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Klaus Ernst

Kampf gegen Terrorismus muss auf Boden des Völkerrechts stattfinden

Pressestatement von Klaus Ernst zum 1. Mai, zur Pendlerpauschale, zur Tötung von Osama Bin Laden und zu den Ergebnissen des Parteivorstandes.

Über vier Themen möchte ich Sie heute informieren: als erstes über die Sitzung unseres Parteivorstandes vom Samstag und die Sitzung der Landesvorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden unserer Partei, die zur Zeit läuft, zweitens zur Tötung von Osama Bin Laden, drittens zum 1. Mai machen und dann noch zu einer aktuellen Forderung, der nach einer Erhöhung der Pendlerpauschale.

Als erstes zu unserer Parteivorstandssitzung: Ich möchte zunächst mit einer Falschmeldung aufräumen. Es ist keinesfalls so, dass wir irgendwelche Finanzprobleme haben. Im Gegenteil, unsere Finanzen sind solide. Wir haben allerdings tatsächlich momentan darüber diskutiert, wie wir innerhalb unserer Finanzplanung mehr Geld für Kampagnen, Wahlkämpfe u. ä. freisetzen können. Das bedeutet, dass wir innerhalb des Haushalts Umschichtungen vornehmen, die uns in die Lage versetzen, mehr als bisher kampagnenfähig zu sein. Hintergrund der ganzen Debatte ist natürlich die Tatsache, dass wir, im Gegensatz zu allen anderen Parteien, weniger Spenden erhalten, insbesondere überhaupt keine aus dem Industrie- und Finanzsektor. Ich sage aber auch dazu, dass wir diese Spenden nicht wollen, andererseits aber auch, dass wir langsam einmal darüber reden müssen, wie sehr sich manche Parteien aus diesen Quellen finanzieren. Meine Erfahrungen sind, dass wenn einer Geld bekommt, dann will er auch etwas dafür. Unsere Spenden, die wir auch in geringem Maße erhalten – im Übrigen sind das Kleinspenden von Mitgliedern und Sympathisanten, die den einen oder anderen Euro abtreten.

Ein weiteres Thema, mit dem wir uns in unserer Sitzung beschäftigt haben, war das antisemitische Flugblatt, das mit einem Link auf einer Webseite des Kreisverbandes unserer Partei in Duisburg aufgetaucht ist. Unser Vorgehen ist ganz klar: Wir distanzieren uns von diesem Flugblatt mit aller Klarheit. Wir unterstützen ganz besonders den Kreisverband Duisburg in seinem Vorgehen, der die Distanzierung, die Aufklärung und auch die Strafanzeige in dieser Frage klar als seine Position formuliert hat. Es gibt vom Parteivorstand die klare Ansage, dass Antisemitismus bei uns keinen Platz hat. Wir distanzieren uns ebenfalls von Aufrufen zum Boykott von israelischen Wahlen. Da haben wir eine ganz klare Position, an der wir auch nicht rütteln lassen.

