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Der Politikwechsel in Hessen ist an der SPD gescheitert

Statement des Bundesgeschäftsführers der LINKEN, Dietmar Bartsch, auf der Pressekonferenz am 5. Januar 2009 im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Statement als Video- und Audio-Datei

Sehr geehrte Damen und Herren, ich wünsche Ihnen allen ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2009. Und natürlich wünsche ich mir auch eine faire journalistischen Begleitung, insbesondere weil dieses Jahr ja so viele Wahlen hat wie kaum ein Jahr bisher in der Bundesrepublik Deutschland. Heute früh hat hier im Hause erstmalig die Wahlkampfleitung der LINKEN getagt, die sich nach der Landtagswahl in Hessen von nun an jeden Montag treffen wird. Sie sehen hier auch Plakate aus Hessen. Am Wochenende haben wir dort sowohl mit der Großflächenplakatierung als auch mit der sonstigen Plakatierung begonnen. Wir gehen in Hessen optimistisch in den Wahlkampf. Wir werden in den nächsten Tagen bis zum 18. Januar in Hessen sehr umfangreich präsent sein, mit der Parteispitze und auch die Bundestagsfraktion wird ihre Klausur im schönen Frankfurt/Main abhalten. Wir werden in Hessen – wie nicht anders zu erwarten – um jede Stimme kämpfen.

Ich will noch einmal daran erinnern, dass in Hessen der Politikwechsel an der SPD gescheitert ist. Es ist ja wirklich erst ein Jahr her, dass es die Chance, zumindest arithmetisch, für eine Mehrheit jenseits von Roland Koch gab. Die LINKE hat in Hessen ihre Politikfähigkeit unter Beweis gestellt. Ich nehme jetzt mit Interesse den einen oder anderen Bericht zur Kenntnis. Selbst das schöne Städtchen Baunatal, das ich noch nicht kannte, hat ja Eingang in alle Medien gefunden. Ich habe mir heute Morgen dazu nochmals einen Bericht geben lassen und kann aus meiner Sicht nur wiederholen, dass der Wahlkampf der LINKEN gut läuft und wir optimistisch sind.

Interessanterweise hat die SPD aus der hessischen Lektion gelernt. Wie zum Jahreswechsel von Franz Müntefering mehrfach zu hören war, werden nunmehr rot-rote Bündnisse auf der Landesebene nicht mehr ausgeschlossen. Da kann man ja sagen, dank Andrea Ypsilanti ist zumindest dieses Kapitel jetzt erledigt. Ich will ausdrücklich ergänzen, dass sich das selbstverständlich auch auf Bündnisse unter Führung der LINKEN beziehen muss und nicht nur, wenn es um sozialdemokratische Ministerpräsidenten geht. Denn die parlamentarischen Regeln bleiben: Die stärkere Fraktion stellt den Ministerpräsidenten und nicht etwa die zweitstärkste.

Hessen hat zum Beispiel bei der Abschaffung der Studiengebühren aber auch bei anderen Entscheidungen im Parlament bewiesen, dass ein politischer Wechsel möglich ist. An diesem wollen wir im Jahre 2009 umfangreich mitwirken. Es geht 2009 nicht nur um die Zusammensetzung von Parlamenten und Regierungen, sondern es wird darum gehen, welche Richtung der Politik in Deutschland eingeschlagen wird. Wir als LINKE gehen gut gerüstet in dieses Wahljahr. Wir haben im Jahr 2008 hervorragende Voraussetzungen geschaffen – sowohl was grundsätzliche Dokumente als auch was unsere Wahlstrategie betrifft. Am nächsten Wochenende wird der Bundesausschuss einen Vorschlag für unsere Bundesliste für die Europawahlen machen. Wir werden am 19. Januar im Parteivorstand den Entwurf des Europa-Wahlprogramms verabschieden. Und wir werden – weil diese Frage in den letzten Tagen eine große Rolle spielte – als LINKE ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf gehen.

