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Selbstbestimmt leben in einer inklusiven und barrierefreien Gesellschaft

Rund 16 Prozent der Bevölkerung leben mit anerkannten Behinderungen und chronischen Erkrankungen. Durch vielfältige Barrieren im Alltag – z.B. in Verkehrsmitteln, Arbeitsstätten, Bildungseinrichtungen, Arztpraxen, Behörden oder im digitalen Bereich – ist Teilhabe für sie nur eingeschränkt möglich. Der allgemeine Arbeitsmarkt ist auch über zehn Jahre nach Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) nicht barrierefrei und inklusiv. Vielmehr droht den Betroffenen eine Armutsspirale. Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen sind überproportional oft erwerbslos, von Sozialhilfe abhängig und in Heimen untergebracht. Wir wollen ein Land, in dem alle Menschen gleichberechtigt zusammenleben und an den demokratischen Entscheidungen beteiligt werden – unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten, ihrer körperlichen Verfassung, ihrer Herkunft und sozialen Stellung, ihrem Geschlecht, Alter oder ihrer sexuellen Orientierung. Eine inklusive Gesellschaft, in der niemand ausgegrenzt wird. Dafür treten wir an.

Politik für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen muss als menschenrechtliche Aufgabe gestaltet werden – die Konvention der Vereinten Nationen macht hier klare Vorgaben. Die sind auch für Deutschland verbindlich und müssen umgesetzt werden. Menschenrechte dürfen nicht unter Kostenvorbehalt gestellt werden. Deshalb wollen wir Selbstbestimmung als wichtigstes Prinzip in die Behindertenpolitik verankern und einklagbar machen. Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen haben einen Anspruch auf Selbstverwirklichung. Barrieren müssen abgebaut werden – auch in den Köpfen und in der digitalen Welt. Barrierefreiheit ist Grundlage für gleiche Teilhabe und fördert den solidarischen Zusammenhalt.

  • Wir wollen ein garantiertes Recht auf persönliche Assistenz in allen Lebensbereichen für ein selbstbestimmtes Leben in Arbeit, Bildung, Wohnen, Freizeit und im Ehrenamt. Auch für diejenigen, die ihre persönliche Assistenz-/Unterstützungskräfte nicht über das Arbeitgebermodell selbst organisieren, muss es möglich sein, die persönlichen Assistent*innen bei einem notwendigen Aufenthalt im Krankenhaus sowie in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen mitzunehmen.
  • Wir wollen die Arbeitsbedingungen der Assistenz- und Unterstützungskräfte verbessern. Ihre Arbeit soll tariflich entlohnt werden, auch wenn sie im so genannten Arbeitgebermodell direkt bei den Assistenznehmer*innen beschäftigt sind. Damit das funktionieren kann, müssen die kommunalen Kostenträger dazu verpflichtet werden, die Tariflöhne zu refinanzieren. Die Tariflöhne sollen mindestens auf dem Niveau der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst sein. Zudem soll für öffentliche Aufträge eine Tariftreue-Regelung gelten.
  • Wir wollen die bundesweit ca. 500 Beratungsstellen der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB), die seit Januar 2018 aus Bundesmitteln zunächst befristet gefördert werden, finanziell und personell so ausstatten, dass sie ihre Beratungsdienste langfristig und barrierefrei anbieten können. Die dort tätigen Beschäftigten wollen wir nach Tarif entlohnen. Insbesondere Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen sollen als sozialversicherungspflichtig beschäftigte Berater*innen tätig sein. Die Antragsverfahren zur Mittelbewilligung müssen vereinfacht werden.
  • Gute Arbeit und Einkommen, von denen man leben kann, auch für Menschen mit Behinderungen, einschließlich der Werkstattbeschäftigten. Das "Budget für Arbeit" muss bedarfsdeckend und ohne finanzielle Deckelung der Zuschüsse sowie mit einem Arbeitslosenversicherungsschutz ausgestaltet werden. Beschäftigte mit Behinderungen in Werkstätten müssen besser und barrierefrei über dieses Angebot informiert und individuell beraten sowie unterstützt werden. Ihre Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt muss stärker gefördert werden.
  • Nur noch so wenig "Sonderarbeitswelten" (Werkstätten für behinderte Menschen) wie nötig! Stattdessen wollen wir Inklusionsunternehmen mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen deutlich stärker fördern und ausweiten.
  • In Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) muss der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werden. Der öffentliche Dienst soll bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen eine Vorbildfunktion einnehmen und damit seiner besonderen Verantwortung gerecht werden.
  • Die gesetzliche Beschäftigungsquote für Unternehmen wollen wir wieder auf sechs Prozent anheben. Die Ausgleichsabgabe wollen wir entsprechende der Umsätze des Unternehmens erhöhen – und so, dass es weh tut. Unternehmen dürfen die Ausgleichsabgabe nicht reduzieren und so die Beschäftigungspflicht faktisch auszuhebeln.
  • Auch die Privatwirtschaft muss umfassende Barrierefreiheit ermöglichen. Wir wollen dazu verbindliche und wirksame Regelungen in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und in das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sowie in alle ebenfalls betroffenen Gesetze aufnehmen, mit denen private Anbieter*innen von öffentlich zugänglichen Gütern und Dienstleistungen zur Herstellung von Barrierefreiheit gemäß UN-BRK verpflichtet werden. Wir wollen ein Verbandsklagerecht einführen, damit Antidiskriminierungsverbände erheben können.
  • Wir wollen ein bedarfsdeckendes Angebot an barrierefreien Wohnungen auch im Bestand. Dazu bedarf es einer Investitionsoffensive für einen sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau mit barrierefreien und inklusiven Wohnangeboten. Öffentliche Investitionen, Fördergelder und Vergabe müssen an Barrierefreiheit gebunden werden. Vermieter*innen dürfen die Zustimmung zu einem behindertengerechten Umbau ihrer Wohnung nicht mehr verweigern können.
  • Die Städtebauförderung muss auf die Entwicklung von inklusiven und umfassend barrierefreien Lebensräumen und Stadtquartieren ausgerichtet werden, in denen ein gleichberechtigtes, am Sozialraum orientiertes Zusammenleben aller Menschen mit und ohne Behinderungen erreicht wird: eine "universelle Design" ("Design für Alle" bzw. "Nutzen-für-alle-Konzept") gemäß Artikel 2 der UN-BRK.
  • Eine Schule für Alle! Wir wollen inklusive Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung in allen Entwicklungsphasen mit entsprechender Qualifizierung des Personals und ausreichender personeller und sachlicher Ausstattung der Einrichtungen (vgl. Kapitel Bildung)
  • Alle Gesetze und Verordnungen müssen überprüft werden, ob sie der UN-BRK entsprechen und bei Bedarf entsprechende Änderungen. Dabei soll auch die Stellung von Menschen mit schweren sog. geistigen und Mehrfachbehinderungen, psychischen Beeinträchtigungen und chronischen Erkrankungen verbessert werden.
  • Ein menschenrechtskonformes Bundesteilhabegesetz, das keine Kostenvorbehalte, Einkommens- sowie Vermögensanrechnungen und Zumutbarkeitsprüfungen vorsieht und so tatsächliche Chancengerechtigkeit schafft. Wir wollen, dass die Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen bedarfsdeckend sowie einkommens- und vermögensunabhängig in allen Lebensbereichen nach bundesweit einheitlichen Kriterien und durch Bundesmittel finanziert werden. Auch wollen wir ein Teilhabegeld einführen.