Zum Hauptinhalt springen
Katja Kipping und Bernd Riexinger

Zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl - Zwischenbewertung für die Große Koalition

Die Mitglieder der Bundesregierung fordern andere Länder gerne auf, ihre "Hausaufgaben zu machen." Knapp zwei Jahre vor den nächsten Bundestagswahlen ist es Zeit, einmal zu schauen, ob die Bundesregierung denn ihre Hausaufgaben gemacht hat.

Bekämpfung sozialer Ungerechtigkeiten: Nicht überzeugend 

10 Jahre nach der Agenda 2010 feiert die Bundesregierung die angeblichen "Erfolge". Aber wie sehen die aus?

Zwar hat die Bundesregierung einen lückenhaften und in der Höhe unzureichenden gesetzlichen Mindestlohn eingeführt und die Rente ab 63 für Beschäftigte mit 45 Beitragsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung ermöglicht, dennoch sind diese Maßnahmen nicht ausreichend – weiter können Millionen Menschen von ihrem Einkommen nicht leben und sind von Altersarmut bedroht. 

Völlig versagt hat die Bundesregierung aber beim Kampf gegen unsicherere Arbeitsverhältnisse, Armut und im Kampf gegen die Wachsende soziale Ungleichheit.

Fünf Beispiele zeigen: Die Große Koalition betreibt mit ihrer Politik die Spaltung der Gesellschaft! 

1. Was tut die Bundesregierung gegen prekäre Arbeit? 

25 Prozent der Beschäftigten arbeiten in prekären Jobs, oft zu Niedriglöhnen! Ein Drittel der Bevölkerung wird in prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse gedrängt. Viele Menschen arbeiten in unfreiwilliger Teilzeit und in Minijobs, während andere unter Überstunden und Dauerstress leiden. Wir sagen: Arbeitsverhältnisse sicher machen – sachgrundlose Befristung abschaffen, Leiharbeit überwinden. 

Die Bundesregierung muss die sachgrundlose Befristung sofort abschaffen und eine Begrenzung der Verleihdauer für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter auf wenige Monate festlegen. Zudem ist Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern eine Flexibilitätszulage von zehn Prozent des Lohnes zu bezahlen.

2. Was tut die Bundesregierung, um Altersarmut zu vermeiden? 

Vor gut einem Jahr traten die ersten rentenpolitischen Leistungsverbesserungen seit 15 Jahren durch das sogenannte Rentenpaket in Kraft. Dennoch wird das Rentenniveau weiter sinken: Im Jahr 2030 wird eine monatliche Standardrente (nach 45 Jahren Arbeit zum Durchschnittslohn) um 20 Euro niedriger sein als ohne das Rentenpaket. Die Mütterrente ist gleich dreifach ungerecht: Im Osten bekommt man weniger für ein Kind als im Westen. Mütter mit Kindern, die ab dem Jahr 1992 geboren wurden, sind in der Rente weiter mehr wert, als vorher geborene Kinder. Und bezahlt wird das alles aus Beitragsmitteln statt aus der Steuerkasse. Die Verbesserung bei den Erwerbsminderungsrenten ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Neuste Zahlen zeigen: Auch hier konnte der Wertverlust nicht gestoppt werden. Nur wenige Frauen werden die Rente ab 63 schaffen. Hartz-IV-Betroffene gar nicht. Und an der unsäglichen Rente erst ab 67 Jahren halten CDU/CSU und SPD weiter fest.

3. Was tut die GroKo gegen den Pflegenotstand und das Zweiklassensystem bei der Gesundheitsversorgung? 

In unserem reichen Land fehlen über 160.000 Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger, immer mehr Krankenhäuser – gerade im ländlichen Raum – müssen schließen oder die Versorgung einschränken. 

Mit dem Krankenhausstrukturgesetz geht die Bundesregierung genau in die falsche Richtung: sie spart das Gesundheitssystem weiter kaputt. Anstatt die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern und die Krankenhäuser wirtschaftlich abzusichern, wird das Gesetz zu einer neuen Welle von Schließungen und Privatisierungen führen und den Personalmangel verschärfen. Gute Pflege im Krankenhaus bleibt eine Frage des Geldbeutels: sie steht nur privat Versicherten zu.

