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Helmut Holter

Insgesamt kann DIE LINKE froh und glücklich sein

Pressestatement des Spitzenkandidaten der LINKEN in Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter, im Berliner Karl-Liebknecht-Haus:

 

Einen wunderschönen guten Morgen,
DIE LINKE in Mecklenburg-Vorpommern hat mit 18,4 % ein tolles Wahlergebnis erzielt. Das sind 1,6 % mehr als 2006. Die Umfragen vor dem Wahltag sahen ein bisschen anders aus. Umso mehr freut uns das Ergebnis. Wir haben ein Mandat mehr errungen, wenn sich alles so bestätigt. Wir haben ja noch eine Nachwahl, deshalb ist das alles noch vorläufig bei uns. Aber ich glaube schon, dass man von den Ergebnissen von gestern ausgehen kann, dass der Landtag so zusammengesetzt sein wird. Aber zumindest für das, was jetzt nach dem Wahltag – Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen – ansteht, sind diese Ergebnisse eindeutig. Dafür gibt es eine gute Basis.

DIE LINKE Mecklenburg-Vorpommern hat sich langfristig auf diesen Wahltag vorbereitet. Wir haben im Frühjahr einen Parteitag durchgeführt, auf dem einstimmig das Wahlprogramm und das Ziel der LINKEN in unserem Land, zurück in die Regierung, beschlossen wurden. Das gab es bei uns noch nie, dass die Partei in dieser Frage zusammengestanden hat. Das ist eben das Neue, das mich nicht nur überrascht, sondern auch sehr gefreut hat. Es gab ein neues Wir-Gefühl, fernab zu unterschiedlichen Auffassungen in einzelnen Fragen.

Wir haben für ein gutes Ergebnis gekämpft – auf der Straße, in den Foren und bei den vielen anderen Gelegenheiten im Wahlkampf. Wir haben auch neue Formate und Ideen entwickelt, wie Speed-Dating, also Deine-Meine-5-Minuten mit Gregor Gysi, mit mir als Spitzenkandidaten oder mit der jeweiligen Direktkandidatin oder dem Direktkandidaten. Wir haben auch das TV-Duell, das zwischen dem Spitzenkandidaten der SPD, Sellering, und dem CDU-Spitzenkandidaten, Caffier, stattgefunden hat, nicht einfach missachtet. Im Gegenteil, wir haben uns eingeschaltet und im Internet eine Veranstaltung, ein Gespräch mit Gregor Gysi und mir, dagegengesetzt. Wir sind aktiv geworden, was durchaus registriert wurde.

Wichtig war auch – darauf ist Klaus Ernst schon eingegangen –, dass wir drei Themen unserer Wahlprogrammatik ins Zentrum gestellt haben. Wir haben in unserem Wahlprogramm ja mehrere Schlüsselvorhaben, von denen wir drei in den Mittelpunkt gestellt haben. Da ist die Frage nach dem Mindestlohn. Da ist die Frage nach einer besseren Schulbildung. Wir wollen, dass alle Kinder erfolgreich die Schule abschließen. Wir haben im Land rund 15 % Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher zu verzeichnen. Das ist fünfmal so hoch wie im Bundesdurchschnitt und einfach nicht hinnehmbar. Wir haben uns als einzige Partei ganz intensiv vorher, und dann auch im Wahlkampf, mit der Situation der Kommunen auseinandergesetzt, die kritisch chronisch unterfinanziert sind. Die Große Koalition hat in den letzten fünf Jahren nicht nur vermissen lassen, dass sie das angehen will, sondern sie hat einfach die Kommunen am langen Arm verhungern lassen. Das muss man so deutlich sagen, fernab von der Kreisgebietsreform, die jetzt auf dem Weg gebracht wurde.

Wir waren gerade mit diesen Themen bei den Menschen in Mecklenburg-Vorpommern. Wir haben ihren Nerv getroffen. Egal, wo wir hinkamen: Es ging um die Frage der Zukunft des Landes. Es war immer die Frage, ob die Großeltern, die Eltern ihren Kindern raten können, in Mecklenburg-Vorpommern zu bleiben oder ihnen sagen: „Packe die Koffer, suche dir woanders dein Glück und baue dir dort eine Existenz auf.“ Das hat viel auch mit Niedriglöhnen zu tun. Wenn drei Viertel der jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis 25 Jahren für Billiglöhne arbeiten müssen, dann ist die Frage nicht nur berechtigt, sondern sie wird für die jungen Familien existenziell. Wir sind die einzigen, die angetreten sind, nicht nur jungen Leuten, sondern auch den Älteren eine Zukunft geben zu wollen.

