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Berlin

Kein Denkmal auf dem Sockel des alten Nationaldenkmals errichten

Nach der Entscheidung des Bundestages zum Freiheits- und Einheits-Denkmal erklärt der stadtentwicklungspolitische Sprecher Dr. Thomas Flierl:

Der demokratische Aufbruch in der DDR 1989 und die nachfolgende Herstellung der deutschen Einheit 1990 sind zwei herausragende historische Vorgänge, die Teil unserer öffentlichen Gedenkkultur sind und auch zukünftig sein müssen.

DIE LINKE. Berlin bekennt sich ausdrücklich zum politischen Erbe der friedlichen Revolution in der DDR und gestaltet als gesamtdeutsche politische Kraft die Zukunft unseres Landes mit. Für uns ist die Erinnerung an die ostdeutsche Demokratiebewegung kein Gegenstand retrospektiver Erinnerung, sondern Ermutigung eigenen kritischen Handelns. Auch die Gestaltung der inneren Einheit Deutschlands verstehen wir als eine noch nicht abgeschlossene Aufgabe.

Das heute beschlossene Projekt eines »Freiheits- und Einheits-Denkmal« sehen wir aus folgenden Gründen mit Skepsis:

  1.    Das abgekürzte parlamentarische Verfahren (Einbringung am 23. Oktober, Beschluss am 9. November) spricht jeder demokratischen Kultur Hohn.
  2.    Die Widmung des Denkmals ist diffus: Die friedliche Revolution des Herbstes 1989 und die Herstellung der staatlichen Einheit sind nicht aufeinander zu reduzieren: weder zielte die Demokratiebewegung der DDR zunächst auf die Einheit, noch gründete die Einheit allein im demokratischen Aufbruch der DDR. Wenn auch noch an »die freiheitlichen Bewegungen und die Einheitsbestrebungen der vergangenen Jahrhunderte in Deutschland erinnert« werden soll, dann zeigt dies, dass keiner konkreten historischen Ereignisse gedacht, sondern vielmehr eine neue große Nationalerzählung zelebriert werden soll, in der der historische Stellenwert der Demokratiebewegung in der DDR unterzugehen droht und die internationale und europäische Dimension des Epochenwandels 1989/90 vernachlässigt erscheint.
  3.    Mit der Verengung auf die nationale Perspektive führen die Begründungen für das Denkmal – den vielen »Sündenmalen« (NS-Verbrechen) sollten nun Zeichen des Stolzes entgegengesetzt werden – in die Sackgasse des Aufrechnungsdiskurses.
  4.    Die Linksfraktion lehnt insbesondere den Sockel des alten Wilhelminischen Nationaldenkmals am wieder errichteten Schloss als Standort für ein solches Denkmal ab. Hier wird eine fatale Kontinuität behauptet, die es so gerade nicht gegeben hat. Die staatliche Einheit infolge der Demokratiebewegung des Osten und des Endes der Blockkonfrontation darf nicht die Brüche preußisch-deutscher Geschichte vergessen machen: das Scheitern des in Versailles errichteten Deutschen Reiches 1914–1919 und 1933–1945 und die Spaltung Deutschlands und Europas in dessen Folge.

Wie der Bundestag beschlossen hat, wird der Standort mit dem Senat von Berlin abzustimmen sein. Die Berliner LINKE wird ein vom Bundestag beschlossenes Denkmal weder verhindern können noch wollen – aber einem Standort auf dem Sockel des alten Nationaldenkmals werden wir mit aller argumentativen und politischen Kraft entgegentreten.

Die Ablehnung eines Denkzeichens für die friedliche Revolution in Leipzig oder als Denkmalpaar in Berlin und Leipzig zeigt, dass es den Initiatoren nicht um ein konkretes Erinnern, sondern um die Abstraktion eines neuen Nationaldenkmals geht.

Die Berliner Linksfraktion wird sich in den Diskussionsprozess um das »Freiheits- und Einheits-Denkmals«, das in der Öffentlichkeit nur noch »Einheits-Denkmal« genannt wird, aktiv einbringen.


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