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Zur Demographiekonferenz der LINKEN

Überlegungen aus der Seniorenarbeitsgemeinschaft

Über 100 Genossinnen, Genossen, Gäste aus befreundeten Verbänden und der BAGSO diskutierten auf der thematischen Konferenz des Vorstandes, der Fraktion und der Seniorenarbeitsgemeinschaft der LINKEN Positionen zum demographischen Wandel und Konsequenzen für die Partei DIE LINKE. Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer, Prof. Dr. Ernst Kistler, Direktor am Internationalen Institut für Empirische Sozialökonomie Stadtbergen, Dr. Wolfgang Weiß, Institut für Geographie der Universität Greifswald, Heidi Lüth, Bürgermeisterin in Chemnitz und Jörn Wunderlich, MdB, Sprecher für Familien- und Seniorenpolitik stellten ihre Diskussionsangebote vor und warben dafür, die Herausforderungen des demographischen Wandels zu erkennen und sie anzunehmen.

Anliegen der Beratung war es, die Selbstverständigung über das Phänomen "Demographischer Wandel" in der Partei weiterzubringen, Erkenntnisse über Wechselbeziehungen zwischen sich verändernden Bevölkerungsstrukturen und Politik hinzu zu gewinnen und wo notwendig, geeignete Schlussfolgerungen anzustoßen. In diesem Sinne hat die Konferenz eine Vielzahl interessanter Erfahrungen und Anregungen vermittelt.

Es spricht für das Interesse aber auch für den Klärungsbedarf der Demographieproblematik in der LINKEN, wenn sich die Konferenzdebatte nicht in lauter Harmoniebezeugungen erschöpfte. Den demographischen Wandel weiterdenken, bei politischen Entscheidungen auch ihre demographische Dimension erkennen und ernst nehmen, gehört zu den wichtigsten Lehren aus der Konferenz.

Zum demographischen Wandel braucht DIE LINKE einen politischen Standpunkt.

Unerlässlich scheint uns dafür, durch die Vorstände und Fraktionen eine eigene politische Bewertung der demographischen Veränderungen in der Gesellschaft bzw. im eigenen Wirkungsbereich an Hand der Aussagen des statistischen Bundesamtes vorzunehmen. Bei der Nutzung des reichhaltig vorliegenden demographischen Schrifttums sollte stets beachtet werden, dass "…die Geschichte der Bevölkerungsprognosen nie frei von Ideologie war", wie David Eversley, einer der großen englischen Demographen, nachwies.

Wenn die Hauptfinanziers diverser "gemeinnütziger" Stiftungen und ihrer demographischen Studien Bosch, Bertelsmann, Rossmann, Daimler usw. heißen, dann lässt sich zwar auch dort Wissenswertes finden. Es wäre jedoch fatal zu übersehen, dass solche Geldgeber letztlich immer Unternehmerinteressen verfolgen, d.h. mit "wissenschaftlichen" Studien gut verpackte Öffentlichkeitsarbeit gegen berechtigte soziale Interessen machen.

Ob demographischer Wandel als Mythos oder als ernstzunehmende Realität daher kommt, hängt letztlich davon ab, in wessen Interesse damit Politik gemacht wird.

Wer zu den wirklichen Folgen des demographischen Wandels vorzudringen will, darf ihn nicht auf die "Alterung der Gesellschaft" einengen sondern muss seine ganze Vielschichtigkeit erkennen. Demographischer Wandel zeigt sich in der defizitären Geburtenentwicklung ebenso wie in der Wanderung zwischen Regionen und Staaten, in der Ausdünnung ganzer Landstriche, in der Diskriminierung der über 50 Jährigen, in veränderten Familienstrukturen, in zunehmend mehr Familien ohne Kinder, in mehr Alleinerziehenden und Singles. Nicht zu letzt zeigt er sich in den ca. 15 Millionen Mitbürgern mit Migrationshintergrund. Die Notwendigkeit der interkulturellen Öffnung tritt damit noch deutlicher zu Tage.