Lassen Sie mich als zweites einige Bemerkungen zur Debatte um ein sogenanntes zweites Konjunkturprogramm und die Vorschläge von SPD, CDU und CSU machen. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass alle übereinstimmend sagen, dass sich Deutschland, dass sich Europa und die Weltwirtschaft in einer tiefen Krise befindet und dass diese Krise ihren Tiefpunkt noch nicht erreicht hat. Niemand kann heute seriös sagen, welchen Verlauf diese Krise nehmen wird. Aber Fakt ist, dass die Bürgerinnen und Bürger von der Regierung Antworten erwarten. Bisher können wir nur feststellen, dass es sehr unterschiedliche Ansatzpunkte gibt und dass CDU/CSU und SPD vor allem Wahlkampf und wechselseitige Profilierung betreiben. Bisher haben wir vor allen Dingen eine Ankündigungskoalition erlebt. Es wird sehr, sehr viel angekündigt und man findet sich teilweise gar nicht mehr zurecht, welche einzelnen Vorschläge von welchem Koalitionspartner sind. Es kommt aus unserer Sicht vor allem darauf an, was realpolitisch passieren wird. Mit großem Interesse haben wir jetzt die Vorschläge der CDU und CSU zur Kenntnis nehmen dürfen, die die LINKE seit längerer Zeit macht. Ich begrüße ausdrücklich, dass sich die Union nun auf die Anhebung des Grundfreibetrages auf 8000 Euro geeinigt hat. Die LINKE fordert das seit Wochen und Monaten. Das wäre ein sehr vernünftiger Schritt. Da könnte man auch auf unsere Unterstützung hoffen. Genauso ist es mit dem Vorschlag, die sogenannte kalte Progression endlich abzuschaffen. Auch dies fordert DIE LINKE seit längerer Zeit. Interessanterweise fordert die SPD jetzt einen „Deutschlandfonds“ von mindestens 10 Milliarden Euro. Wir sagen, ja, ein wirkliches Investitionsprogramm ist notwendig. Wir haben vor Wochen den Umfang mit 50 Milliarden beziffert. Öffentliche Investitionen sind notwendig, gerade in Richtung erneuerbare Energien, in Richtung Bildung, auch das Vorziehen des Kita-Programms wäre sinnvoll. Das sind Forderungen der LINKEN. Und wir wünschen uns, dass die Koalition nicht bei der Ankündigung stehen bleibt oder es weiter zur wechselseitigen Profilierung nutzt.

Ein wesentlicher Punkt aus unserer Sicht muss ist die Ankurbelung der Binnennachfrage. Da habe ich mit Interesse gelesen, dass es jetzt von der SPD Einmalzahlungen für Kindergeldempfänger geben soll. Das erinnert mich allerdings sehr an die Debatte um die Konsum-Schecks. Ich glaube nicht, dass das ernsthaft in der Großen Koalition aufgerufen wird. Wir plädieren seit langem dafür, dass es eine wirkliche Erhöhung  des Hartz-IV-Regelsatzes gibt. Das würde auch sofort zur Steigerung der Binnennachfrage führen. Wir sind dafür, dass die Kassenbeiträge gesenkt werden – eine richtige Forderung, die seit langem steht. Ich kann nur hoffen, dass das wirklich in Angriff genommen wird. Was im Moment außen vor bleibt, ist die Frage, wie das finanziert werden soll. Wenn früher DIE LINKE all diese Vorschläge gemacht hat, wurde immer gesagt: Alles sehr nett, aber unfinanzierbar. Jetzt ist offensichtlich  alles finanzierbar. Ich will zumindest eines noch einmal ausdrücklich unterstreichen: Unsere Forderung nach einer Millionärsabgabe oder – wie der eine oder die andere geschrieben haben - nach einem Millionärsopfer, das zur Finanzierung relevant beitragen könnte. Das wäre ein sinnvoller Beitrag. Also: Ich fordere die Große Koalition auf, endlich zu handeln und nicht bei Ankündigungen stehen zu bleiben, sondern wirksame Maßnahmen zu ergreifen, damit die Krise nicht vor allem diejenigen belastet, die schon in den letzten Jahren umfangreich zur Kasse gebeten worden sind. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.