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Katja Kipping

Weit entfernt von wirklicher Rentengerechtigkeit

Katja Kipping im Deutschen Bundestag über die Benachteiligung Ostdeutscher bei der Rente

Wir schreiben das Jahr 26 nach der Wende. Und leider sind wir nach wie vor weit entfernt von einer wirklichen Rentengerechtigkeit zwischen Ost und West. Noch immer ist der Rentenwert Ost niedriger als der Rentenwert West. (28,66 zu 30,45 Euro = 1,76)

Noch immer gibt es Benachteiligungen bestimmter Gruppen durch falsche oder fehlende Regelungen in der Rentenüberleitung. Mit all den vielfältigen Diskriminierungen von ostdeutschen Biografien in der Rente wird sich die LINKE niemals abfinden. Hier werden wir nicht locker lassen! Und es ist beschämend, wie zynisch Schwarz-Rot hier auf Zeit spielt.

Auch die sogenannte Mütterrente ist so geregelt, dass Menschen im Osten weniger davon profitieren. Der Begriff Mütterrente hat sich umgangssprachlich eingebürgert, insofern werde auch ich ihn hier verwenden, auch wenn wir wissen, dass sehr wohl auch Väter Rentenpunkte für die Kindererziehung bekommen können.

Da der Rentenwert Ost niedriger ist als der Rentenwert West, gibt es für die Erziehung eines im Osten geborenes Kind niedrigere Rentenansprüche und zwar um 1,79 Euro niedrigere je Rentenpunkt.

Kindererziehungszeiten im Osten werden also in der Rente geringer entlohnt als Kindererziehungszeiten im Westen. Die Teilung zwischen Ost und West lebt somit in der Rente weiter. Die Erziehung eines Kindes im Osten ist also weniger wert. Wirkliche Einheit sieht anders aus!

Ein breites Bündnis für eine gerechte Mütterrente hat fast 110.000 Unterschriften gesammelt. Gemeinsam mit diesem Bündnis, also mit Verdi, Volkssolidarität, Sozialverband und Frauenrat fordern wir: Machen Sie Schluss mit der Ungleichbehandlung der Erziehungszeiten in Ost und West! Jedes Kind muss der Gesellschaft gleich viel wert sein.

Neben dem niedrigeren Rentenwert Ost gibt es eine weitere Benachteiligung. Frauen, deren Rente einen Übergangszuschlag vorsieht, bekommen den zusätzlichen Mütterrentenpunkt von dem Übergangszuschlag abgezogen. Zur Erläuterung, bei diesem Zuschlag handelt es sich um eine rechtliche Regelung aus der Rentenüberleitung nach der Wende.

Diese Regelung kann dazu führen, dass ostdeutsche Mütter bei der Verbesserung in der Mütterrente leerausgehen.

So beispielsweise geschehen bei einer fast 80jährigen Frau, die sechs Kinder geboren hat und 1996 in Rente gegangen ist. Bei sechs Kindern hätte ihr eigentlich eine Erhöhung um 158,34 Euro zugestanden. Doch da ihre bisherige Rente einen Übergangszuschlag beinhaltet, sieht sie von den Verbesserungen bei der Mütterrente genau null Euro.

Insgesamt sind 6.500 hochbetagte Frauen davon betroffen. 6500 hochbetagte Frauen von Dresden bis Schwerin, die wegen Gesetzesformulierungen aus dem Jahre 1993, von der Verbesserung der Mütterrente nichts, aber auch gar nicht in ihrem Portemonnaie sehen. Es ist beschämend, dass Sie von CDU und SPD wirklich nicht in der Lage sind, für diese 6500 Frauen schnell eine Lösung zu finden!

