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Martin Schirdewan

Plädoyer für ein Grunderbe

Martin Schirdewan, Vorsitzender der Partei Die Linke, hält ein Grunderbe für eine 'charmante Idee', die dazu beitragen kann, die ungerechte Verteilung von Vermögen und damit Lebenschancen in der Gesellschaft auszugleichen. Es könnte eine Ergänzung in einem konsequenten Umverteilungsprogramm sein, wie es Die Linke fordert. Hier erläutert er, wie er zu der Idee kommt und wie das konkret aussehen könnte:

Wenn ich mit jungen Menschen spreche, dann höre ich immer wieder: Ich hätte ja gerne studiert. Wäre gerne Tierärztin geworden, oder Lehrer, oder Ingenieur. Aber ich konnte mir kein Studium leisten. Ich musste schnell eigenes Geld verdienen. Das sind dann junge Menschen, die keine reichen Eltern haben, die sie im Studium unterstützen, und die auch auf keine Erbschaft hoffen können, mit der sie Schulden aus dem Studium irgendwann abzahlen können. Und das sind gerade im Osten der Republik, wo ich herkomme, die allermeisten.

Da begraben junge Menschen ihre Lebensträume, weil sie nicht zu den Privilegierten in unserer Gesellschaft gehören. Das macht mich traurig, und das macht mich zornig. Und damit möchte ich mich nicht abfinden.

Deswegen finde ich die Idee eines Grunderbes, das zum 18. Geburtstag ausgezahlt wird, so charmant. Das muss nicht die Welt sein, aber genug, dass man damit eben ein Studium finanzieren kann, oder ein Auto, um auf dem Land nicht auf die Ausbildungsplätze im Nachbardorf angewiesen zu sein, oder eine längere Reise, um etwas von der Welt gesehen zu haben, ehe man den Rest seines Lebens in seiner Heimatstadt an der Supermarktkasse verbringt.

Weil Deutschland im Durchschnitt ein sehr reiches Land ist, genügt dafür ein durchschnittliches Jahresgehalt. Das sind im Moment etwa 50.000 Euro Brutto, und wenn die Löhne steigen, wird es natürlich entsprechend mehr. Und ich finde, das sollte jeder Arbeitnehmer in Deutschland unseren jungen Menschen gönnen können.

Es sind vor allem Erbschaften, die in Deutschland über Reichtum und Armut entscheiden. Jährlich werden deutlich über 100 Milliarden Euro vererbt, die Tendenz ist steigend. Das aber eben nicht gleichmäßig verteilt. Die oberen zehn Prozent der Erbenden und Beschenkten bekommen zusammen etwa so viel wie die unteren 90 Prozent. Und Menschen in Westdeutschland erben pro Kopf etwa doppelt soviel wie Menschen in Ostdeutschland. Und rund zwei Drittel der Erbschaften gehen an die 20 Prozent der Menschen, die schon die größten Vermögen besitzen. Das heißt: So, wie es jetzt ist, gleichen Erbschaften nichts aus, sondern sie schreiben die Ungleichheit ins Unendliche fort.

Das ist ein grundsätzliches Problem, und das löst auch ein Grunderbe nicht. Das Grunderbe gleicht die Startchancen nur ein Wenig an. Für mehr soziale Fairness brauchen wir bezahlbare Mieten und Energiepreise, kostenfreie Kitas, Mindestlöhne, bei denen man nicht in Altersarmut landet und vieles mehr. Und natürlich müssen die Milliardenvermögen mit einer Milliardärssteuer abgeschmolzen werden, die zumindest oberhalb des durchschnittlichen Vermögenswachstums der oberen Zehntausend liegt. Es ist genug Geld da, in diesem Land, es ist nur falsch verteilt.

Weil das Grunderbe einen kleinen Ausgleich für die Ungerechtigkeit der Verteilung schaffen soll, wäre es natürlich widersinnig, wenn reiche Erben es einfach als Bonus einstreichen könnten. Mein Vorschlag ist, dass es zur Hälfte verrechnet wird mit den Erbschaften und Schenkungen, die die betreffenden ohnehin erhalten. Das ist leicht möglich, die Beträge sind ja bekannt, darauf werden ja Erbschafts- und Schenkungssteuern bezahlt. Der Unterschied ist nur, dass ich da keine Ausnahmen für Betriebsvermögen usw. akzeptieren würde. Aber auch das wird ja deklariert.

Das heißt also praktisch: Wenn jemand bevor er 18 wird bereits 50.000 Euro nach Steuern erbt, bekommt er nur die Hälfte, also 25.000 Euro, Grunderbe. Erbt jemand vorher mehr als 100.000 Euro, geht er beim Grunderbe leer aus. Und wenn jemand nach dem Erhalt des Grunderbes erbt, wird davon jeweils die Hälfte einbehalten, bis die 50.000 erreicht sind. Wer danach also nach Steuern 50.000 erbt, bekommt davon nur 25.000, wer danach 200.000 nach Steuern erben würde, bekäme dann 150.000 Euro.

Das ist alles überhaupt nicht ausreichend, um die Ungleichheit in unserem Land zu beenden. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und wir können einen zweiten Schritt in diese Richtung gehen, wenn wir entscheiden, woher das Geld für das Grunderbe kommen soll. Wie gesagt ist die ungleiche Verteilung beim Erbe einer der Hauptgründe für die sich fortsetzende ungerechte Verteilung in unserer Gesellschaft. Von daher finde ich es richtig, wenn wir oberhalb von zwei Millionen – das ist so etwa das, was man sich bei einem Durchschnittsgehalt in 40 Jahren Arbeitsleben erarbeiten kann, vorausgesetzt man könnte alles auf die hohe Kante legen – die Erbschaftssteuer drastisch anheben. Das ist ja leistungsloses Einkommen, in den meisten Fällen über viele Generationen.

Auf die Art wird das Grunderbe ein Beitrag zu mehr Verteilungsgerechtigkeit – an beiden Enden der Pyramide.

 


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