenannt, aber die viel zu niedrigen Sätze bleiben. Ist das der versprochene „Respekt“? Die Wahlkampfversprechen von SPD und Grünen – gerechtere Einkommensteuer, Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin durch eine Bürgerversicherung, bezahlbare Mieten – sind alle Makulatur. Die Ampel verspricht gesellschaftlichen Fortschritt – aber für wen? Die Lebenswirklichkeiten der Hälfte der Bevölkerung werden dabei vergessen und die Reichen werden immer reicher.

Die Regierung steht in den Augen vieler Menschen jedoch für eine ökologische Modernisierung der Gesellschaft. Sie setzt dabei auf technologische Veränderungen – ohne grundlegende Veränderungen der Wirtschaftsweise. Sie spielt mit der Illusion von einfachen technologischen Innovationen, ohne dabei auf dem Boden der Wissenschaft zu stehen. Sie gaukelt den Menschen vor, dass mit nur wenig grüner Farbe ein „weiter so“ möglich wäre. Die Politik der Bundesregierung, die sich von den vorherigen leider nicht signifikant unterscheidet, führt zu langfristigen, irreversiblen Schäden und damit viel Elend. Sie ist verantwortungslos. Mehr große Autos mit hohem Ressourcenverbrauch, aber mit Elektromotor. Es reicht nicht aus, nur den Antrieb zu verändern, wir müssen das System neu aufsetzen. Notwendig wäre, ein Verkehrssystem, in dem niemand mehr vom Auto abhängig ist und in dem eine funktionierende Mobilität für alle garantiert wird.

Statt der Hoffnung auf einen sozialen und klimagerechten Umbau, beginnt die neue Regierungszeit für Millionen Menschen mit Angst vor der nächsten Heizkostenabrechnung. Die Folgen der steigenden Energie- und Lebensmittelpreise sind nur ein Vorgeschmack auf mögliche Ressourcenkrisen der Zukunft. Die steigenden Preise fressen für viele längst die Löhne auf. Der Umgang der Bundesregierung damit ist halbherzig und sozial ungerecht, die beschlossenen Maßnahmen zur Abfederung reichen für Geringverdienende, Pendler*innen, Rentner*innen und Hartz-IV-Bezieher*innen längst nicht aus. Teile der Bundesregierung fordern bereits ein energiepolitisches Rollback mit verlängertem Atom- und Kohlestrom. Das sagt viel aus über das, was die Ampel-Parteien unter Transformation verstehen: Halbherziger Klimaschutz, der über Preise geregelt wird und die soziale Spaltung der Gesellschaft nicht in Frage stellt.

Als Gesellschaft stehen wir an einem Scheideweg: Die auf Wachstum, Profit und Konkurrenz beruhende kapitalistische Wirtschaftsweise stößt an die Grenzen einer Welt endlicher Ressourcen und begrenzt belastbarer Ökosysteme. Wir müssen es schaffen bis spätestens 2035 klimaneutral zu werden, um die Klimakatastrophe doch noch abzuwenden. Das ist möglich, wenn jetzt entschlossen Weichen für die Zukunft gestellt werden.

Mittelfristig müssen Energie- und Ressourcenverbrauch auch in absoluten Zahlen verringert werden – das verträgt sich nicht mit einer Wirtschaftsweise, die auf dem blinden Wachstum der Profite beruht. Markt und Wettbewerb sind eine Sackgasse für die ökologische Transformation. Nur mit massiven, gezielten öffentlichen Investitionen in den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft und Infrastruktur ist es noch möglich, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Die dafür verbleibende Zeit wird immer knapper.

Der weltweite Kampf um Ressourcen, Absatzmärkte und Einflusssphären ist eine der wesentlichen Ursachen für Kriege. Es ist fatal in dieser historischen Situation die Weichen auf Aufrüstung zu stellen, wie die Bundesregierung es tut. Nicht Aufrüstung, sondern der Ausstieg aus der fossilen Wirtschaft und eine nachhaltige, ressourcenschützende Wirtschaftsweise und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung schaffen die Grundlage für eine friedlichere Welt. Wir stehen für eine Politik der Deeskalation, für Frieden und Sicherheit durch Kooperation und Abrüstung. Wir reihen uns nicht ein in den Chor von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU für mehr Aufrüstung und Abschreckung.

