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Zweiter Gewerkschaftspolitischer Ratschlag

80 Kolleginnen und Kollegen trafen sich auf Einladung von Bernd Riexinger in Frankfurt am Main zum zweiten Gewerkschaftspolitischen Ratschlag

Am 18. Oktober 2013 waren rund 80 Kolleginnen und Kollegen auf Einladung von Bernd Riexinger zum zweiten Gewerkschaftspolitischen Ratschlag in Frankfurt am Main zusammen gekommen, um den Ausgang der Bundestagswahl sowie die anstehenden Koalitionsverhandlungen zu diskutieren und gemeinsam über daraus abzuleitende Anforderungen an DIE LINKE und die Gewerkschaften zu sprechen.

Zu Beginn gaben Bernd Riexinger und Dierk Hirschel vom Bereich Wirtschaftspolitik bei ver.di Statements zu den Herausforderungen und Ansprüchen ab.

Bernd Riexinger stieg, mit den fünf Forderungen ein, die DIE LINKE unmittelbar nach der Konstituierung des Bundestages als parlamentarische Initiativen einbringen wird.

  1. die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2014,
  2. die Abschaffung des Betreuungsgeldes beziehungsweise Investitionen in den Ausbau hochwertiger Kinderbetreuung,
  3. die vollständige rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mit der Ehe,
  4. das Verbot der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen.
  5. die Abschaffung der Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente.

Diese Forderungen wurden im Wahlkampf sowohl von SPD, Grüne als auch der LINKEN erhoben. Die rechnerische Mehrheit im Bundestag wäre also da …

Nach der Einschätzung des Wahlausgangs forderte Bernd Riexinger auf, jetzt die Ergebnisse zu stabilisieren und im Parteiaufbau weiter voran zu kommen. Als Problemfrage, auch für die folgende Diskussion, wies Bernd auf den Widerspruch hin, dass zwar Raum für linke Politik in der Gesellschaft vorhanden ist, nicht aber linke Bündnisse in diesem Maße entstehen. Als eine wichtige Schlussfolgerung hob Bernd hervor, dass der rote Faden zwischen Menschen in prekären Lebenslagen und denen, die sich in der Mitte der Gesellschaft sehen, nicht verloren gehen darf.

Dierk Hirschel gab aus seiner Sicht eine Bewertung des Wahlausgangs ab und richtete einen Blick auf die Perspektiven. Für ver.di wird der Mindestlohn Hauptkriterium der Bewertung des künftigen Koalitionsvertrages sein. Was wird zu Fragen der neuen Ordnung am Arbeitsmarkt enthalten sein.

Auch Dierk griff das Problem auf: Sozial-ökologische Reformen wird es nicht ohne soziale Bewegung geben. Die Zustimmungswerte zu sozialen und linken Forderungen (z.B. zum gesetzlichen Mindestlohn) setzen sich derzeit aber nicht entsprechend in Mobilisierung um.

In der Diskussion wurde u.a. herausgearbeitet: Mobilisierung und Kampagnenfähigkeit gehören unbedingt zusammen. So könnten wenige bundesweite Kampagnen einen Beitrag zur Mobilisierung bilden und daran mitwirken, ein kollektives Bewusstsein zu entwickelt und zu stärken, dass politische Entscheidungen beeinflussbar sind. Dazu wird es notwendig sein, Durchsetzungsstrategien in die gesellschaftliche Wirklichkeit zu entwickeln.

In drei Workshops zu 1. Gute Arbeit statt Niedriglohn und prekäre Jobs, 2. Für ein soziales, demokratisches und friedliches Europa und 3. Parteiaufbau und gewerkschaftliche Verankerung trafen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer um sich zu inhaltlichen und praktischen Schwerpunkten in den kommenden Monaten auszutauschen sowie in den Erfahrungsaustausch zu treten, gute Erfahrungen weiter zu geben.

Workshop 1: Es muss weiterhin, betont werden, dass wir gegen die Leiharbeit sind, aber die Debatte muss auf Arbeitnehmerüberlassung ausgeweitet werden, da sich die Situation in den Betrieben durch Werkverträge verändert.

Vorgeschlagen wurden Kampagnen und Aktionen zum Thema Werkverträge und das Tarifverträge leichter für verallgemeinverbindlich erklärt werden (Stichwort Kirchen). Das Thema gute Arbeit muss neben der Lohnhöhe und prekären Beschäftigungsverhältnissen stärker die Qualität der Arbeit selbst in den Mittelpunkt stellen. Darüber hinaus sollte beim Schwerpunkt gute Arbeit verstärkt junge Beschäftigte angesprochen und einbezogen werden, da sie in besonderem Maße von prekären Beschäftigungsverhältnissen betroffen sind.