Wie politische Entscheidungen demographische Fehlentwicklungen begünstigen oder sogar verursachen, wenn demographische Erkenntnisse gering geschätzt werden, lässt sich an vielen Entwicklungen nachweisen: Wenn seit 1991 ca. 1,2 Millionen junge Frauen, vornehmlich im gebärfähigen Alter, die neuen Bundesländer verlassen mussten, um einen Arbeitsplatz zu finden, dann hat das zwar hierzulande zeitweilig den Arbeitsmarkt und die Sozialkassen entlastet. Langfristig jedoch werden wahrscheinlich hunderttausende potenzielle Mütter fehlen, der Anteil der Neugeborenen wird im Osten hinter dem der anderen Bundesländer weiter zurückbleiben und die Alterung der Gesellschaft schneller zunehmen.

In der Bundestagsfraktion, in Landtagsfraktionen und Kommunen werden bereits verschiedenste Demographiethemen diskutiert, etwa "Generationengerechtigkeit", "Bevölkerungsschwund und Stadtumbau" u.a.m. Aber auch linke Alternativen, die zunächst nicht aus demographischen Erwägungen zustande kamen, erweisen sich im Nachhinein als wichtige Antworten auf demographische Veränderungen. Das gilt für das klare Nein zur Privatisierung sozialer Infrastrukturen ebenso wie für die Ablehnung von Studiengebühren, die angestrebte Erweiterung der finanziellen Basis sozialer Sicherungssysteme, die Wertschöpfungsabgabe, die Lösungsvorschläge zur Verhinderung von Kinder- und Altersarmut. Erfahrungen zeigen jedoch, dass der demographische Wandel, allein mit Ressortentscheidungen, ohne Beachtung seines komplexen Charakters, nicht zu bewältigen ist. In der LINKEN sollte darüber nachgedacht werden, ob eine Demographiekonzeption, eine politische Konzeption zum Umgang mit den realen demographischen Herausforderungen ein solches komplexes Herangehen unterstützen kann.

Weil viele theoretische und praktische Fragen des demographischen Wandels auch in unserer Partei der weiteren Klärung bedürfen wäre außerdem zu prüfen, ob eine zeitweilige oder ständige Arbeitsgruppe/-gemeinschaft "Demographie" dabei hilfreich sein kann.

DIE LINKE sollte sich aktiver in die öffentliche Demographiedebatte einmischen.

Sowohl, um kritischen Wissenschaftlern mehr Gehör zu verschaffen, die den neoliberalen Missbrauch der Demographie ablehnen, vor allem aber, um nicht weiter hinzunehmen, dass diese Diskussion vorrangig von den Lobbyisten der Konzerne, der privaten Banken und Versicherungen dominiert wird.

Man kann der bisher geführten Demographiedebatte kritisch gegenüber stehen, sie für Panikmache, für zweitrangig oder für verlogen halten. Aber daraus die Begründung abzuleiten, dass der öffentliche Streit um den demographischen Wandel für Linke kein Thema sei und sich quasi raus zu halten, hat es den Neoliberalen zumindest leichter gemacht, mit dem "Demographiegespenst der Überalterung" bei der Bevölkerung eine gewisse Wirkung zu er zielen. Jedenfalls ist es ihnen gelungen, nahezu den ganzen Wust ihrer Reformmaßnahmen, einschließlich der Rente mit 67, ohne größeren öffentlichen Widerstand über die Bühne zubekommen.

Nicht zutreffend ist, dass diese Diskussion im Wesentlichen abgeflacht und deshalb nicht mehr wichtig sei. Eher ist zu beobachten, dass verschiedenste Interessengruppen Anstrengungen unternehmen, um beispielsweise das Thema "Generationen(un)gerechtigkeit" neu zum Kochen zu bringen und so den radikalen Sozialabbau und die Privatisierung der sozialen Risiken weiter voran zu treiben. Ganz offensichtlich soll mit dem vermeintlichen Konflikt zwischen "Alt und Jung" vom wirklichen Konflikt zwischen Kapital und Arbeit abgelenkt werden.

Linke Politikansätze müssen die demographischen Folgen im Blick behalten.