SPD und Grüne haben sich den Spielarten liberaler Modernisierung verschrieben, sie denken nicht über den Horizont eines immer krisenhafteren Wirtschaftssystems hinaus. Eine linke Partei muss mehr wollen. Und wir können mehr. Wir haben den Anspruch einer modernen, sozialistischen Gerechtigkeitspartei, die für eine gerechte Transformation, für weltweite soziale Rechte und Klimagerechtigkeit, für Abrüstung, Frieden und eine neue sozial- ökologische Weltwirtschaft einsteht. Nach dem Dogma der Markgläubigkeit und angesichts globaler Krisen braucht es eine Kraft, die Gemeinwohl vor Profit stellt. Diese Zeit braucht eine mutige, radikale und realistische Politik von linksDas ist unser Anspruch und dafür stellen wir uns neu auf.

 

Schritte über den Kapitalismus hinaus - DIE LINKE neu aufstellen

In den vergangenen Jahren haben wir den Kampf gegen die Klimakatastrophe und das Aufzeigen einer sozial-ökologischen Alternative nicht ausreichend in den Mittelpunkt unserer Politik gestellt – das werden wir ändern. Als LINKE werden wir den sozialen und ökologischen Systemwechsel ins Zentrum rücken. Soziale und ökologische Politik sind kein Gegensatz – im Gegenteil. Soziale und ökologische Gerechtigkeit hängen voneinander ab. Wir müssen die lautstarke Stimme für diejenigen werden, die das Ende des Monatseinkommens genauso fürchten wie die Zerstörung des Planeten. Wir machen uns für konsequenten Klimaschutz und für soziale Garantien stark. DIE LINKE stellt sich auf als Partei, die am 1,5 Grad-Ziel genauso festhält wie am Ziel einer armutsfreien Gesellschaft. Wir formulieren eine klare Alternative zur Politik der Ampel-Koalition, die die Interessen der Beschäftigten und der unteren Hälfte der Gesellschaft beim sozial-ökologischen Umbau in den Mittelpunkt stellt: Klimaschutz mit sozialer Absicherung für alle; klimaneutrale Arbeitsplätze mit Zukunft, guten Löhnen und echter Mitbestimmung; Reichtum, Arbeit und Zeit gerechter verteilen. Kurz, eine gerechte Transformation: Gemeinwohl vor Profit.

Anonyme Marktkräfte, Profitinteressen und Konzernmanager dürfen nicht länger über unsere Zukunft entscheiden! Wir wollen, dass die Bürger*innen und die Beschäftigten demokratisch über wirtschaftliche Entscheidungen mitbestimmen können. Unser Ziel ist eine Stärkung des Öffentlichen gegen die Dominanz privater Konzerne und Profitinteressen. DIE LINKE ist mehr als ein soziales Korrektiv, wir wollen eine neue Wirtschaftsordnung nach dem Neoliberalismus und jenseits des fossilen Kapitalismus. So wie es keinen Sozialismus ohne Demokratie geben kann, kann es auch keinen Sozialismus ohne Ökologie, ohne ein Ende des Raubbaus an der Natur geben. Sozialistische Politik ist daher mehr als die Forderung nach einer gerechteren Verteilung von Einkommen und Vermögen und einer Wiederherstellung des Sozialstaates: Es geht um neue, demokratische und nachhaltige Weisen zu arbeiten und zu produzieren, um die ökologische Transformation von Industriestrukturen, eine nachhaltige Landwirtschaft und eine neue Qualität öffentlicher Infrastruktur, die ein gutes Leben für alle möglich macht.

 

Klimaneutral bis 2035 – Die Energiewende vorantreiben

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat nochmals die Dringlichkeit des Ausstiegs aus den fossilen Energien Kohle, Öl und Gas deutlich gemacht. Dennoch werden jetzt Stimmen laut, die statt auf Erneuerbare Energien weiter auf Kohle und Atom setzen. Als LINKE sagen wir: Hundertprozentige Versorgung mit erneuerbaren Energien bis 2035 ist notwendig und machbar. Unsere Perspektive einer regionalen Energiewende in öffentlicher oder genossenschaftlicher Hand ist der beste Weg dahin.