Um gute medizinische Betreuung und Pflege sicherzustellen und den krank machenden Arbeitsstress der Pflegekräfte zu verringern, sind eine gesetzliche Mindestpersonalbemessung und ein Investitionspaket für öffentliche Krankenhäuser überfällig! Die LINKE tritt ein für solidarisches Gesundheitssystem mit guter Versorgung für alle Menschen – für eine solidarische Bürgerversicherung für Gesundheitsversorgung und Pflege.

4. Armut der Ärmsten und ihre Drangsalierung wächst 

Die Verarmung von Arbeitslosen in Deutschland hat in den vergangenen zehn Jahren deutlich zugenommen. Der Anteil der Erwerbslosen, die mit erheblichen materiellen Entbehrungen leben müssen, ist von 18,2 Prozent im Jahr 2005 auf 33,7 Prozent 2013 gestiegen. Ein Drittel der Erwerbslosen kann sich somit vier von neun als lebensnotwendig erachtete Güter und Aktivitäten aus finanziellen Gründen nicht leisten.

Gegen Strafmaßnahmen der Jobcenter werden immer mehr Widersprüche von Hartz-IV-Empfängern wirksam. 2014 gab es 56.716 erfolgreiche Widersprüche, die Quote ist auf 37,4 Prozent gestiegen. Bei den rund 4,4 Millionen erwerbsfähigen Leistungsbeziehenden gab es 2014 gut eine Million neue Sanktionen. Auf diese Weise wurden alleine 2014 bei den Menschen mit den geringsten Einkommen in der Gesellschaft 182 Millionen Euro eingespart. Dabei haben über 40 Prozent der Klagen gegen Sanktionen teilweise oder ganz Erfolg. Das Sozialgericht Gothar lässt das Hartz-IV-Sanktionsregime sogar vor dem Bundesverfassungsgericht überprüfen, weil es durch sie die Menschenwürde verletzt sieht. 

Die Bundesregierung verweigert hier Soforthilfe. Z. B. in einem ersten Schritt durch die Abschaffung der Hartz-IV Sanktionen.

5. Erbschaftssteuer ad absurdum: Omas Häuschen wird versteuert, vom Erbe einer Immobiliengesellschaft bleiben 26 Millionen EUR steuerfrei 

Zunächst wollte Finanzminister Schäuble den Freibetrag bei einer Firmenerbschaft bei 20 Millionen ansetzen. Das ist schon absurd hoch! Doch dann wurde “nachgebessert”. Jetzt sollen 26 Millionen steuerfrei bleiben. In bestimmten rechtlichen Konstruktionen sogar 52 Millionen. Der Druck, die von Schäuble ursprünglich vorgeschlagenen 20 Millionen zu erhöhen, kam neben den Industrie- und Unternehmerverbänden insbesondere aus der SPD, so vom baden-württembergische SPD-Minister Nils Schmid. Er überholt Schäuble rechts und forderte, dass die Verschonung bei bis zu 100 Millionen Euro festgesetzt wird. 

Die Sonderbehandlung der Erbschaft von Unternehmenseigentum muss beendet werden. Die Bundesregierung verweigert hier eine einfache Sofortmaßnahme für mehr soziale Gerechtigkeit. Jede Erbschaft muss gleich behandelt werden. Diese Sonderfreibeträge sind daher Ersatzlos zu streichen.

Völliges Versagen in den Zukunftsfächern: Leistungen in der Friedens-, Klima- und Europapolitik der Großen Koalition sind ungenügend

 1. Einsatz für eine friedlichere Welt? Fehlanzeige.

Die Situation in der Ukraine führt uns zudem in erschreckender Weise vor Augen, wie zerbrechlich der Frieden in Europa ist. Zwar war die Initiative der Kanzlerin und des französischen Präsidenten zu Minsk II anerkennenswert - allerdings erwies sich die auch von der deutschen Regierung betriebene Sanktionspolitik zuvor als konfliktverschärfend. Wer aktiv daran mitwirkt, einen Konflikt eskalieren zu lassen, darf sich anschließend nicht als Friedensengel feiern lassen.

Die Kriege im Nahen Osten, ob Afghanistan oder im Irak zeigen: Das Ergebnis dieser “Interventionen” ist Destabilisierung, Bürgerkrieg und Terror. Der IS ist die brutale, unmenschliche aber leider auch logische Konsequenz dieser Politik der westlichen Mächte.

