Für eine Verhandlungsperspektive – Schritte zur Deeskalation im Ukraine-Krieg
Beschluss des Parteivorstands vom 17.12.2022
Waffenlieferungen stoppen – Abrüstung statt Eskalation
In den letzten Wochen hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine eine neue Zuspitzung erfahren. Nachdem ukrainische Streitkräfte im Osten und Südosten des Landes besetzte Territorien, unter großen Opfern auf beiden Seiten, teilweise wieder zurückerobern konnten, wandelt sich die Situation nun in einen zermürbenden Stellungskrieg. Nach den militärischen Niederlagen an der Front setzt die russische Führung nunmehr auf einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung der Ukraine im ganzen Land durch die gezielte Zerstörung der Infrastruktur, insbesondere der Energie- und Wasserversorgung, was mit Blick auf die Wintermonate für viele Menschen in der Ukraine lebensbedrohlich ist. Die militärischen Möglichkeiten dazu verschafft ihnen unter anderem das iranische Regime durch den Export von Kampfdrohnen. Das erklärte Ziel ist, die Bevölkerung der Ukraine durch Kälte und Hunger zu demoralisieren und viele Millionen Menschen zur Flucht zu zwingen. Diese Form der Kriegsführung unterstreicht noch einmal den verbrecherischen Charakter des Putin-Regimes in diesem Krieg, zeigt aber auch, dass deutsche Waffenlieferungen diesen Krieg nicht beenden werden.
Angesichts dieser Situation ist ein Ende des Krieges durch eine vollständige militärische Niederlage Russlands weder kurz- noch mittelfristig zu erwarten. Friedensverhandlungen sind deshalb dringend notwendig, wenn auch sehr schwierig. Doch die verschiedenen Verhandlungen und praktischen Initiativen in den vergangenen Kriegsmonaten, wie u.a. das durch die UNO vermittelte russisch-ukrainische Getreideabkommen unter Kontrolle der Türkei, zeigen, dass lösungsorientierte Gespräche möglich sind.
Bundeskanzler Scholz sollte sich jetzt für Deeskalation und Verhandlungen einsetzen, wie sie SPD-Fraktionschef Mützenich von Außenministerin Baerbock gefordert hat. Auch die jüngste Äußerung Emmanuel Macrons, dass ein Frieden in Europa und der Weg zu Friedensverhandlungen an „Sicherheitsgarantien“ für Russland durch die NATO gebunden sind, weist in die richtige Richtung. Entscheidend ist nicht, ob es eine reale militärische Bedrohung Russlands durch die NATO gibt, sondern, ob solche Verhandlungen einen Beitrag zur schnellstmöglichen Beendigung des Krieges in der Ukraine und zur Stabilisierung der Situation in Osteuropa beitragen können.
Die Bundesregierung muss sich in internationalen Gesprächen, im Rahmen der EU, für eine solche Initiative einsetzen. Dafür muss die EU dringend die Kontakte, insbesondere zu China und Indien, intensivieren. Unter dem Dach der UN muss es zu einer gemeinsamen Anstrengung der EU, Chinas und Indiens kommen, politischen Druck auf Russland auszuüben, mit dem Ziel des Rückzugs aus den seit dem 24. Februar 2022 besetzten Gebieten sowie die sofortige Einstellung der Angriffe auf die zivile Infrastruktur des Landes.
Die russische imperialistische Aggression muss aufgehalten werden. Gleichzeitig darf der Westen auf den Rückgang der globalen Dominanz der westlichen Führungsmacht USA nicht mit der Wiederbelebung von militärischer und ökonomischer Blockkonfrontation reagieren, sondern muss
initiativ werden für Abrüstung und Entspannungspolitik, für gerechte Weltwirtschaftsstrukturen, für zivile Konfliktlösungen und die Sicherstellung und Anerkennung der Menschenrechte.
Die Bundesregierung hat den Krieg genutzt, um Deutschlands Militärhaushalt für 2023 nach NATO-Kriterien auf den Rekordwert von 64, 5 Mrd. Euro steigen lassen.
In den nächsten fünf Jahre wird allein das sogenannte „Sondervermögen“ den Bund jedes Jahr durchschnittlich 20 Mrd. Euro kosten. Geld, das für Rüstung und nicht für soziale oder andere notwendige Staatsausgaben zur Verfügung steht. Durch beides, Aufrüstung der Bundeswehr und Waffenlieferungen, wird der militärisch- industrielle Komplex in Deutschland zum eigentlichen Nutznießer der Zeitenwende. Dieser Kurs der Aufrüstung und der 2%-BIP-Politik der NATO ist gefährlich.
Schritte auf dem Weg zu Deeskalation im Ukraine-Krieg
Start von Waffenstillstandsverhandlungen zwischen den Präsidenten Selensky und Putin auf Einladung der UN unter Hinzuziehung der EU und Indiens/Chinas. Um das zu unterstreichen, unterlässt die Bundesregierung verbale Eskalation genauso wie Waffenlieferungen in die Ukraine.
Eine klare Perspektive für ein Ende der Sanktionen: Als LINKE fordern wir die Durchsetzung von Sanktionen, die gezielt die Fähigkeit Russlands zur Kriegsführung beeinträchtigen, und so wenig wie möglich die breite Bevölkerung in Russland oder Deutschland treffen.
Verhandlungen mit Russland haben nur dann Chancen, wenn es eine Perspektive für die Zeit nach dem Krieg gibt. Als Startpunkt für Verhandlungen, sollte daher seitens der EU klargemacht werden: Russland erhält die Garantie, dass alle nach dem 24. Februar beschlossenen EU-Sanktionen in dem Moment aufgehoben werden, in dem das russische Militär sich auf seine (offiziellen) Positionen vom 23. Februar zurückzieht und damit die UN-Resolutionen umsetzt.
Die völkerrechtswidrigen 'Volksrepubliken' Donezk und Luhansk müssen für die Zeit der Friedensverhandlungen demilitarisiert werden. Der Waffenstillstand sollte während der Dauer der Friedensverhandlungen durch OSZE-Beobachter überwacht werden.
Einrichtung eines langfristigen Dialoges in einem OSZE-ähnlichen Format zwischen Russland, Ukraine, EU und allen anderen europäischen Staaten über Fragen der Abrüstung, einen wirtschaftlich-technologischen Austausch und die Respektierung wechselseitiger Sicherheitsinteressen. Startpunkt muss die gegenseitige Garantieerklärung des Nichteinsatzes von Atomwaffen sein sowie des Ausschlusses einer militärischen Ausweitung des Krieges auf andere Länder seitens Russlands und des Nichteintritts der Nato in diesen Krieg.
Mit Blick auf die kommenden Wintermonate: Ausbau der humanitären und medizinischen Hilfe für die Ukraine. Aufnahme von russischen Oppositionellen und Kriegsdienstverweigerern. Außerdem fordert DIE LINKE die Bundesregierung auf, sich für einen Schuldenschnitt für die Ukraine einzusetzen, um einen raschen Wiederaufbau unabhängig von Kreditgebern zu ermöglichen.