Wir haben landauf, landab in den letzten drei Wochen den intensiven Wahlkampf auch mit der Unterstützung der Bundespartei geführt. Klaus Ernst und Gesine Lötzsch waren selbst mit im Wahlkampf. Ich habe in den letzten zehn Tagen eine Tour mit Gregor Gysi durch Mecklenburg-Vorpommern gemacht. Wir haben faktisch jeden Tag zwischen 700 und 1.000 Menschen unmittelbar erreicht. Wir haben Direktkontakt und Auseinandersetzungen mit der NPD gehabt, was nicht zu erwarten war, aber es ist mehrfach passiert. Wir sind ganz bewusst mit Gregor Gysi am Freitag, den 02. September, in das Dorf Jamel gegangen, das faktisch von NPD-Anhängern dominiert ist. Wir wollten damit deutlich machen, dass kein Dorf von der NPD in Besitz genommen werden kann. Hier haben wir klar Flagge gezeigt.

Das eine Ärgernis am Wahlergebnis ist, dass die NPD mit 6 % wiederum in den Landtag eingezogen ist. Wir hatten fünf Jahre einen demokratischen Konsens, dass wir innerhalb und außerhalb des Landtages ganz intensiv und engagiert gegen die NPD vorgehen. Meine Überzeugung ist, dass das nicht ausreicht. Das muss man sicherlich weitermachen. Wenn es aber nicht gelingt, der NPD den Nährboden zu entziehen und die Räume, die die demokratischen Parteien zugelassen haben, wieder durch Demokratinnen und Demokraten zu besetzen, werden wir uns auch in fünf Jahren über die NPD erneut unterhalten müssen. Deswegen geht es nicht nur darum, die NPD als solche zu bekämpfen, sondern auch unseren alten Spruch „Nazis raus aus den Köpfen“ anzugehen. Ich plädiere für eine Doppelstrategie, was die NPD betrifft.

Die große Koalition, namentlich Sellering und Caffier, müssen sich fragen, warum die Wahlbeteiligung bei 51 % liegt. Es gab keine Wechselstimmung im Land. Es gab auch keine Polarisierung im Wahlkampf. Die Polarisierungen bis hin zur Provokation, die durch mich in die wenigen Foren, die die Spitzenkandidaten hatten, eingebracht wurden, sind praktisch abgeprallt. Darauf sind CDU und SPD nicht eingegangen. Sie suchten nicht die offene Auseinandersetzung, um den Menschen auch die Vergleichsmöglichkeiten zu geben. Es stimmt, wie in den Regionalmedien geschrieben und berichtet wurde, dass der Wahlkampf ein Kuschelwahlkampf war. Das war Ausdruck dieser Koalition. So hat sie auch die letzten fünf Jahre gearbeitet. Die Frage nach der Mobilisierung der Wählerinnen und Wähler geht – meiner Meinung nach – zuerst an Sellering und Caffier, weil sie für den Stillstand und für andere Fragen zuständig sind.

Wir wissen natürlich auch, wenn man sich, z. B. das Plakat der SPD anschaut „25.000 Arbeitsplätze geschaffen – jetzt höhere Löhne“, was das für eine Verhöhnung der Menschen ist. Ich kann nicht auf Arbeitsplätze setzen mit Löhnen, von denen die Menschen nicht leben können. Da ist die SPD in sich widersprüchlich. Das ist eine Situation, mit der wir umgehen müssen.

Insgesamt kann DIE LINKE nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch auf Bundesebene froh und glücklich sein, dass wir dieses Wahlergebnis haben. Gestern, um 18.00 Uhr, sah es ja noch so aus, als blieben wir bei 16,8 % bis 17 % hängen. Das hat sich dann entwickelt und das finde ich toll.

Das ist meines Erachtens auch für die Bundespartei sehr wichtig, gerade für Berlin. Wir hatten bei den vorhergehenden Wahlen bisher nie zugelegt. Wir haben jetzt in Mecklenburg-Vorpommern erstmalig zulegen können. Das stimmt optimistisch. Eine spannende Frage ist, ob wir als geschlossene Partei auch ein inhaltliches Angebot an die Wählerinnen und Wähler machen können. Das haben wir mit Mindestlohn, Schule und Kommune gemacht und es hat funktioniert. So sollte es – meines Erachtens – auch bei anderen praktiziert werden. Natürlich müssen Berlin und die anderen Bundesländer ihre Themen finden. Das versteht sich von selbst. Aber die Zuspitzung und die Konzentration auf wenige Themen bringt auch Profilschärfe für die eigene Partei und spricht dann auch die Menschen an.