Die Große Koalition fördert das Geschäft mit dem Töten: Die Exportgenehmigungen für Kriegswaffen haben sich verdoppelt, drei Viertel davon gehen in Länder außerhalb der NATO. Das ist verheerend. Mit Ausfuhren im Gesamtwert von rund 6,5 Milliarden Euro in 2014 gehört Deutschland wie seit Jahren zu den größten Waffenexporteuren der Welt. Dass der Löwenanteil mit 77 Prozent der Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen auf Drittländer entfällt, zeigt, dass die ganze deutsche Rüstungsexportkontrolle eine Farce ist. Jede Waffe findet ihren Krieg. Und Bürgerkriege sind eine zentrale Fluchtursache. 

Wir brauchen endlich klare Verbote von Rüstungsexporten. Sonst wird Deutschland weiterhin Jahr für Jahr am Krieg und am Unfrieden in der Welt in Milliardenhöhe profitieren. Wir brauchen eine Politik, die das Völkerrecht achtet und die auf politischen und ökonomischen Ausgleich gerichtet ist, soll die Welt wieder friedlich werden. Die Sanktionen gegenüber Russland sind aufzuheben. Stattdessen brauchen wir ein europäisches Sicherheitssystem unter Einbeziehung Russlands.

2. Einsatz für Klimagerechtigkeit und Energiewende? Merkels ökologische Schuldenkrise 

Statt den Ausstieg aus der Kohleverbrennung zu organisieren, schenkte die Bundesregierung den Energiekonzernen Milliarden an Steuergeldern, um alte Kohlekraftwerke in Reserve zu halten. Statt die Förderung in erneuerbare Energie zu erleichtern, wurden durch die Ausschreibung von Kraftwerkskapazitäten private Investitionen in erneuerbare Energien erschwert. Und statt in den Ausbau der Netze zu investieren, blockiert insbesondere die CSU den Ausbau der Netze und torpediert auf diese Weise die Energiewende. . 

Satt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mehr und mehr zur Bremse der Energiewende zu deformieren, muss das EEG in seinen zentralen Säulen – vorrangige Einspeisung von Ökostrom, garantierte, kostenorientierte Vergütungssätze – erhalten und weiter entwickelt werden. Gleichzeitig müssen im EEG Anreize dafür schaffen werden, dass regenerative Erzeugungsanlagen stärker der Funktionsfähigkeit des gesamten Energiesystems dienen.

3. Einsatz für wirtschaftspolitische Alternative in der Eurokrise? Die Große Koalition ist dogmatisch erstarrt – die Politik der Austerität ist gescheitert

Wachsende Jugendarbeitslosigkeit - insbesondere in den Ländern Südeuropas, unausgeglichene Leistungsbilanzen, gigantische Staatsverschuldung: Die Verwüstungen der neoliberalen Politik in Europa in den letzten drei Jahrzehnten sind offenkundig. Selbst die Gefahr eines Auseinanderbrechens der EU ist nicht ausgeschlossen. Statt sich aber das Offenkundige – das Scheitern der Austeritätspolitik – einzugestehen, setzt Schwarz-Rot weiterhin auf den Kaputtsparkurs und auf die neoliberale Dreifaltigkeit von Privatisierungen, Sozialkürzungen und Angriffe auf Rechte der Beschäftigten. Genau diese Medizin hat sich als schädlich erwiesen. Die Krisenpolitik der Bundesregierung und die offene Erpressung Griechenlands mit dem Grexit wird von Nobelpreisträgern wie Paul Krugmann oder SPD-Größen wie Gesine Schwan als gefährlich kritisiert. Die Große Koalition ist somit mitverantwortlich für den Aufschwung rechter und nationalistischer Parteien in Europa. 

Es braucht jetzt für Südeuropa eine zeitgemäße Neuauflage eines Marshallplanes, ein sozial-ökologisches Investitionsprogramm für die öffentliche Gesundheitsversorgung, eine ökologische Verkehrswende und die Förderung erneuerbarer Energien. Die Superreichen in Europa, die in den letzten Jahren noch reicher geworden sind, müssen endlich angemessen an den Kosten der Krise beteiligt werden. Stattdessen verbieten die „Institutionen“ mit Unterstützung der Bundesregierung der griechischen Regierung die Einführung einer Extraprofitsteuer auf Gewinne über 0,5 Millionen.

4. Einsatz für Demokratie und Bürgerrechte? Vorratsdatenspeicherung, TTIP und NSA zeigen, die Große Koalition interessiert sich dafür nicht. 

