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Ines Schwerdtner, Wulf Gallert, Stefan Hartmann

Linken-Brief an Bundeskanzler zum Erhalt der Solarindustrie

Gestern fand das Treffen der EU-Energieminister statt. Die Kandidatin für Die Linke zur Europawahl, Ines Schwerdtner, hat zusammen mit Wulf Gallert und Stefan Hartmann aus dem Parteivorstand und vielen weiteren Politiker*innen der Partei Die Linke einen Brief an den Bundeskanzler, den Wirtschafts- und den Finanzminister geschrieben. Sie fordern die drei auf, dafür zu sorgen, dass umgehend Maßnahmen zum Erhalt der Solarindustrie ergriffen werden. Dabei schreiben sie:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister Habeck,
sehr geehrter Herr Finanzminister Lindner,

anlässlich des gestrigen Treffens der EU-Energieminister fordern wir Sie auf, umgehend Maßnahmen zur Erhaltung der deutschen und europäischen Solarindustrie zu ergreifen. Die europäische Solarindustrie steht zum zweiten Mal in ihrer Geschichte an einem Scheideweg. Europäischen Produzenten ist es kaum mehr möglich, mit ihren subventionierten Konkurrenten aus dem außereuropäischen Ausland standzuhalten. Insbesondere die Volksrepublik China und die Vereinigten Staaten fördern die Solarindustrie auf vielfältige Weise und in erheblichem Umfang, was zu erheblichen Verzerrungen am Weltmarkt geführt hat. Europäische Hersteller sitzen auf vollen Lagern, da sie ihre Produkte derzeit aufgrund der unfairen Konkurrenzsituation nicht verkaufen können. Die Lagerbestände stellen gebundenes Kapital dar und beeinflussen die wirtschaftliche Bilanz der Unternehmen. Es droht eine umfassende Produktionsverlagerung europäischer Hersteller in die USA, die mit Steuervergünstigungen für grüne Technologien locken und sich vor günstigen Importen abschotten. Insbesondere ostdeutsche Standorte und Zulieferer wären von möglichen Schließungen betroffen, was schwerwiegende Folgen für das politische Klima und die Akzeptanz der Transformation in Ostdeutschland haben könnte.

Von der Suez-Kanal-Krise 1956 über das OPEC-Öl-Embargo 1973 bis hin zur Energiepreiskrise im Kontext des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine: Die Abhängigkeit der Europäischen Union vom Import fossiler Energieträger reicht weit zurück und ist seither Ausgangspunkt für Destabilisierung und Krisen. Überdies finanziert Europa mit dem Kauf fossiler Energie autoritäre Regime weltweit. Die Energiewende ist daher nicht nur klimapolitisch geboten, sie bietet auch die einmalige Chance zur Reduzierung sicherheitspolitischer Risiken, zur Förderung der globalen Demokratie sowie zur Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz. 

Doch auch im Bereich grüner Technologien bestehen strukturelle Abhängigkeiten. Diese gilt es nicht noch weiter zu vertiefen. Solarmodule unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von fossilen Energieträgern und die Frage der Versorgungssicherheit muss hier anders beantwortet werden. Wir können und sollten uns günstige Angebote auf dem Weltmarkt für den Ausbau der Erneuerbaren Energien zunutze machen. Doch in keinem Szenario kann es für den Wirtschaftsstandort Deutschland und Europa von Vorteil sein, eine eigenständige Lieferkette in der Solarindustrie aufzugeben. Europäische Produktionskapazitäten müssen erhalten bleiben, denn die Bedingungen auf dem Weltmarkt können sich abrupt verändern. Sind entsprechende Lieferketten und Produktionskapazitäten erst einmal abhandengekommen, so wird ihre Reetablierung ein massiver Kraftakt. 

 

Wir fordern Sie deshalb auf:

  1. Führen Sie einen Resilienzbonus im Rahmen des Solarpakets I ein. Auch das bereits im politischen Trilog geeinigte, jedoch noch nicht final verabschiedete EU Netto-Null-Industriegesetz sieht die Zahlung entsprechender auf Resilienz- und Nachhaltigkeitskriterien basierenden Förderungen im Rahmen bestehender oder neuer Programme vor. Die europäische und insbesondere die ostdeutsche Solarindustrie kann jedoch nicht auf die nationalstaatliche Umsetzung des Rechtsaktes warten. Sie braucht Unterstützung – jetzt. 
  2. Schaffen Sie – wie im Koalitionsvertrag angegeben – „sichere Absatzmärkte für klimafreundliche Produkte“ und bringen Sie massive öffentliche Ausschreibungen für den Kauf von Solarmodulen auf den Weg, deren inhaltliche Ausgestaltung Resilienz- und Nachhaltigkeitskriterien in den Mittelpunkt stellt. Die öffentliche Hand kann mittels öffentlicher Beschaffung nun Abhilfe verschaffen und Lagerbestände leeren. Diese Investitionen tragen sich nicht nur aus industriepolitischer Sicht, sondern reduzieren die öffentlichen Ausgaben für Strom.
  3. Beenden Sie Ihre Blockade des Lieferkettengesetzes auf europäischer Ebene. Die Einführung einheitlicher europäischer Standards für Sorgfaltspflichten entlang der Lieferketten kann ebenfalls dazu beitragen, Wettbewerbsnachteile für europäische Solarmodulhersteller auszugleichen, die den Anforderungen bereits entsprechen, während internationale Konkurrenten dies nicht tun. 


Wir fordern Sie auf, diese Maßnahmen zu ergreifen, um die Energiewende in Europa gegen externe Risiken abzusichern und die Zukunft der europäischen Solarindustrie nicht leichtfertig zu verspielen. 

 

Hochachtungsvoll

Cornelia Ernst (energie- und industriepolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Europaparlament), Ines Schwerdtner (Industriepolitikerin und Kandidatin für das EU-Parlament für Die Linke), Ralph Lenkert (klima- und energiepolitischer Sprecher der Gruppe Die Linke im Bundestag), Stefan Hartmann (Vorsitzender des Landesverbandes Die Linke Sachsen), Susanne Schaper, Vorsitzende des Landesverbandes Die Linke Sachsen), Janina Böttger, Vorsitzende des Landesverbandes Die Linke Sachsen-Anhalt), Hendrik Lange (Vorsitzender des Landesverbandes Die Linke Sachsen-Anhalt, Rico Gebhardt (Fraktionsvorsitzender der Landtagsfraktion Die Linke Sachsen), Marika Tändler-Walenta (europapolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Die Linke Sachsen), Wulf Gallert (Mitglied im Parteivostand sowie wirtschafts- und europapolitischer Sprecher der Landtagsfraktion Die Linke Sachsen-Anhalt)


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