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Sachsen

Nein, Herr Ex-General!

Schon wieder hat der ehemalige General und heutige Brandenburgische Innenminister, Jörg Schönbohm, die "Entkirchlichung" im östlichen Deutschland für gesellschaftliche Probleme und Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht. Menschen ohne kirchliche Bindung werden damit als haltlose Gesellen ohne Werte und Normen diffamiert und als "Opfer" der kirchenkritischen Erziehung in der DDR dargestellt. Dass sie sich auch aus eigener Überzeugung von den Amtskirchen emanzipiert haben könnten, wird erst gar nicht in den Blick genommen. Dazu erklärt Prof. Dr. Gerhard Besier, Kandidat der sächsichen LINKEN auf Platz 18 der Landesliste:

"Es ist kurzschlüssig, bestimmte ethisch-moralische Standards vor allem bei Mitgliedern von Religionsgemeinschaften zu erwarten, nicht aber bei solchen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören. Vielmehr bestimmen in hohem Maße gemeinsame, man könnte sagen zivilreligiöse Überzeugungen, das Verhalten der Menschen. Überdies kann es nicht als ausgemacht gelten, dass unter Kirchenmitgliedern eher menschenfreundliche Attitüden und Verhaltensweisen vorherrschen. Einer Untersuchung über "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Sachsen" vom April 2006 zufolge erwiesen sich "Angehörige einer der beiden großen christlichen Konfessionen […] über ganz Deutschland hinweg im Vergleich zu Konfessionslosen insgesamt als feindseliger". Bezogen auf das Land Sachsen resümiert die Untersuchung: "Sachsen, die einer christlichen Religionsgemeinschaft angehören, erreichen im Vergleich zu Konfessionslosen höhere Zustimmungswerte in der Fremdenfeindlichkeit, sie neigen stärker zum Rassismus, zur Islamphobie, zum Antisemitismus und sie betonen stärker Etabliertenvorrechte."  Außerdem: Religionsgemeinschaften in denen das kirchliche Personal sich massenhaft an Minderjährigen vergeht – wie in den USA und Irland dokumentiert – können nicht gerade als Vorbild für moralische Integrität gelten.

Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig plausibel, Herr Schönbohm, den Menschen im östlichen Deutschland eine verstärkte Schulung in konfessionell-westlichem Wertebewusstsein angedeihen zu lassen. Denn einige dieser Wertüberzeugungen scheinen Vorurteilsbildung und Fremdenfeindlichkeit eher zu stabilisieren als aufzulösen. Überdies sind sie dazu angetan, Menschen Lebensfreude zu nehmen und sie in ein moralisches Korsett einzuzwängen, das zu schweren Fehlentwicklungen führt. Ein Ex-General mag davon träumen, dass ehemalige Unteroffiziere und Pfarrer der Staatskirche die Menschen wieder zu braven christlichen Untertanen erziehen. Aber diese Zeiten sind ein für allemal vorbei!"


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