Die Runde der Partei- und Fraktionsvorsitzenden heute diskutiert die Lage der Partei. Wir haben uns im Vorfeld im Vorstand auf eine Positionierung verständigt, was nun die nächsten Ziele unserer Partei insbesondere in diesem Jahr sein sollen. Darüber diskutieren eben unsere Fraktions- und Parteivorsitzenden der Länder. Dabei geht es aus unserer Sicht um folgende Punkte: Wir wissen, dass diese Personaldebatte alles andere als Erfolg bringend für DIE LINKE ist. Deshalb sind wir uns einig darüber, dass wir sehr wohl eine inhaltliche Debatte in unserer Partei brauchen, nämlich zur Frage, in welcher Weise wir uns auf gesellschaftliche Realitäten einstellen und möglicherweise auch die eine oder andere Frage pointierter als bisher darstellen müssen, auch die Frage, welche Themen wir setzen. Dabei spielt das, was wir am Samstag besprochen haben, eine besondere Rolle. Wir haben besprochen, dass wir den Themen, die in dieser Gesellschaft aktuell sind, ein ganz besonderes linkes Gesicht geben müssen. Das bedeutet, dass wenn wir über einen ökologischen Umbau reden, natürlich die Frage stellen müssen, wer ihn bezahlt. Natürlich wollen wir dabei vor allem berücksichtigt wissen, dass nicht die Menschen in unserer Gesellschaft, die schon auf der untersten Kante der Einkommen leben, auch die sind, die die Energiewende finanzieren sollen. Das bedeutet auch, dass wir aufpassen müssen, wie wir das mit den Preisen gestalten. Es kann nicht sein, dass im Ergebnis einer ökologischen Wende nur ein geringer Teil der Bevölkerung sich bestimmte Produkte kaufen kann, die er notwendigerweise zum Energiesparen braucht. Das ist ein Thema, das wir aufgreifen wollen. Wir wollen die ökologische Wende begleiten, wollen sie in eine Richtung lenken, dass Strom und Mobilität tatsächlich auch für abhängig Beschäftigte, für Leute mit Arbeitslosengeld-II-Bezug, aber auch für Selbständige, die knapp mit ihren Mitteln umgehen müssen, bezahlbar sind, und dass wir diese Menschen nicht von der Entwicklung abkoppeln. Das ist das Ziel beim Thema ökologische Energiewende. Wir wollen sie sozial gestalten. Das ist unser Ansatz. Wir wollen im Übrigen auch die Frage des Eigentums dabei immer wieder ins Spiel bringen. Wir treten nachdrücklich dafür ein, dass wir zu einer Rekommunalisierung der Energieversorgung beitragen, nämlich in der Weise, dass wir tatsächlich im Ergebnis wirtschaftliche Entscheidungen unter demokratische Kontrolle bringen, auch wirtschaftliche Entscheidungen, die im Zusammenhang mit Energieversorgung getroffen werden: Preisgestaltung u. ä. Dabei spielt natürlich eine besondere Rolle, dass wir uns gegen weitere Privatisierungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wehren, nämlich insbesondere im Gesundheitsbereich, aber auch bei Wohnungen, bei Wasser und Abwasser u. ä. Ein weiteres Thema, das wir aufgreifen wollen, ist die Frage, dass wir bezahlbaren Wohnraum in der Bundesrepublik Deutschland haben. Wir werden uns dafür einsetzen, dass wir diese Spekulation, die auch bei uns in der Bundesrepublik stattfindet, eindämmen. Wir streiten dabei für dynamische gesetzliche Mietobergrenzen, also in einer bestimmten Dynamik. Wir wollen außerdem eine Steuer auf Gewinne bei Weiterverkäufen, weil wir wissen, dass dann die Wohnungsspekulation ein Stückweit eingeschränkt werden kann.

Ein weiterer Schwerpunkt für uns bleibt die Frage, dass dieser Aufschwung eben nicht bei allen Menschen ankommt, sondern dass wir inzwischen in unserem Land Löhne haben, wo Michael Sommer davon spricht, dass der Lohn bei uns in der Bundesrepublik Deutschland so billig ist wie Dreck. Dem können wir nur zustimmen. Deshalb bleibt es bei unserer Forderung, bei unserem Kampf insbesondere jetzt auch nach der Freizügigkeit in Europa seit dem 1. Mai, dass wir den Mindestlohn als oberste Priorität betrachten, aber eben nicht nur den Mindestlohn, sondern insgesamt die Lohnentwicklung in unserem Land. Sie wissen, die Gewinne der Konzerne, insbesondere der Automobilkonzerne, haben nun exorbitante Größen erreicht, und wir wissen gleichzeitig, dass die Preise sich in einer Art und Weise entwickeln, dass die Lohnerhöhungen aufgefressen werden. Das kann nicht sein, dass an diesem Aufschwung nur eine kleine Gruppe von Menschen verdient. Wir wollen uns dieses Themas annehmen. Wir bleibt bei unserer Forderung nach einem sofortigen Stopp des Krieges in Libyen und auch des Rückzugs der Bundeswehr aus Afghanistan. Ein weiteres Thema – das ist nicht neu, ich möchte es nur nochmal ansprechen – ist die Frage der sozialen Gerechtigkeit, der Gestaltung des Sozialstaates. Wir sind mitten in unserer Programmdebatte. Im Mai und Juli legen wir als Parteivorstand einen Leitantrag vor, zu dem dann bis zum 7. Oktober Änderungsanträge eingehen, und den ein Parteitag im Oktober beschließen soll.