Für das Massenphänomen Kinderlosigkeit nennenBevölkerungswissenschaftler ein ganzes Bündel von Ursachen. Viele davon sind den Gesellschaften des westlichen Zivilisationstyps systemimmanent und deshalb nur langfristig beeinflussbar. Wenn beispielsweise Kinder nicht das wirklich Wichtige einer Gesellschaft ausmachen, weil nur wichtig ist, "was sich rechnet", dann ist Geburtendefizit vorprogrammiert. Familienpolitische Maßnahmen, so sehr jede einzelne zu begrüßen ist, vermögen an der Wurzel des Problems nur wenig zu ändern. Viele der Ursachen für niedrige Geburtenraten sind jedoch hausgemacht. Die Forderung an die Beschäftigten nach immer mehr Flexibilität und Mobilität wirkt langfristigen familiären Bindungen und dem Kinderwunsch diametral entgegen. Studiengebühren erweisen sich aus demographischer Sicht als wirksames "Verhütungsmittel" junger, werdender Akademikerfrauen. Höhere Zuzahlungen zu künstlichen Befruchtungen seit 2003, führten zur Verringerung solcher Geburten. Solche Folgen wirken umso schwerer, als unser eigentliches demographisches Problem, so der Bielefelder Demograph Prof. Dr. Birg, nicht die Überalterung sondern ihre "Unterjüngung" der Gesellschaft ist.

Weil Leben ohne Kinder in unserer Gesellschaft für viele "hocheffizient" ist, sollte DIE LINKE darüber nachdenken, ob gewollte Kinderlosigkeit weiterhin von der Gesellschaft mitfinanziert werden soll.

Neue Antworten verlangt der viel beklagte Fachkräftemangel, wenn immer weniger Jugendliche in das Ausbildungsalter hineinwachsen. Investitionen im Bildungsbereich müssen deshalb zwingend darauf gerichtet sein, dass jedes unserer zu wenigen Kinder, die Schulemit einem hohen (höchstmöglichen) Bildungsniveau verlässt. Die Frage nach der radikalen Verkleinerung der Klassenfrequenzen anstelle des weiteren Abrisses von Schulen stellt sich daher mehr denn je. Mehr Eigenverantwortung für maßgeschneiderte Aus- und Weiterbildung, auch im Bereich der niedrig Qualifizierten, muss von den Unternehmen eingefordert werden. Zu prüfen ist, ob Arbeitsmarktpolitik weiterhin nur aus Anreizen für geschaffene Arbeitsplätze bestehen soll oder ob Unternehmen zur Kasse gebeten werden sollten, wenn sie zur Gewinnmaximierung Arbeitsplätze abbauen. Das zu erwartende starke Anwachsen der Altersgruppe der über 50 – Jährigen in den nächsten zwei Jahrzehnten verlangt vor allem, durch die Unternehmen entschieden mehr in altersgerechte Arbeitsplätze zu investieren. Rente mit 67, so Prof. Dr. Kistler auf der Demographiekonferenz, bleibt der falsche Weg, sanktioniert lediglich die Altersdiskriminierung durch die Wirtschaft und vergrößert die Gefahr der Altersarmut.

Die Kommunen spüren die Folgen des demographischen Wandels am unmittelbarsten. Rückläufige Geburtenentwicklung, steigende Lebenserwartung und ein deutlicher Bevölkerungsrückgang sind bereits heute reale Entwicklungstendenzen, auf die die Mehrheit der Kommunen nicht eingestellt und finanziell nicht ausgestattet ist. Die Abwanderung junger Menschen und die Überalterung der Verbleibenden, so Thomas Nord, Landesvorsitzender Brandenburgs, sind inzwischen typisch für viele ländliche Gebiete. Jede 2. Kommune zählt in der Zwischenzeit mehr als 30 Prozent "Alte". Chemnitz z. B., so die Bürgermeisterin Heidi Lüth, verlor seit 1990 über 60.000 seiner Einwohner, fast 1/3 der heutigen Bewohner sind Seniorinnen und Senioren, in 2 Bezirken sogar über die Hälfte. Neben vielen demographischen Verlierern erweisen sich manche Kommunen als demographische Gewinner. Deshalb sind pauschale Lösungsvorschläge wenig hilfreich. Bevölkerungs- prognosen, Analysen der Einkommensentwicklung sowie möglichst wirklichkeitsnahe Einschätzungen der Wohn- und Lebensbedingungen sind unverzichtbare Instrumentarien, um aus der Veränderung demographischer Strukturen wirksame kommunalpolitische Schlussfolgerungen ziehen zu können. Erfahrungen zeigen, dass der demographische Wandel am ehesten zu bewältigen ist, wenn er als Querschnittsaufgabe verstanden wird, wenn Stadtentwicklung, Daseinsvorsorge, Haushalt und andere Bereiche so miteinander vernetzt werden, dass möglichst von jeder wichtigen kommunalpolitischen Entscheidung auch positive Wirkungen für eine gesunde kommunale Bevölkerungsentwicklung ausgehen und zumindest demographische Fehlentwicklungen nicht befördert werden.

