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Rückzug Lafontaines ist Zäsur für DIE LINKE

Statement von Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer der Partei DIE LINKE, auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren, natürlich ist das prägende Thema der Vorstandssitzung die Erklärung von Oskar Lafontaine zu Beginn gewesen. Ich will dazu auch nur Weniges sagen. Ganz klar und eindeutig: Dass Oskar Lafontaine im Mai nicht wieder kandidiert, ist für DIE LINKE eine Zäsur. Wie kein Anderer steht Oskar Lafontaine für den Erfolg der LINKEN. Gregor Gysi hat darauf hingewiesen. Ich will nochmal ausdrücklich betonen, dass wir ohne Oskar Lafontaine diese Wahlergebnisse, insbesondere in den alten Bundesländern bei den Bundestagswahlen über 8 Prozent, nicht erzielt hätten, geschweige denn Wahlergebnisse wie zu den Landtagswahlen im Saarland mit fast 22 Prozent. Das wäre ohne sein Engagement nicht möglich gewesen. Aber es sind nicht nur die Wahlerfolge. Steigende Mitgliederzahlen sind auch mit dem Namen Oskar Lafontaine verbunden, gerade in den alten Ländern. Für uns kommt es darauf an, diese Zäsur zu bewältigen. Das ist eine große Herausforderung. Das wird auch nicht leicht für die Partei. Aber ich sage auch ganz klar: Wir haben natürlich in der Vergangenheit viele schwere Situationen gehabt. Diese ist eine, die wir bewältigen müssen und auch bewältigen können. Ich will allerdings auch nochmals darauf hinweisen: Oskar Lafontaine ist bis zum Mai gemeinsam mit Lothar Bisky Vorsitzender der Partei DIE LINKE. Er wird – das hat er gesagt – sich im Rahmen seiner Möglichkeiten in Abhängigkeit von der Gesundheit auch in den Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen einbringen. Er wird – Sie wissen, in den nächsten Wochen werden wir einen Entwurf für ein Grundsatzprogramm veröffentlichen – sich auch da einbringen. Er wird auch danach als Fraktionsvorsitzender an der Saar mit Sicherheit eine Rolle in der Partei spielen.

Natürlich muss es darum gehen, dass wir zeitnah Vorschläge für die Wahlen im Mai in Rostock machen. Es geht darum, über die Struktur einer zukünftigen Parteiführung nachzudenken. Da geht es selbstverständlich auch um Personen. Wir stehen jetzt nicht unter einem Zeitdruck, dass etwa heute oder morgen Entscheidungen getroffen werden müssen. Sie haben das gelesen. Am heutigen Abend gibt es diverse Sitzungen mit den Landesvorsitzenden. Der Geschäftsführende Vorstand wird tagen, und wir werden sicherlich einige Schritte weiter kommen, weil es geht natürlich nicht nur um die Parteispitze, sondern auch um eine neue Bundesgeschäftsführerin oder einen neuen Bundesgeschäftsführer, um eine neue Schatzmeisterin oder einen neuen Schatzmeister. All dies ist im Komplex zu behandeln. Ich will auch an dieser Stelle klar und eindeutig als jemand, der ausdrücklich immer gesagt hat, dass ich kein Freund von Doppelspitzen bin, sagen, dass wir in einer Situation, wie sie sich jetzt darstellt, auch diese Variante zumindest erörtern sollten. Ich glaube, dass unter bestimmten Voraussetzungen – dass ist nicht eine dauerhafte Position, meine Grundposition hat sich nicht verändert –, aber in dieser Situation kann auch ich mir vorstellen, dass wir zu einer Doppelspitze kommen. Es wird darum gehen, Ausgewogenheit Ost-West, auch politische Strömungen, in der Parteispitze insgesamt hinzubekommen.

Ich will eine Bemerkung machen, weil auch das am Wochenende eine größere Rolle spielte: Ob sich damit im Verhältnis zur SPD etwas verändert hätte, ob Bündnisse damit leichter wären. Ich will klar und deutlich meine Position sagen: Ich sehe das ausdrücklich nicht so. Die Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit ist immer inhaltlicher Natur. Ich kann mich im Übrigen erinnern – lange ist es her –, als Oskar Lafontaine nicht bei der Partei war, gab es auch immer Gründe, warum eine Zusammenarbeit nicht möglich ist. Eine Zusammenarbeit ist aus der Sicht der LINKEN mit der SPD auf der Bundesebene im Moment nicht möglich. Sie kennen unsere Forderungen aus dem Wahlkampf. Hier hat es ja keine relevanten Veränderungen gegeben. Das ist die Situation. Die Sozialdemokratie muss sich in der Opposition finden. Dann wird man vielleicht auch zu anderen Sichten kommen. Sie wissen auch, ich habe immer gesagt, dass ich strategisch Mitte-Links-Bündnisse unterstütze und befürworte. Da, wo es die Möglichkeiten gibt, sollte man gemeinsam auch Politik machen. Das findet auf kommunaler und Landesebene – wie Sie wissen – umfangreich statt. Dass Oskar Lafontaine nicht wieder kandidiert, hat auf der Bundesebene, aus meiner Sicht, keine Auswirkungen. Inhaltlich muss bestimmt werden, ob so etwas möglich ist. Im Übrigen sehe ich das so, dass 2013 noch sehr weit weg ist. Spekulieren nutzt überhaupt nicht. DIE LINKE wird daran arbeiten, und zwar nicht nur mit dem Blick auf Rostock, sondern langfristig, dass wir unser Profil entwickeln und schärfen. Ich will die einzelnen inhaltlichen Punkt jetzt hier nicht nochmal darlegen. Das ist unsere Aufgabe. Nicht das Spekulieren über Bündnisse.