Unsere Partei ist in einem Zustand, der könnte besser sein. Das wissen wir alle. Aber wir wollen das als Chance begreifen, jetzt die inhaltliche Debatte voranzubringen und damit auch wieder deutlich zu machen, für was DIE LINKE steht. DIE LINKE muss eine Partei sein, die auf der Seite der Menschen steht, die – ich sage es mal ganz platt – nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, sondern die ganz konkret betroffen sind von gesellschaftlichen Veränderungen, wie sinkende Löhne, sinkende Renten, wie Transfereinkommen, die aufgrund der Preissteigerungsrate abgewertet werden, wie Studentinnen und Studenten, die Probleme haben, ihre Studienplätze zu finanzieren. Wir sehen unseren Gebrauchswert als LINKE darin, dass wir ganz konkret interessenbezogene Politik für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger betreiben, und die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger sind diejenigen, die durch Arbeit – meistens durch lohnabhängige, aber nicht nur, ich meine auch kleine Selbständige oder Mittelständler – ihr Geld verdienen. Wir fühlen uns nicht zuständig für Ackermann & Co.

Wir haben uns natürlich auch zur Tötung von Osama Bin Laden verständigt. Ich möchte dazu folgendes erklären: Die Freude in den USA ist aus meiner Sicht durchaus verständlich, auch wenn rechtstaatliche Verfahren natürlich den Vorrang vor geheimen Kommandosachen haben müssen. Aber Osama Bin Laden ist eben der Drahtzieher der Terroranschläge des 11. Septembers und verantwortlich für unglaubliche Anschläge, die diese Welt erschüttert haben. Insofern – so glaube ich – gibt es niemanden, der dies bedauern würde, was da passiert ist. Allerdings dürfen wir uns keine Illusionen machen. Das ist noch lange kein Sieg über den Terrorismus. Man wird den Terrorismus nicht in den Griff kriegen mit völkerrechtswidrigen Aktionen der USA oder der NATO-Staaten. Ich glaube, der Westen würde glaubwürdiger sein, wenn er im Rahmen des Völkerrechts agiert. Im Übrigen wird jetzt von vielen, nicht nur von uns, gewarnt, dass das, was jetzt geschehen ist, zu Racheaktionen auch möglicherweise in Europa führen würde und dass natürlich die Situation in keiner Weise durch den Tod von Osama Bin Laden entspannt ist, sondern dass wir damit rechnen müssen, dass terroristische Aktivitäten weitergehen und dass damit auch die Angst vor Terror in der Bundesrepublik keinesfalls gebannt ist. Wir bleiben dabei. Wir halten Krieg für kein Mittel, um den Terror zu bekämpfen. Wir wollen, dass die Bundeswehr unverzüglich aus Afghanistan abgezogen wird.