Die Alterung der Gesellschaft ist durch nichts weg zu diskutieren.

Bei aller Vielschichtigkeit des demographischen Wandels – das Anwachsen der Altersgruppe im nacherwerbstätigen Alter gehört zu seinen folgenreichsten Auswirkungen, die für die Gesellschaft erhebliche Herauforderungen aber auch Chancen mit sich bringen. Bei anhaltendem Trend der letzten Jahre kann die Anzahl älterer Menschen zunehmen, die länger aktiv und gesund sind. Ihre Lebenserfahrung, ihre berufliche Kompetenz, ihre Mobilität und Freiräume für ehrenamtliche Tätigkeiten bilden einen großen potentiellen gesellschaftlichen Reichtum, wenn es gelingt, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Mitbestimmung der "Alten" in eigener Sache, wesentlich zu verbessern.

Bei der Behandlung des Altenberichtes der Bundesregierung 2007 im Bundestag wurde darauf verwiesen, dass Deutschland um 2035 weltweit das Land mit der ältesten Bevölkerung sein wird. Abgesehen von der politischen Absicht solcher Aussagen, ist damit zu rechnen, dass die Zahl der über 60 - Jährigen in den nächsten 4 Jahrzehnten um weitere 10 Mio. zunehmen wird. Die Konsequenzen daraus sind vielseitig, weshalb ökonomische Antworten allein nicht ausreichen. Es geht, wie bei Prof. Dr. Baltes nachzulesen, um einen Mentalitätswechsel, damit die offiziellen Lösungswege der Altenpolitik die Älteren nicht weiterhin im Sinne einer "Wegwerfgesellschaft" behandeln. Unser Land braucht eine andere Alterskultur und eine generelle Aufwertung der Seniorenpolitik sowohl in der Gesellschaft als auch in unserer Partei.Alter muss wie Kindheit, Jugend, Erwerbsleben als vollwertiger Lebensabschnitt mit eigenen Ansprüchen und Bedürfnissen und nicht lediglich als Kostenfaktor verstanden werden. Weil zudem Alter keine homogene sondern eine höchst differenzierte Altersgruppe meint, d.h. Arme und Reiche, junge Alte und Hochaltrige, Gesunde und Pflegebedürftige, Ehepaare und Alleinstehende, aus Städten und ländlichen Gebieten, aus Ost und West und mit unterschiedlichsten Lebenserfahrungen, sind auch ihre Ansprüche und Bedürfnisse höchst unterschiedlich. Linke Seniorenpolitik sollte sich mehr als andere dadurch auszeichnen, solche unterschiedlichen Ansprüche in ihrer Politik genauer zu artikulieren und zu berücksichtigen.

Einige weitere Überlegungen aus der Konferenzdebatte für die Seniorenpolitik.

Will die Gesellschaft rechtzeitig und nachhaltig auf das Anwachsen der Zahl älterer Menschen reagieren und die notwendige Finanzierung sichern, kommt dem wissenschaftlichen Vorlauf sowie der Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Altersforschung (Gerontologie) eine außerordentliche Bedeutung zu.