Notwendig ist dafür nicht weniger als das größte Investitionsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik.

Auch Umweltverbände kritisieren, dass die von der Ampel versprochenen 200 Milliarden Euro für den Klimaschutz eine „Luftbuchung“ sind, da sie nur bereits eingeplante Investitionen symbolträchtig zusammenrechnen. Das reicht hinten und vorne nicht, um uns im jetzt erforderlichen Rekordtempo aus der Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle zu lösen. Wir schlagen ein zusätzliches Investitionsprogramm über 20 Milliarden jährlich alleine für die Energiewende vor.

Insbesondere die dezentrale Energieversorgung muss ausgebaut werden. Das macht unsere Energieversorgung krisensicherer. Die Deckelung der Ausbauziele (sog. „atmender Deckel“) muss aufgehoben werden. Die Energieversorgung und die Netze wollen wir von den „großen vier“ Energiekonzernen zurück in kommunale und genossenschaftliche Hand holen. Wir wollen die Förderung der Erneuerbaren Energien auf Stadtwerke, Genossenschaften und Bürgerenergieprojekte hin ausrichten. Die Kommunen müssen an den Planungen und Erträgen privater Investoren in Windkraftanlagen, Photovoltaik-Kraftwerken und Energiespeichern beteiligt werden. Wir setzen uns für verpflichtende Solardächer, nicht nur für Neubauten, sondern auch für geeignete Bestandsgebäude ein. Durch ein massives Förderprogramm für eine Million effiziente Wärmepumpen können Öl- und Gasheizungen ersetzt werden.

Um den Energieverbrauch in Gebäuden zu senken und bis 2035 einen klimaneutralen Gebäudestand zu erreichen, wollen wir einen bundesweiten Klimacheck für alle Gebäude und verbindliche und sozial ausgerichtete Stufenpläne für die Gebäudemodernisierung. Die Sanierungsquote muss mindestens verdreifacht werden – und warmmietenneutral sein. Die CO2-Steuer darf nicht auf die Miete umgelegt werden. Wir lassen nicht zu, dass die Kosten auf die Mieter*innen abgewälzt werden!

Strom sparen, aber sozial gerecht: Die großen Energiekonzerne verdienen an der Krise. Die Strompreise müssen staatlich reguliert werden. Wir treten für die Wiedereinführung der 2007 abgeschafften Strompreisgenehmigung ein. Wir wollen ein kostenfreies Grundkontingent an Strom und Gas für alle. Alles, was über den durchschnittlichen Verbrauch hinausgeht, wird teurer. Damit werden Anreize zum Stromsparen geschaffen. Um die Preissteigerungen sozial aufzufangen, fordern wir die sofortige und künftig automatische Erhöhung der Hartz-IV-Sätze um die Inflationsrate. Strom und Gassperren müssen verboten werden. Wir unterstützen die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften in ihren Kämpfen für gute Löhne: Kein Tarifabschluss unterhalb der Inflation.

 

Mobilitätswende

Die Pariser Klimaziele können nur mit einem radikalen Umsteuern in der Verkehrspolitik erreicht werden. Der Verkehrssektor ist der einzige Bereich, der seit 1990 seine klimaschädlichen Emissionen nicht reduziert hat. Die gegenwärtige Verkehrspolitik schädigt nicht nur das Klima, sie ist auch unsozial. Sie schließt ganze Bevölkerungsgruppen von der Mobilität aus: weil sie sich Fahrpreise für Bahnen und Busse nicht leisten können und weil ganze Landstriche vom öffentlichen Verkehr abgekoppelt sind.