Abschließend wurde im Sinne eines allgemeinen Auftrags sowohl an DIE LINKE, als auch Gewerkschaften formuliert, dass eine Verbindung zwischen prekär und regulär Beschäftigten geschaffen werden muss. Allerdings muss im Bereich des Einzelhandels auf die Begrifflichkeit geachtet werden, da hier Stammbelegschaften ebenfalls prekär beschäftigt sind. An der Kampagnenfähigkeit ms sowohl in der LINKEN als auch in den Gewerkschaften gearbeitet werden, um gesellschaftlichen Druck entwickeln zu können. Das schließt eine deutlichere Sprache ein.

Workshop 2: Thomas Händel vermittelte einen kurzen Überblick über beschäftigungspolitische Initiativen und Vorhaben der Europäischen Union, deren Ziel u.a. eine dauerhafte Senkung des gesamten Arbeitsstandards ist. In der Diskussion wurde versucht die geteilte Wahrnehmung herauszufiltern, dass die Europawahl wenig Leute, auch innerhalb der Linken, interessiert und dass das Wissen und die Bedeutung der europäischen Gesetze für das Alltagsleben relativ wenig verbreitet sind. Eine Aufgabe wird sein, die verbindenden europäischen Elemente herauszuarbeiten.

Verständigt wurde sich, dass ein Material erstellt werden sollte, das u.a. auf Betriebsversammlungen zu nutzen wäre. Dabei könnten Ähnlichkeiten und Parallelen zwischen der Initiative der europäischen Entsicherung der Arbeitsverhältnisse und den derzeitigen Vorstößen der Arbeitgeberseite in unserem Lande, z.B. aktuell im Einzelhandel, herausgearbeitet werden.

Als allgemeine Frage wurde besprochen, wie im europäischen Rahmen Politikentwürfe zu machen sind, die in Europa stattfinden. Ein abgekoppeltes Reden über Europa ohne Bezug ist keineswegs zielführend. So ist die europäische Initiative gegen Wasserprivatisierung eng mit Kommunalpolitik verbunden.

Workshop 3: Diskutiert wurde, wie die Verankerung der Partei in den Gewerkschaften verbessert werden kann und wie mehr Gewerkschafter/innen den Weg in DIE LINKE finden. Dazu wurde eine Reihe von Vorschlägen aufgegriffen.

Einigkeit besteht darin, dass Gewerkschaftsarbeit auch für DIE LINKE ein wichtiger Schwerpunkt sein muss. Wichtig ist Strukturen aufzubauen, in denen Debatten und Erfahrungsaustausch tatsächlich stattfinden können. Wichtiges Element daneben ist das konkrete Handeln, dass Auseinandersetzungen und Streiks vor Ort unterstützt werden. Dabei geht vor allem um direkte Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen und um die Kommunikation und Information in die Öffentlichkeit und die Partei.

DIE LINKE ist keine Ersatzgewerkschaft und muss nicht besserwisserisch auf Gewerkschaften zugehen. Es geht darum Themen und Projekte aufzugreifen, die auch für Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, für Gewerkschaften einen konkreten Nutzwert haben. Wir müssen Formate aufbauen, wie unsere bundesweiten Konferenzen, die Betriebs- und Personalrätekonferenzen oder der AG Betrieb & Gewerkschaft, wo wir in der analytischen, der aufklärerischen Arbeit weiter kommen, wo konkrete Erfahrungen ausgetauscht, reflektiert und verallgemeinert werden, so dass für die eigene Arbeit etwas mitgenommen werden kann.

Auch der zweite Gewerkschaftspolitische Ratschlag war für die Teilnehmenden ein wertvolle Rund. Die Arbeit zum Teil in Workshops hat sich, so die Reaktion nach der Veranstaltung, als richtig bestätigt. Verabredet wurde, sich zwei- bis dreimal im Jahr zu solchem Austausch zu treffen. Der Ratschlag soll als Beratungsinstrument und Diskussionsforum weiter genutzt, um Aufträge für die gewerkschaftspolitische Arbeit der LINKEN mitzunehmen sowie Schnittmengen gemeinsamer Arbeit auszuloten.