Für die Umsetzung der Rentenpolitik der LINKEN ist das Zusammenwirken mit

den Gewerkschaften und Sozialverbänden wichtiger denn je. Der Parteivorstand und die Fraktion DIE LINKE sollten mit allen interessierten Kräften darauf hinarbeiten, die 2010 anstehende Überprüfung der gesetzlichen Regelung zur Rente mit 67 zu einer wirkungsvollen politischen Aktion zu machen und nicht zuzulassen, dass daraus lediglich eine Alibiveranstaltung inszeniert wird.

Damit das solidarische Umlagesystem der Rentenversicherung weiterhin finanzierbar bleibt, muss DIE LINKE ihre Forderung nach einer "Wertschöpfungsabgabe" zu einer wirklich praktizierbaren Lösung weiter entwickeln, um die Chancen ihrer Durchsetzbarkeit zu erhöhen.

Parteivorstand, Fraktion und Seniorenarbeitsgemeinschaft sollten gezielt daran arbeiten, politische Kräfte, die sich für eine Angleichung des Rentenwertes West/Ost "in einem überschaubaren Zeitraum" engagieren, zu einem einheitlichen Netzwerk zusammen- zuschließen.

Mehr älterer Menschen in der Gesellschaft erfordern eine Neuorientierung im Gesundheitswesen. Gesundheit und Krankheit als Quellen der Bereicherung ist mit einer humanen Gesellschaft unvereinbar. Der Trend der Kommerzialisierung des Gesundheitswesens muss gestoppt und umgekehrt werden. Die geriatrische Forschung sowie die Aus- und Weiterbildung auf diesem Gebiet bedürfen einer nachhaltigen Aufwertung. Wie sehr auf diesem Gebiet Handlungsbedarf besteht, unterstreicht einer der Spitzenmediziner der Geriatrie, Prof. Dr. Sieber - Nürnberg, der darauf verweist, dass Deutschland im internationalen Kontext bei der Vergabe von Zusatztiteln in diesem Fach mit zum Schlusslicht in der Welt gehört.

Die Anfälligkeit für altersrelevante Krankheiten nimmt mit fortschreitendem Alter zu.

Wie eine Gesellschaft damit umgeht, spricht für ihr Kulturniveau. Das Gezerre um die aktuelle Pflegereform zeigt, wie schwer sich die Regierenden bereits heute damit tun. Wenn, wie zu erwarten, unser Land im Vergleich zu heute bis 2050 fast dreimal so viel über

80-Jährige zählt, dann erwachsen daraus in den nächsten Jahren Anforderungen an die Gesellschaft, die eine gänzlich andere Prioritätensetzung verlangen. Nicht Gewinnerwirtschaftung sondern qualifizierte Pflege, Mitmenschlichkeit, mehr Pflegepersonal und angemessene Bezahlung müssen der Maßstab linker Pflegepolitik sein. Eine Pflegereform, die auf "Marktfähigkeit" setzt, wird nicht humaner, aber zunehmend teurer.

Mit einer stetig wachsenden Bevölkerungsschicht Senioren steigt der Bedarf an bezahlbaren altersgerechtem Wohnraum. Die Lösung auch dieser Aufgabe hängt primär von der Beantwortung der Frage ab, was die "Alten" einer Gesellschaft wert sind. Altenwohnheime und Altenpflegeheime sind dafür auch künftig unentbehrlich. Eine wichtige Alternative, wahrscheinlich für die Mehrzahl der älteren Menschen, ist allerdings altersgerechtes Wohnen in den eigenen vier Wänden bzw. die Nutzung einer der vielen alternativen Wohnformen. Kernstück bei der Schaffung von ausreichend altersgerechten Wohnraum bildet die bauliche und infrastrukturelle Anpassung vorhandener Wohnungen an die Bedürfnisse der älter werdenden Menschen. Zwingend notwendig sind bundesweite Standards für altersgerechtes, barrierefreies Bauen. Auch wenn Wohnungsbaugesellschaften und private Wohnungseigentümer altersgerechten Wohnraum verschiedenster Form anbieten, bleiben Kommunen in der Pflicht, um das Zusammenwirken aller Beteiligten, einschließlich der sozialen Dienste, Gesundheitswesen, Handel, Verkehr usw. zu gewährleisten. Kommunen mit eigenem Wohnungsbestand besitzen dafür die besseren Voraussetzungen.