Mit der faktischen Zustimmung zum Freihandelsabkommen TTIP werden soziale Rechte und die Demokratie an Konzerne verkauft. Bei Abkommen wie TTIP handelt es sich um Angriffe auf die Demokratie sowie auf soziale und ökologische Standards. Obwohl große Teile der SPD Basis aktiv in Bündnissen gegen Abkommen wie TTIP sind, und obwohl die Gewerkschaften die Demo am 10. Oktober 2015 unterstützen, macht Sigmar Gabriel munter Werbung für TTIP. Auch bei der Vorratsdatenspeicherung zeigt die Bundesregierung, dass die Bevölkerung ihr generell verdächtig ist. Und während sie ihre Bevölkerung unter Generalverdacht stellt, kuscht sie gegenüber der Überwachung durch die NSA. Wer gegen die Überwachungspraxis opponiert, der wird hingegen mit Duldung der Bundesregierung eingeschüchtert, wie kürzlich die Blogger von netzpolitik.org. 

Die Bundesregierung kann die Verhandlungen unterbrechen bzw. ihr Veto anzukündigen, solange die Investor-Schiedsgerichte nicht endlich vom Tisch sind. Zum Skandal durch die Überwachung der NSA hat die Bundesregierung vollständige Aufklärung zu leisten. Wir bestehen auf Übergabe der gesamten Selektoren-Liste. Schließlich geht es um die Erfüllung des vom Bundestag erteilten Untersuchungsauftrages – die Praxis des BND zu durchleuchten.

5. Einsatz gegen braune Gewalt? Große Teile der Bundesregierung sind auf dem rechten Auge blind 

Rechter Kulturkampf hat Aufwind, Rassismus und braune Gewalt gegen Flüchtlinge nehmen erschreckend zu. Doch anstatt an einem breiten Bündnis gegen Rassismus  mitzuwirken und  eine Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen zu fördern, gibt Gabriel den Pegida-Versteher, betreibt die SPD die Verschärfung des Asylrechts. Damit wird Wasser auf die Mühlen der Rechten gegossen. Anstatt mit aller Energie gegen die neue Welle von braunem Terror (Bombenanschlag in Freital und Übergriffe auf Flüchtlingsheime) vorzugehen, anstatt die Länder zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die neue braune Gefahr zusammenzubringen, geht das Innenministerium rechtswidrig gegen Netzjournalisten vor. 

Die Bundeskanzlerin muss endlich diejenigen aus ihrer Partei und ihrer Schwesterpartei unter Kontrolle  bekommen, die durch rassistische Äußerungen aus der Reihe fallen. Zudem braucht es eine angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen, um Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen zu können und um Maßnahmen zur Stärkung der Willkommenskultur zu fördern.

Arbeits- und Sozialverhalten

Die CDU betreibt mit viel Fleiß und Eifer die Spaltung der Gesellschaft. Auf kritische Fragen und Unterrichtsgespräche anderer reagiert die CDU autoritär. Gerne übernimmt die CDU die Rolle des Hilfslehrers, um kleinere Mitschüler zu drangsalieren und zu erpressen, damit diese ihre Hausaufgaben gleich mit erledigen. Gegenüber dem Austauschschüler aus den USA verhält sich die CDU rückgratlos und unterwürfig und lässt diesen bei Diktaten freiwillig abschreiben. 

Die SPD zeigt keine eigene Initiative bei der Lösung mathematischer oder sozialer Probleme. Ihr Sozialverhalten ist ungenügend. Bei der Überwachung auf dem Schulhof spielt die SPD die Rolle der Mitläuferin und beteiligt sich im Tausch gegen Pausenbrote aktiv bei der Vorratsdatenspeicherung und den Freihandelsabkommen TTIP und CETA. 

Die CSU zeigt ein ungenügendes Sozialverhalten. Den Unterricht stört sie durch rassistische Rufe von den hinteren Bänken, ihren Mitschülerinnen und Mitschülern mit Migrationshintergrund gegenüber verhält sie sich extrem unsozial. Das Arbeitsverhalten der CSU ist nicht altersgemäß und geprägt von Starrsinn. Eigeninitiative entwickelt die CSU nur in den Pausen oder bei den Themen Frauen (die CSU verfügt hier nur über stark veraltetes Unterrichtsmaterial) und Autos (regelmäßig hat die CSU hier Flausen im Kopf, siehe: Maut).