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Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler

Holocaust-Gedenktag: Handeln im Sinne des unabgegoltenen Anspruchs der Ermordeten

Zum internationalen Holocaust-Gedenktag und 77. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslager Auschwitz erklären Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler, Vorsitzende der Partei DIE LINKE:

»Der 27. Januar 1945 ist der Tag, an dem Soldaten der Roten Armee die zurückgelassenen 8.000 Überlebenden in Auschwitz, dem größten Vernichtungslager des Nazi-Regimes, befreiten. Im Lager fanden sie über eine Million Kleidungsstücke von Männern, Frauen und Kindern und sieben Tonnen menschliches Haar. Vor der Befreiung ermordeten die Nazis mehr als eineinhalb Millionen Menschen – zum Großteil Jüdinnen und Juden – in diesem Lager. Vor 77 Jahren wurde die Welt mit den Dimensionen der nationalsozialistischen Gräueltaten in Konzentrationslagern konfrontiert. Seit dem Jahr 2005 ist der 27. Januar der internationalen Holocaust-Gedenktag und ein Tag der Mahnung, ein Tag gegen das Vergessen. Wir haben den Auftrag, Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Eine Lehre ist die Auseinandersetzung mit der Shoah. Sie zeigt uns, was passieren kann, wenn Menschenverachtung, Rassismus und Antisemitismus zum Alltag werden. Denn die Shoah stand nicht am Beginn der Verfolgung, sondern an ihrem Ende. 

Die gestern erschienene Studie ›Wie steht die Generation Z zur NS-Zeit?‹ im Auftrag der Arolsen Archives macht Mut, sie zeigt, dass junge Menschen sich heute mehr als jede Generation zuvor für die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus interessieren. Rechtspopulistische Diskursverschiebungen in der Politik, widerliche Hassnachrichten in Kommentarspalten und Chatgruppen und offene Gewalt auf der Straße oder bei Anschlägen durch Neonazis, werden von vielen jungen Menschen nicht einfach hingenommen. Das ist eine Ermutigung dafür, die Erinnerungskultur wach zu halten, umso mehr als immer weniger Zeitzeugen von damals über ihre Erfahrungen berichten können. 

Erinnern heißt für uns: Handeln im Sinne des unabgegoltenen Anspruchs der Ermordeten und der Hoffnungen der Überlebenden auf eine Zukunft in der nicht mehr gilt, was der Auschwitz-Häftling Primo Levi für jede bisherige Gegenwart festhielt: ›Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.‹

Und es ist der klare Auftrag an uns Linke für einen gelebten Antifaschismus einzustehen. Das bedeutet das aktive Eingreifen, wenn rechte Politikerinnen und Politiker Hass auf Menschen anderer Herkunft oder Religionen befeuern, wenn Nationalsozialismus und Shoah – wie bei einigen Corona-Demos – öffentlich relativiert werden oder Neonazis morden, so wie in Kassel, in Hanau oder in Halle.«


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