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Klaus Ernst

Wir brauchen eine Exportüberschussbremse als Wachstumsmotor

Statement von Klaus Ernst auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Meine Damen und Herren, ich werde mich heute zu fünf Themen äußern. Erstens zum Gipfel von Seoul, zweitens zur Rente ab 67, drittens zur aktuellen Debatte um die 1-Euro-Jobs, viertens zum Bundesparteitag der CDU und fünftens zur eigenen Partei.

Erstens zu Seoul. Aus unserer Sicht war der G20-Gipfel alles andere als ein Erfolg. Deutschland hat bei diesem Gipfel die Rolle eines Blockierers gespielt. Es waren letztendlich Absichtserklärungen, die dort verabschiedet wurden, ohne jeden Wert. Keines der zentralen Probleme wurde gelöst. Der Vorschlag des amerikanischen Finanzministers Tim Geithner für ein handelspolitisches Friedensangebot, wurde leider nicht akzeptiert. Auf diesen Punkt möchte ich noch einmal genauer eingehen. Es ist aus unserer Sicht absolut unakzeptabel, dass einige Länder, darunter Deutschland, letztendlich ihren wirtschaftlichen Erfolg auf Kosten der anderen Staaten durchsetzen. Und das tun sie, wenn sie durch extremes Lohndumping – wie hier in der Bundesrepublik – sich Vorteile gegenüber der internationalen Konkurrenz verschaffen. Daran haben alle anderen Länder letztendlich zu knabbern. Sie könnten entweder denselben Weg gehen, ebenfalls Sozialleistungen, Löhne, Renten drastisch kürzen, um diese Nachteile auszugleichen. Aber das ist aus unserer Sicht nicht der richtige Weg, sondern der Vorschlag, den die Amerikaner gemacht haben, feste Obergrenzen für das Verhältnis von Exporten zu Importen zu vereinbaren, wäre die bessere Lösung. Die Leistungsbilanz muss ausgeglichen sein, der Export darf nur einen bestimmten Betrag über den Importen liegen. Das ist deshalb wichtig, internationale Handelsungleichgewichte auszugleichen. Ich bin überzeugt, dass die anderen Länder – übrigens Europa – es nicht akzeptieren werden, dass Deutschland letztendlich bei weitem mehr exportiert als sie bereit ist, von anderen Ländern zu importieren. Wir fordern deshalb, dass wir feste Obergrenzen für Exportüberschüsse vereinbaren. Was würde das für Folgen haben? Das würde nicht zur Folge haben, dass wir automatisch weniger exportieren, im Gegenteil, sonst es würde bedeuten, dass die Bundesrepublik Deutschland alle möglichen Anstrengungen unternehmen müssen, um zu höheren Importen zu kommen, um damit zu einem Ausgleich zwischen Export und Import zu schaffen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass das Stabilitätsgesetz, vom Deutschen Bundestag bereits 1967 beschlossen, dies so festlegte. Dieses Gesetz ist nach wie vor in Kraft. Und ich finde es ungeheuerlich, dass die Bundesregierung ein bestehendes Gesetz der Bundesrepublik Deutschland schlichtweg ignoriert. Wir brauchen eine Exportüberschussbremse als Wachstumsmotor für das Inland. Die Folge wäre, wir müssten Überlegen, wie wir zu mehr Importen kämen. Das wäre gegeben, wenn man die Lohnbremsen, die wir gegenwärtig in der Bundesrepublik Deutschland haben, schlichtweg abschaffen, und z.B. einen Mindestlohn einführen würde. Wir hätten deutliche höhere Löhne in der Bundesrepublik Deutschland, die natürlich auch zu höheren Importen führen würden. Wenn derzeit so eine Exportüberschussbremse, wie sie die Amerikaner angeregt haben, auf weltweiter Ebene nicht einführbar ist, wäre es zumindest notwendig, einen europäischen Stabilitätspakt zu vereinbaren. Die Euro-Staaten müssten zum Ausgleich ihrer Leistungsbilanzen verpflichtet werden. Das Ziel sollte sein, ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht europaweit zu erreichen. Man vereinbart Obergrenzen für Leistungsbilanzüberschüsse auf EU-Ebene und erklärt sich zum Ausgleich der Leistungsbilanzüberschüsse innerhalb von vier Jahren bereit.

Wir brauchen ein Alarmsystem, wenn ein Land ganz besonders hohe Überschüsse auf Kosten anderer erzielt. Momentan sind wir da tatsächlich eher Zaungäste und gucken zu, was die anderen tun und sind nicht bereit, die eigenen Fehler zu revidieren. Bei der Krisenbewältigung, die sich daraus ergibt, muss Deutschland eine Führungsrolle einnehmen. Wir wollen, dass es ein Verbot gibt, an den Finanzmärkten auf Staatsbankrotte zu wetten. Aber wir brauchen auch entsprechende Stärkung der Inlandsnachfrage. Ich habe es schon angesprochen - die Lohnbremsen müssen entfernt werden, der muss Mindestlohn eingeführt, Leiharbeit entsprechend reguliert, Befristungen entsprechend geregelt werden. Dann wird es wirklich zu mehr Nachfrage in der Bundesrepublik Deutschland kommen.

