
Über drei Millionen Arbeitslose: Zeit zu handeln statt zu tricksen
Tatsächliche Arbeitslosigkeit in Deutschland
Schlechte Meldungen kann die Bundesregierung nicht gebrauchen. Deshalb bleibt sie dabei, die Arbeitslosenzahlen schönzurechnen. Arbeitslose, die krank sind, einen Ein-Euro-Job haben oder an Weiterbildungen teilnehmen, werden bereits seit längerem nicht als arbeitslos gezählt. Viele der Arbeitslosen, die älter als 58 sind, erscheinen nicht in der offiziellen Statistik. 2009 kam eine weitere Ausnahme hinzu: Wenn private Arbeitsvermittler tätig werden, zählt der von ihnen betreute Arbeitslose nicht mehr als arbeitslos, obwohl er keine Arbeit hat.
Wer die tatsächliche Arbeitslosigkeit erfassen will, muss ehrlich rechnen. Dazu sagte der damalige Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) am 4.6.2009 in der Fernsehsendung Panorama: „Alles, was an Effekten durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen entsteht, wird jedes Mal zusammen mit der Arbeitsmarktstatistik veröffentlicht. ... Ich glaube, dass man sich auf die Seriosität dieses Prozesses verlassen kann.“ Wer anders rechnen wolle, könne ja „seine Zahl veröffentlichen – und dazu ein Flugblatt drucken.“ Das tun wir gern. Auch laut Valerie Holsboer, ehemalige Vorständin der Bundesagentur für Arbeit, reicht die offizielle „Arbeitslosenzahl allein […] für eine transparente Darstellung nicht aus“ (Neue Osnabrücker Zeitung vom 16.12.2017). Hier ist die tatsächliche Zahl, die allein auf amtlichen Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit beruht. Im Februar 2022 waren rund 3,2 Millionen Menschen arbeitslos. Umso mehr gilt: Zeit zu handeln statt zu tricksen.
Darüber hinaus tauchen rund 770.000 nicht erwerbstätige Personen – die sogenannte stille Reserve[1] – in keiner Arbeitslosenstatistik auf, weil sie sich entmutigt vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben und sich nicht (mehr) als arbeitslos registrieren lassen.
[1] Vgl. IAB, Kurzbericht, 20/2021
Tatsächliche Arbeitslosigkeit 2022
Offizielle Arbeitslosigkeit im März 2022 | 2.362.162 |
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Nicht gezählte Arbeitslose verbergen sich u.a. hinter: |
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Älter als 58, beziehen Arbeitslosengeld II | 162.853 |
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Ein-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten) | 49.573 |
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Förderung von Arbeitsverhältnissen | - |
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Fremdförderung | 121.742 |
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Teilhabe am Arbeitsmarkt (§ 16i SGB II) | 42.249 |
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berufliche Weiterbildung | 118.927 |
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Aktivierung und berufliche Eingliederung (z. B. Vermittlung durch Dritte) | 174.009 |
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Beschäftigungszuschuss (für schwer vermittelbare Arbeitslose) | 1.158 |
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Kranke Arbeitslose (§146 SGB III) | 60.512 |
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Nicht gezählte Arbeitslose gesamt | 731.023 |
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Tatsächliche Arbeitslosigkeit im März 2022 | 3.093.185 |
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Offizielle Arbeitslosigkeit im Februar 2022 | 2.427.956 |
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Nicht gezählte Arbeitslose verbergen sich u.a. hinter: |
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Älter als 58, beziehen Arbeitslosengeld II | 163.750 |
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Ein-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten) | 48.717 |
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Förderung von Arbeitsverhältnissen | - |
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Fremdförderung | 119.649 |
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Teilhabe am Arbeitsmarkt (§ 16i SGB II) | 42.472 |
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berufliche Weiterbildung | 117.517 |
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Aktivierung und berufliche Eingliederung (z. B. Vermittlung durch Dritte) | 171.292 |
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Beschäftigungszuschuss (für schwer vermittelbare Arbeitslose) | 1.185 |
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Kranke Arbeitslose (§146 SGB III) | 64.021 |
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Nicht gezählte Arbeitslose gesamt | 728.603 |
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Tatsächliche Arbeitslosigkeit im Februar 2022 | 3.156.559 |
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Offizielle Arbeitslosigkeit im Januar 2022 | 2.462.162 |
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Nicht gezählte Arbeitslose verbergen sich u.a. hinter: |
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Älter als 58, beziehen Arbeitslosengeld II | 164.138 |
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Ein-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten) | 47.520 |
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Förderung von Arbeitsverhältnissen | - |
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Fremdförderung | 118.248 |
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Teilhabe am Arbeitsmarkt (§ 16i SGB II) | 42.371 |
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berufliche Weiterbildung | 118.773 |
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Aktivierung und berufliche Eingliederung (z. B. Vermittlung durch Dritte) | 161.995 |
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Beschäftigungszuschuss (für schwer vermittelbare Arbeitslose) | 1.187 |
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Kranke Arbeitslose (§146 SGB III) | 56.870 |
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Nicht gezählte Arbeitslose gesamt | 711.102 |
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Tatsächliche Arbeitslosigkeit im Januar 2022 | 3.173.264 |
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Quellen: Bundesagentur für Arbeit: Monatsbericht zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt, Januar 2022, Tab. 6.7. Die dort aufgeführten Gründungszuschüsse und die sonstige geförderte Selbstständigkeit haben wir in der Tabelle nicht berücksichtigt. Die dort ebenfalls aufgeführten älteren Arbeitslosen, die aufgrund verschiedener rechtlicher Regelungen (§§ 428 SGB III, 65 Abs. 4 SGB II, 53a Abs. 2 SGB II u.a.) nicht als arbeitslos zählen, befinden sich in der Gruppe „Älter als 58“, beziehen Arbeitslosengeld I oder ALG II.
Offizielle Arbeitslosigkeit im April 2022 | 2.309.207 |
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Nicht gezählte Arbeitslose verbergen sich u.a. hinter: |
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Älter als 58, beziehen Arbeitslosengeld II | 162.239 |
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Ein-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten) | 51.471 |
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Fremdförderung | 121.003 |
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Berufliche Weiterbildung | 118.434 |
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Aktivierung und berufliche Eingliederung | 173.919 |
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Beschäftigungszuschuss (für schwer vermittelbare Arbeitslose) | 1.121 |
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Kranke Arbeitslose (§ 146 SGB III) | 63.689 |
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Nicht gezählte Arbeitslose gesamt | 691.876 |
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Tatsächliche Arbeitslosigkeit im April 2022 | 3.001.083 |
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