Ich will aber genauso deutlich sagen, dass ich die Gespräche von jungen Nachwuchspolitikern von SPD und LINKE ausdrücklich unterstütze. Reden ist immer sinnvoll. Das gilt in der Innenpolitik wie auch in der Außenpolitik. Das hat ja überhaupt nichts damit zu tun, dass da irgendetwas vorgeschrieben ist. Ich begrüße und unterstütze das. Das ist ja auch nicht vom Himmel gefallen. Ich traue den jungen Leuten ganz viel zu, aber dass sie so strategisch ihren Aufruf in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" platzieren konnten, das ist dann doch eine gewisse Überschätzung, was hier und da jetzt unterstellt wird. Also es wäre gut, wenn dort substantiell vielleicht etwas Neues entsteht.

Es ist und bleibt so. Die Hauptgegner der LINKEN sind die Neoliberalen in CDU, CSU und FDP. Gerade die Haushaltsdebatte der letzten Woche hat das deutlich gemacht: Die Richtung in die die schwarz-gelbe Koalition das Land führen will, ist nicht die Richtung, die DIE LINKE will. Es ist so, dass mit dem Haushalt die Umverteilung von Unten nach Oben fortgesetzt wird. Es ist ein Haushalt von Lobbyisten für Lobbyisten. Deshalb ist dort die Hauptgegnerschaft der LINKEN.

Ich will auf drei weitere Punkte nach der Vorstandssitzung eingehen. Ich will natürlich aktuell aufgrund der Konferenzen zum Thema Afghanistan etwas sagen. Ich will klar und eindeutig noch einmal die Position der LINKEN unterstreichen: Es geht nicht um Zahlen. Ganz klar und eindeutig: Wir sagen, die Strategie, die über Jahre hier vertreten worden ist, diese Strategie in Afghanistan ist falsch. Es ist der Ausdruck eines falschen Weges, wenn man nach all den Jahren konstatiert: Wo wir heute stehen, ist letztlich das bisherige Engagement ein Desaster. Deswegen bleiben wir auch bei unserer Position: Die Soldaten müssen schnellstmöglich aus Afghanistan abgezogen werden. Gregor Gysi hat den Vorschlag unterbreitet, dass das bis 2010 der Fall sein müsste. Ich kann die Bundesregierung nur auffordern, wirklich zivile Positionen und Projekte deutlich mehr zu stärken. Ich höre, dass es zumindest dort Ansätze gibt. Ich war eben als Berichterstatter im Niebel-Ministerium und habe dort auch das nicht nur angesprochen, es hat auch Resonanz gefunden, dass hier wirklich die Mittel deutlich angehoben werden, damit wir zu einer anderen Position und zu einer anderen Situation kommen. Auf jeden Fall darf die Afghanistan-Konferenz nicht zu einer Truppenstellerkonferenz werden, sondern es muss wirklich um eine andere, um eine korrigierte Strategie gehen, damit in diesem Land vielleicht endlich Frieden herrscht.

Eine zweite Sachbemerkung, die ich machen will, das ist zum Thema der umfangreichen Spenden. Ich habe heute zur Kenntnis genommen, dass es eine Großspende an die CDU von BMW gegeben hat, und dass dies irgendwie eine Korrespondenz mit Steuerabschlägen für Jahreswagen geben könnte. Ich will den Satz, den ich gerade sagte, wiederholen: Der Haushalt ist ein Haushalt von Lobbyisten für Lobbyisten. Das ist offensichtlich Klientelpolitik, die hier betrieben wird. Dass Parteien sich Spenden in diesen Größenordnungen direkt nach den Wahlen genehmigen und dies nicht zufällig ist, das finde ich dann doch schon einen skandalösen Vorgang. Es kann nicht sein, dass Großunternehmen, dass Banken und Konzerne – Sie müssen sich die Spendenlisten anschauen – die Politik in Deutschland wesentlich mitbestimmen. Das ist offensichtlich nicht der Grundgedanke, der beim Parteiengesetz, als es um Spendeneinwerbung ging, eine Rolle gespielt hat. Also hier bleibe ich dabei, dass Unternehmensspenden an Parteien generell untersagt werden sollten, zumindest aber, dass es wie in anderen Ländern, Grenzen gibt. Diese Grenzen sollten nicht all zu hoch sein.

Wenn ich sehe, dass für FDP-Mitglieder jetzt Rabatte bei privaten Krankenversicherungen offensichtlich ausgehandelt worden sind, dann frage ich mich: Wo leben wir denn? Jetzt wird Mitgliederwerbung auf solch eine Art und Weise gemacht. Ich bin wirklich der Überzeugung, dass diese Richtung der Politik hochproblematisch ist. Damit auch noch stolz umzugehen – das hat mein derzeitiger Kollege Lindner von der FDP gemacht –, das ist ein Ausdruck des völligen Missverständnisses von dem, was im Parteiengesetz ursprünglich gewollt worden ist.

Meine letzte Bemerkung bezieht sich auf die Demonstration in Dresden. Wir haben hier mit einer Kriminalisierung derjenigen zu tun, die hier gegen den geplanten Naziaufmarsch in Dresden aufstehen. Dies ist hochproblematisch. Hier wird der immer geforderte Aufstand der Anständigen kriminalisiert. Ganz klar und eindeutig: DIE LINKE ist bei denjenigen, die dort protestieren wollen. Der Vorstand hat nochmal unsere Mitgliedschaft und unsere Sympathisanten aufgerufen, sich am 13. Februar an den Protesten zu beteiligen. Es ist nicht akzeptabel, dass Nazis ungehindert durch Dresden marschieren. DIE LINKE ist und bleibt eine konsequent antifaschistische Partei und steht bei denjenigen, die mit buntem Protest braune Aufmärsche verhindern.

Dankeschön!