Werte Kolleginnen und Kollegen, warum bestehen Sie so verbissen auf der Benachteiligung von ostdeutschen Frauen auch in der Mütterente? Sind Sie ideologisch so verbohrt, dass Sie unbedingt den Frauen rentenpolitisch noch eines mitgeben wollen, weil sie in der DDR gelebt haben? Oder liegt es daran, dass diejenigen, die um die Probleme der Ostdeutschen wissen, bei SPD und CDU nicht wirklich ernst genommen werden. Ganz offensichtlich hat der Osten bei Schwarz-Rot nichts zu melden!

DIE LINKE legt heute auch zwei Anträge vor, die die besondere Rentenungerechtigkeit für Bergleute in der Braunkohleveredelung und den Ost-Krankenschwestern, den Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR ansprechen.

Beide Berufsgruppen waren besonderen Härten ausgesetzt. Deswegen gab es für sie im Rentensystem der DDR besondere Rentenregelungen.

Die in der Braunkohleveredelung Beschäftigten waren den Bergleuten unter Tage gleichgestellt bei der Rentenberechnung. Als Ausgleich für die gesundheitsgefährdende Arbeit konnten sie damals früher in Rente gehen.

Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR erhielten in Würdigung der besonderen Belastungen im Beruf einen besonderen Steigerungsbetrag bei der Rente.

Beide Regelungen sind bei der Rentenüberleitung nach der Wende unzureichend berücksichtigt worden bzw. nach einer Übergangszeit ganz weggefallen.

Deshalb müssen heute viele der Ost-Krankenschwestern mit einer Rente knapp über dem Hartz-IV-Niveau über die Runden kommen. Und das nach einem wirklich anstrengenden und aufopferungsvollen Arbeitsleben!

Zu den in der Braunkohleveredlung Beschäftigten: Die Ausbeutung der Braunkohle mit chemischen Verfahren in Borna-Espenhain, in Bitterfeld, in Buna oder in Leuna wie auch in Schwarze Pumpe oder Lauta führte damals zu schweren Belastungen für die Beschäftigten.

Viele Kumpel, die dort gearbeitet haben, mussten auch infolge von gesundheitlichen Schäden eher in Rente gehen. Sie müssen nun nach dem bundesdeutschen Rentenrecht dafür lebenslang Abschläge bei der Rente hinnehmen.

Hier muss etwas geschehen und zwar schnell.

Denn den Betroffenen läuft die Zeit davon und zwar die Lebenszeit. Um das zu verdeutlichen, im Raum Borna-Espenhain nahmen 1996 über 1000 Kumpel den Kampf um ihre zugesagten Rentenansprüche auf. Damals waren sie über 1000. Und heut nur noch rund 350! Die fehlenden Kumpel haben nicht aufgegeben, nein, sie sind weggestorben. Hier auf Zeit zu spielen ist also mehr als zynisch!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Oktober letzten Jahres legten wir einem umfassenden Antrag zu allen Berufsgruppen vor, die im Zuge der Rentenüberleitung besondere Nachteile haben.

Damals haben Sie von CDU und SPD, besonders bei diese beiden Betroffenengruppen - den Ost-Krankenschwester und den Bergleuten in der Braunkohleveredelung - bedauert, vermeintlich nichts mehr tun zu können.

Mit diesen Anträgen erinnern wir Sie an Ihr Bedauern. Nehmen Sie sich wenigstens dieser Gruppen endlich wirklich an. Gesetzliche Regelungen sind keine Naturgesetze - sie lassen sich ändern. Es braucht nur den politischen Willen.

Schon innerhalb der Mütterrente gibt es schon eine besondere Ungerechtigkeit, Kinder, die vor 1992 geboren wurden, werden nur mir zwei Rentenpunkten berücksichtigt, die nach 1992 geboren mit drei Punkten. Also meine Generation kann mit drei Rentenpunkten je Kind rechnen. Die Generation meiner Mutter mit maximal zwei. Wie bitte erklären Sie das? Es ist ja nun nicht so, dass zu Zeiten meiner Kindheit für Mütter oder Väter unbedingt leichter gewesen ist als heute Kinder groß zu ziehen.