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betrieb & gewerkschaft

Man wollte uns abstrafen

Interview

Die Tourismus-Branche boomt. Die Beschäftigten darin werden mit Hungerlöhnen abgespeist und arbeiten oft unter extremen Bedingungen. Gewerkschaften gelingt es selten, dort Fuß zu fassen. In einem Berliner Hostel aber kämpfen Beschäftigte für einen Tarifvertrag. Wir sprechen mit Raphael, Ruth und Milenko, die dort im Betriebsrat und in der NGG-Gewerkschaftsgruppe sind.

Wer arbeitet bei euch?

Eine internationale Belegschaft. Viele sind kürzlich nach Berlin gezogen und sprechen kaum Deutsch. Hier arbeiten aber auch Leute aus Berlin. wombat’s gibt sich jung und ungezwungen: Flache Hierarchien oder Feierabendbier mit Gästen in der hauseigenen Bar. Aber eben auch Gehälter knapp über Mindestlohn, Unterschreitung gesetzlicher Ruhepausen und Unterschlagung von Urlaubsansprüchen der Minijobber.

Wie seid ihr zur Gewerkschaft gekommen?

Im Sommer 2015 haben wir einen Betriebsrat gegründet. Als Signal an BR-lose wombat’s-Häuser, verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen in Berlin; z.B. wurden die Löhne für Neue auf Mindestlohn abgesenkt. Wir haben dann auf die Möglichkeit hingewiesen, mit Hilfe der verantwortlichen Gewerkschaft NGG eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für alle zu erzielen. Zur BR-Gründung hatten wir Kontakt zur NGG und das Gremium ist recht bald eingetreten.

Hat ein Schlüsselereignis die breitere gewerkschaftliche Organisierung befördert?

Im August 2016 hat der Arbeitgeber unsere Absetzung beantragt, weil wir eine Betriebsversammlung zu wenig abgehalten haben. Unterstützt von ca. 40% der Belegschaft, die auf einer beigefügten Liste unterschieben hatten. Es stellte sich heraus, dass ein Großteil nicht wusste, was sie da unterschrieben. Kaum einem war klar, dass sie ein Gerichtsverfahren gegen uns unterstützten, die meisten fühlten sich reingelegt. Dieser Zeitpunkt markierte eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem BR und mit der Haltung unseres Arbeitgebers und politisierte einige Teile unseres Kollegiums.

Seitdem habt ihr zwei Mal gestreikt. Hattet ihr Unterstützung und wie kam es dazu?

Organisiert wurden die Streiks selbstverständlich von der NGG. Die Forderung nach Anschluss an den Flächentarifvertrag lag dem Arbeitgeber im August 2017 vor. Dieser teilte mit, man sehe keine Notwendigkeit zur Aufnahme von Tarifverhandlungen. Daraufhin beschloss eine Mitgliederversammlung im November, Arbeitskampfmaßnahmen einzuleiten. Der erste Streik Anfang Dezember hatte großen Zulauf; auch Kolleginnen und Kollegen, die keine NGG-Mitglieder sind, haben sich damals beteiligt.

Und wie hat euer Arbeitgeber auf den Streik reagiert?

Bereits nach einer Stunde bekamen alle Hausverbot. Allen Teilnehmenden wurden Abmahnungen erteilt, in denen bei erneutem Streik mit fristloser Kündigung gedroht wurde. Die Beteiligung war dann am zweiten Streiktag trotzdem beeindruckend. Es folgten zwei Kündigungen, die vor Gericht keinen Erfolg hatten.

Ihr wollt einen Tarifvertrag. Was ist euch wichtig, was sind eure konkreten Ziele und wo steht ihr derzeit?

Wir wollen an den Flächentarifvertrag fürs Hotel- und Gaststättengewerbe in Berlin angeschlossen werden, die Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessern und eine Gleichstellung der hier Beschäftigten mit denen im Hotelgewerbe erreichen. Die Tarifverhandlungen mit unserem Arbeitgeber wurden eigentlich am 21.03.2018 abgeschlossen. Allerdings zögert dieser die Unterschrift hinaus. Wir sind uns deshalb grad nicht so sicher, ob wir nicht doch wieder auf die Straße müssen.

Hat sich denn eurer Arbeitgeber mittlerweile mit dem Betriebsrat abgefunden?

Ach, es gibt die ganze Zeit bis heute Spaltungsversuche. Von einigen Annäherungsversuchen abgesehen, ist man uns konstant mit dem Versuch begegnet, die Belegschaft zu teilen und uns zu diskreditieren. Unsere Antwort darauf ist Transparenz: Zweisprachiges Infomaterial, alle kriegen BR-Newsletter und unsere Tür steht jedem offen.

Was gebt ihr Kolleginnen und Kollegen mit auf den Weg, die sich auch wehren wollen?

Egal mit wem wir über unsere Erlebnisse reden, fast alle können über ähnliche Arbeitsbedingungen berichten. Unsere beste Chance, diesen Entwicklungen etwas entgegenzusetzen, scheint uns die gewerkschaftliche Organisation.

Das Interview führte Olaf Klenke von der Berliner LAG Betrieb & Gewerkschaft.