Noch eine Bemerkung zum 1. Mai. Der 1. Mai wurde von den Gewerkschaften aus unserer Sicht richtigerweise dazu genutzt, dass nochmal darauf hingewiesen wurde, was sich am Arbeitsmarkt tut. Ich möchte darauf hinweisen: Wir haben in der Bundesrepublik einen Verfall von Sitte und Moral am Arbeitsmarkt. Wir haben die Zunahme von Niedriglöhnen. Wir haben eine Zunahme von befristeten Beschäftigten. Wir haben eine Zunahme von Leiharbeit. Ich halte es für richtig, dass sich die Gewerkschaften in dieser Frage deutlich positioniert haben. Es ist ein Gebot der Stunde, wieder Ordnung auf den Arbeitsmarkt zu organisieren. Wir werden die Gewerkschaften soweit es uns möglich ist dabei unterstützen. Die Gewerkschaften haben den Aktionstag 1. Mai zu einem Tag gegen Lohndumping gemacht. Es ist nicht hinzunehmen, dass die Bundesregierung nach sieben Jahren Nichtstun in dieser Frage Mindestlöhne, schlichtweg jetzt auch noch nichts tut, obwohl sich durch die Freizügigkeit in Europa die Situation verschlechtern wird. Aus unserer Sicht ist es nicht akzeptabel, dass die Bundesregierung dort gegen den Willen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes antritt. Die Bundesregierung handelt gegen die Interessen der Mehrheit der Bürger in dieser Frage. Das ist aus unserer Sicht nicht zu akzeptieren.

Zum Schluss ein Wort zur Pendlerpauschale: Wir haben nun die Situation, dass seit dem Jahr 2004 die Pendlerpauschale eine Größenordnung von 30 Cent pro Kilometer hat. Seit dieser Zeit sind die Benzinpreise um rund 50 Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass sich der Wert der Pendlerpauschale für die Menschen natürlich deutlich verändert hat. Wir haben gleichzeitig die Situation, dass im Übrigen sich auch die Fahrpreise des Öffentlichen Personennahverkehrs umentwickelt haben. Also wir haben wirklich die Situation, dass sich aufgrund der veränderten Energiepreise immer mehr Pendler der Situation ausgesetzt sind, dass sie relativ immer mehr Geld dafür ausgeben müssen, damit sie überhaupt zur Arbeit kommen. Das ist nicht hinzunehmen. Wir wollen, dass sich das ändert und treten deshalb dafür ein, dass wir die Pendlerpauschale deutlich erhöhen. Wir schlagen vor, dass wir auf 45 Cent pro Kilometer gehen, so dass wir im Ergebnis dann zumindest die Preissteigerungsrate ausgeglichen hätten, die sich seit 2004 bei den Benzinpreisen ergeben hätten. Im Übrigen will ich darauf hinweisen, dass viele Menschen keine Wahl haben, ob sie mit dem Auto zur Arbeit kommen oder nicht, weil sie in Regionen wohnen, wo sie gar keine andere Möglichkeit haben. Sie könnten vielleicht noch mit dem Fahrrad fahren, aber da ist der Weg zu weit. Also sie sind darauf angewiesen, dass sie mit einem Kraftfahrzeug fahren. Dort heißt es, da gibt es diese Entwicklung Arbeit für immer weniger Lohn, weil ihnen immer weniger von ihrem Geld übrigbleibt, weil sie schon so viel für das Benzin ausgeben müssen. Im Übrigen ist diese Preispolitik kein Ergebnis dieser Steuerpolitik, sondern das Ergebnis der Profitmacherei von Mineralkonzernen. Genau dort sind zur Zeit die Pendler die Opfer. Die FDP, die ja eine Steuersenkungspartei sein will, lehnt eine Erhöhung ab. Damit verhindert sie, dass dort Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlastet werden. Im Jahr 1989 bis 2004 wurde die Pendlerpauschale immer wieder erhöht und an die Preisentwicklungen angepasst. Das ist seit längerer Zeit vorbei. Wir sagen, man kann die Pendler nicht zum Opfer der Profiteure machen. Die Argumente gegen eine Erhöhung sind fadenscheinig. Wir wollen, dass die Pendlerpauschale nach acht Jahren – das ist der eigentliche Sinn – wieder den Wert hat, den sie vor acht Jahren hatte. Das ist unser Ziel. Einen entsprechenden Antrag werden wir im Bundestag einbringen.