Wir wollen ein Verkehrssystem in dem alle mobil sein können und niemand ausgeschlossen wird. Verkehrswende muss mehr sein als eine bloße Antriebswende. Wir wollen Deutschland zum Bahnland machen und ein für alle bezahlbares im Alltag zuverlässig funktionierendes, preisgünstiges und barrierefreies, vernetztes öffentliches Mobilitätssystem der Zukunft schaffen. Durch den massiven Ausbau von Bus und Bahn, durch vernetzte Angebote auch auf dem Land, durch öffentliche Carsharing-Plattformen. Stillgelegte Bahnstrecken müssen reaktiviert werden, das Verkehrsangebot ausgeweitet und die Ticketpreise gesenkt werden. Wir wollen eine Mobilitätsgarantie für den ländlichen Raum, u.a. durch Rufbusse, Sharing-Modelle. Dazu muss der Bund den Ländern und Kommunen zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung stellen. Die Ampel-Koalition mit FDP-Verkehrsminister blockiert aber die notwendige Verkehrswende. Als LINKE fordern wir ein Investitionsprogramm über 17 Milliarden pro Jahr in die sozial-ökologische Mobilitätswende.

Das von der Ampel verkündete Paket für vorübergehende (!) 9-Euro-Tickets im ÖPNV ist ein Schritt in die richtige Richtung, die Kommunen kritisieren es jedoch zu Recht als bürokratisches Monster. Wir fordern dagegen, den ÖPNV schrittweise kostenfrei zu machen und als Sofortmaßnahmen ein 365-Euro-Ticket im ÖPNV auf den Weg zu bringen. Statt die Pendlerpauschale zu erhöhen, wollen wir ein sozial gerechtes Mobilitätsgeld einführen. Mit einem Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und 30 km/h in Ortschaften, würde der Bedarf an Öl und die CO2-Emissionen deutlich reduziert werden. Aber die Ampel zögert weiter. Auch in dieser Frage werden wir SPD und Grünen nicht aus der Verantwortung lassen und weiter Druck machen.

 

Klimajob-Programm – Für gute Arbeit und lebenswerte, klimaneutrale Kommunen

Sozial-ökologischer Umbau bedeutet, die soziale Infrastruktur für ein besseres Leben zu schaffen. Wir wollen 120 Milliarden pro Jahr in den klimaneutralen Umbau und die soziale Infrastruktur in den Kommunen investieren. Mit unserem Klima-Job-Programm können hunderttausende neue und zukunftssichere, gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen werden. In der Schienenfahrzeugproduktion, im öffentlichen Nahverkehr, im Handwerk und durch die Förderung erneuerbarer Energien. Wir wollen die sozialen Dienstleistungen aufwerten und 500 000 gut bezahlte Arbeitsplätze in Pflege, Bildung und sozialer Arbeit schaffen. Auch das trägt dazu bei, dass unsere Wirtschaft klimaneutral wird. Ein Aufbauprogramm, das für die Beschäftigten eine planbare Zukunft mit sinnvoller und gut bezahlter Arbeit bedeutet.

Die Öffentliche Daseinsvorsorge (oder „Fundamentalökonomie“, die Grundlage von Wirtschaft und Gesellschaft, so Wolfgang Streeck) steht im Mittelpunkt unserer Alternative für eine gerechte klimaneutrale Transformation. Für die FDP ist Freiheit die Abwesenheit von Staat – allerdings nicht, wenn es darum geht, ihrer Unternehmerklientel Staatsgelder zuzuschieben. Individuelle Freiheit und eine funktionierende Demokratie brauchen tragfähige öffentliche Strukturen. Der Markt schafft Infrastrukturen nur dort, wo damit Profit gemacht werden kann. Wir wollen die Infrastrukturen der Daseinsvorsorge dem privaten Profitinteresse entziehen und unter gesellschaftliche Kontrolle bringen, also Gemeingüter schaffen. Kommunale Stadtwerke, Energiegenossenschaften, rekommunalisierte Netze für eine dezentrale, regional ausgerichtete Energiewende. Kostenfreier ÖPNV und mehr autofreie Zonen für lebenswerte Kommunen. Kommunale und genossenschaftliche Wohnungsbaugesellschaften und kommunale Bodenfonds mit dauerhaft bezahlbaren Mieten sind unsere Alternative zu privater Spekulation mit der Wohnungsnot. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen müssen dem privaten Profit- und Verwertungsinteresse entzogen und kommunalen und gemeinwohlorientierten Trägern übertragen werden.  Kostenfreie Kitas und besser ausgestattete Schulen sichern den Zugang zu Bildung unabhängig von der sozialen Herkunft. Für diese Ziele streiten Gewerkschaften, Umweltorganisationen, Mieter- und Verkehrsinitiativen. Hier wollen wir im Bündnis mit ihnen eine neue Gemeinwohlökonomie konkret werden lassen – in der Kommune, auf Länderebene und bundesweit.

