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Ines Schwerdtner und Jan van Aken

Wer die Verfassung schützen will, muss den Kapitalismus überwinden

Zum Tag des Grundgesetzes am 23. Mai erklären die beiden Vorsitzenden der Partei Die Linke, Ines Schwerdtner und Jan van Aken:

 

"Wir feiern das Jubiläum des Grundgesetzes - und doch ist uns nicht so richtig zum Feiern zu Mute. Es sind nicht nur die Verfassungsfeinde von rechts, die immer stärker werden, weil die großen Parteien nicht den Mut aufbringen, den Aufstieg der blau lackierten Faschisten vom Bundesverfassungsgericht stoppen zu lassen. Es sind auch die Parteien der Mitte, die die Verfassung aushöhlen, manipulieren oder einfach ignorieren. Die Verfassungsfeinde aus der vermeintlichen Mitte pfeifen auf das Grundgesetz, wenn es ihnen im Weg steht. So ist der aktuelle Versuch, das Sanktionsregime im Bürgergeldbezug zu verschärfen, ein bewusster Angriff auf das Grundgesetz. Denn das Bundesverfassungsgericht hat das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum aus der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip eindeutig hergeleitet und dem Gesetzgeber mehrfach klargemacht, dass Menschen nicht unter das Existenzminimum fallen dürfen. Wer nun Erwerbslosen das Geld komplett streichen will, der drückt diese Menschen unter das Minimum und nimmt damit den Verfassungsbruch nicht nur in Kauf, sondern betreibt ihn ganz bewusst.

Gerade erst wurde uns wieder vorgeworfen, wir würden die Verfassung bedrohen, weil wir den Kapitalismus durch ein menschlicheres Wirtschaftssystem ersetzen wollen. Das Grundgesetz schützt den Kapitalismus nicht, weil es keine bestimmte Wirtschaftsordnung vorgibt. Dafür sagt es aber eindeutig, dass Deutschland ein sozialer Bundesstaat sein soll. Die Politik muss also soziale Gerechtigkeit und Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger gewährleisten sowie die Grundrechte schützen. Stattdessen wird uns eingeredet, dass der freie Markt die natürliche Ordnung einer Demokratie ist. Es zeigt sich jedoch immer deutlicher, dass der Kapitalismus keine verfassungskonforme Wirtschaftsordnung ist, weil soziale Gerechtigkeit und Gleichheit seinem Wesen widersprechen. Ganz im Gegenteil: Ungleichheit, Ausbeutung und Konkurrenz sind seine Triebfedern. Wer also die Verfassung mit Leben erfüllen will, muss den Kapitalismus überwinden. Das Grundgesetz zeigt uns auch den Weg, wie wir das erreichen können. So schützt die Verfassung weder Konzerne noch Superreiche, die auf unsere Kosten immer mehr Geld und Vermögen anhäufen und somit zu einer Gefahr für die Demokratie werden. Artikel 14 und 15 stellen klar, dass Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Wo diese Pflicht verletzt wird, können Grund und Boden und Fabriken vergesellschaftet werden.

Die Verfassung hat der Politik mächtige Instrumente zur Verfügung gestellt, um eine sozial gerechte Demokratie aufzubauen und sie vor ihren Feinden zu schützen. Doch statt sich mit den Reichen und Mächtigen anzulegen, wird das Grundgesetz von den großen Parteien missbraucht, um dort unsinnige Schuldenregeln hineinzuschreiben, die in einer Verfassung nichts zu suchen haben. Deshalb fordern wir, dass die Schuldenbremse wieder aus dem Grundgesetz gestrichen wird, denn sie steht im Widerspruch zum Sozialstaatsprinzip, das ungleich älter und wichtiger ist.

Es wird höchste Zeit, unser Grundgesetz mit Leben zu erfüllen. Wer den Geist der Verfassung respektiert, der kämpft mit uns für ein soziales und gerechtes Land, in dem alle die gleichen Rechte haben."


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