 

Sozial-ökologische Transformation der Industrie

Wir wollen die Industriestruktur in Deutschland unabhängiger vom Export von Autos, Waffen, Sicherheitstechnik und umweltschädlichen Formen der Chemieproduktion machen. Das ist eine soziale, klima- und friedenspolitische Schicksalsfrage. Unser Ziel ist eine Industrie, die bis 2035 klimaneutral und energieeffizient produziert. Dazu wollen wir die Unternehmen auf konkrete Schritte zum Umbau der Produktion verpflichten. Es reicht nicht, soziale Verwerfung im Strukturwandel nur abzumildern. Die Beschäftigten müssen in diesem Umbau abgesichert werden: durch Einkommens- und Jobgarantien. Sie müssen ihr Wissen in den Umbau einbringen und mitentscheiden können, zum Beispiel über Vetorechte bei Standortschließungen, Produktionsumstellungen (Konversion) und auch zur Erzwingung eines schnellstmöglichen Stopps akuter umweltschädigender Produktion. Ein solches Vetorecht wirkt bereits heute im Bereich des Arbeitsschutzes. Das ist linke im Unterschied zu grüner Politik.

Eine derart tiefgreifende Transformation kann nicht dem Markt überlassen werden. Über Ziele und notwendige Investitionen muss demokratisch entschieden werden („strategische Rahmenplanung“). Staatliche Förderungen dürfen keine Subvention für Entlassungen und Tarifflucht sein – sie müssen an Klimaziele und Garantien für Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen gebunden werden. Darauf zielt unser Vorschlag eines Transformationsfonds in Höhe von 20 Milliarden Euro pro Jahr. Ein nationaler Transformationsrat aus Parteien, Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbänden und Wissenschaftler*innen entscheidet über die Gestaltung des Umbaus. Auch die Menschen in den Transformationsregionen können in regionalen Wirtschafts- und Sozialräten endlich mitentscheiden.

Zu einem sozial-ökologischen Systemwechsel muss auch die Landwirtschaft umgebaut werden. Wir wollen für alle Menschen eine vollwertige Ernährung sichern und die Agrarindustrie zu einer krisenfesten ökologischen Landwirtschaft umbauen. Genossenschaftliche und gemeinnützige Nutzung wollen wir fördern, die Bodenpreise deckeln. Damit sichern wir regionale Nahrungsproduktion, ökologischen Umbau und die Zukunft von Landwirt*innen.

 

Soziale Sicherheit für alle. Klimaschutz braucht Umverteilung

Die Ampel-Koalition hat Respekt und Anerkennung für die Arbeit der Beschäftigten versprochen. In der nächsten Zeit ist aber zu befürchten, dass die Beschäftigten mit Verweis auf Krise, Krieg und Transformation zu Verzicht aufgefordert werden, während bei den großen Konzernen die Dividenden durch die Decke gehen. Als LINKE kämpfen wir für gute Arbeit für alle und dafür, dass niemand in Deutschland von Armut bedroht ist. Für ein Mindesteinkommen von 1.200 Euro und eine Rente, die den Lebensstandard im Alter sichert.

Klimaschutz braucht Umverteilung: In Deutschland verursacht das reichste 1 Prozent knapp ein Viertel der CO2-Emissionen. Wir können uns den Lebensstil der Reichen schon lange nicht mehr leisten. Ohne eine gerechtere Verteilung von Reichtum und Arbeit wird die angekündigte Transformation die Gesellschaft weiter spalten. Umgekehrt gilt: Gleichere Gesellschaften sind auch glücklichere, in ungerechten Gesellschaften leidet die Lebensqualität.

Ohne Steuergerechtigkeit gibt es auch keine ausreichenden Mittel für öffentliche Investitionen in Bildung, Wohnungsbau und Klimaschutz. Die Coronakrise ist noch nicht bewältigt, die Folgen von Krieg und Vertreibung kommen auf uns zu. Hohe Einkommen und Vermögen müssen gerecht besteuert werden, niedrige und mittlere Einkommen entlastet, eine Vermögensteuer eingeführt werden.

Die Ankündigung der Bundesregierung 2023 die Schuldenbremse wieder in Kraft zu setzen ist realitätsfremd. Wir fordern ihre weitere Aussetzung und einen Lastenausgleich, eine einmalige Vermögensabgabe zur Bewältigung der Krisenkosten. In den oft überschuldeten Kommunen gibt es einen gewaltigen Investitionstau, die Folge jahrelanger Sparpolitik im Zeichen der Schuldenbremse und der Schwarzen Null. Die Schuldenbremse ist in Wirklichkeit eine Innovations- und Investitionsblockade. Sie blockiert auch die Möglichkeit für Krisenzeiten Vorsorge zu treffen – auf Kosten der Gesellschaft und der Beschäftigten in der Infrastruktur. In der Coronakrise hat sich der Personalmangel in Schulen, Kitas, Pflege und Verwaltungen besonders schmerzlich bemerkbar gemacht. Die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine ist ein Akt der Solidarität und Gebot der Menschlichkeit. Aber schon jetzt sind viele Kommunen überfordert, es fehlen Wohnungen und Personal. Es braucht auch daher dringend eine soziale Offensive für die Infrastruktur in den Kommunen. Die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat erneut gezeigt, wie brutal die Folgen des Klimawandels uns schon jetzt treffen. In Zukunft wird es solche Extremwetterereignisse wie Fluten, Stürme und Brände häufiger geben. Wir wollen dauerhaft einen Fonds einrichten, der Betroffene absichert und ohne bürokratische Hürden finanzielle Hilfen zur Verfügung stellt. Finanziert werden soll der Fonds über eine jährliche Klimaabgabe für Multimillionär*innen.

 

Neue Bündnisse für eine neue Zeit.

Diese Zeit mit ihren existentiellen Krisen erfordert neue Bündnisse. Veränderung wächst von unten. Wir wollen mithelfen, Kämpfe zu verbinden. Wir wollen gemeinsam mit den Schüler*innen und Student*innen von Fridays4Future und Gewerkschaften, in Friedensbündnissen, mit Seebrücke und Mieter*inneninitiativen kämpfen. Zusammen mit den Umwelt- und Sozialverbänden wollen wir Druck machen für eine sozial-ökologische Transformation. Antirassistische und feministische Bewegungen, der Kampf für gleiche soziale Rechte für alle gehören für uns zur linken DNA. Unsere Solidarität ist unteilbar. Unsere Antwort auf die neuen und alten Spaltungen ist eine verbindende Klassenpolitik: eine verbindende Interessenpolitik aller bisher politisch Machtlosen.

Wir sind die Gegner der Konzerne, die kurzfristige Profite über die Versorgung der Menschen und unser Überleben stellen. Wir kämpfen nicht für eine Spielart der Modernisierung des Bestehenden, sondern für eine Welt jenseits von Kapitalismus, Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg. Sozialismus, dieses Versprechen auf Gerechtigkeit, Demokratie und Solidarität, ist kein Traum aus der Vergangenheit, sondern eine Antwort auf die gegenwärtigen Verhältnisse, auf das Ende des fossilen Kapitalismus, globale Ungleichheit und die Rückkehr des Krieges. Wir haben eine Vision, die über den Horizont des Kapitalismus hinausreicht: Gerechte Verteilung von Reichtum, Arbeit und Zeit und eine Wirtschaft, die die natürlichen Grundlagen des Lebens schützt, statt sie für den Reichtum weniger zu zerstören. Gemeinwohl vor Profit. Ein Umbau der Gesellschaft, der das Leben für alle besser macht und den Planeten bewohnbar hält.