Zweitens zur Rente ab 67. Diese Woche wird die Bundesregierung einen Bericht zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer vorlegen. Im gegenwärtigen Gesetz ist vorgesehen, dass die Bundesregierung gemeinsam mit dem Parlament zu überprüfen haben, ob die Voraussetzungen für die Rente ab 67 überhaupt gegeben sind. Es ist ungeheuerlich, dass die Bundesregierung bereits bevor der Bericht vorliegt, sagt, es bleibt bei der Rente mit 67. Damit ignoriert sie auch an dieser Stelle ein Gesetz, das in der Bundesrepublik Deutschland beschlossen wurde. Aufgrund der vorliegenden Zahlen ist es absolut nicht akzeptabel, das Renteneintrittsalter zu erhöhen. In der Altersgruppe der 64-Jährigen haben nur 10 Prozent eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Nur 6,4 Prozent haben eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung. Das heißt, für 90 Prozent ist die jetzt stufenweise erfolgende Anhebung des Rentenalters nichts anderes als eine Rentenkürzung, weil Abschläge drohen. Das ist Fakt, und das ignoriert die Bundesregierung in eklatanter Weise. Wer kurz vor der Rente arbeitslos wird, und da haben wir eine ganze Reihe von Menschen, hat keine Chance und soll demnach eine Rentenkürzung hinnehmen. Wir wissen, dass mehr als ein Fünftel, nämlich 22 Prozent, aus Erwerbslosigkeit in die Rente gehen. Und wir wissen, dass nur 18 Prozent aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in die Rente gehen. Das tatsächliche Renteneintrittsalter liegt zurzeit deutlich unter 65. Es lag im Jahr 2008 bei 63,8 Jahren. Es stimmt, dass sich das durchschnittliche Renteneintrittsalter positive entwickelt hat. Es ist aber nach wie vor deutlich unter 65 Jahre und damit ist das Ziel der Regierung, dass die Menschen weiter arbeiten sollen, für einen großen Teil überhaupt nicht möglich. Das eigentliche Problem sind die Rentenabschläge. Knapp die Hälfte aller, nämlich 46,6 Prozent derer, die in Rente gehen, mussten 2008 Abschläge von durchschnittlich 115 Euro in Kauf nehmen. Im Osten ist die Höhe der Abschläge noch deutlich höher.

Das dritte Thema: die Debatte zu den 1-Euro-Jobs. Der Bundesrechnungshof hat nun bestätigt, dass die 1-Euro-Jobs wahllos vergeben werden. Mehr als die Hälfte der Fälle entsprachen nicht den Voraussetzungen für eine Förderung. Damit entstehen letztendlich Kosten von 1,7 Mrd. Euro pro Jahr. Die Hochrechnung des Bundesrechnungshofes bestätigt, bei ca. 280.000 1-Euro-Jobs im Jahresschnitt, dass der Staat mit seinen 1-Euro-Jobs reguläre Arbeitsverhältnisse nicht nur behindert, sondern verhindert. Es ist offensichtlich so, dass Menschen in 1-Euro-Jobs gejagt und damit vernünftige Jobs letztendlich vernichtet werden. Das bestätigt unsere Position. Wir wollen, dass die 1-Euro-Jobs abgeschafft werden. Unsere Alternative ist, öffentlich geförderte Beschäftigung. Der Staat muss letztendlich die Verantwortung für die Beschäftigungspolitik übernehmen. Dann muss allerdings der Maßstab sein, nicht 1-Euro-Jobs, Arbeitsgelegenheiten, sondern reguläre Beschäftigung zu Tariflöhnen.

Zum Bundesparteitag der CDU. Die Selbsteinschätzung von Frau Merkel, sie wäre Kanzlerin aller Deutschen, die entbehrt wirklich jeder Grundlage. Das ist eine grandiose Selbstüberschätzung. Frau Merkel ist Kanzlerin der Konzerne, der Spekulanten und der Lobbyisten. Ich möchte das an folgenden Punkten deutlich machen. Sie ist zumindest keine Kanzlerin der Arbeitslosen, sonst das ALG II nicht nur um 5 Euro erhöht werden. Sie ist auch keine Kanzlerin der Arbeitnehmer. Sie blockiert den Mindestlohn, lässt weiter Leiharbeit und befristete Beschäftigung zu. Sie ist auch keine Kanzlerin der Rentnerinnen und Rentner, sonst würde sie nicht das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöhen wollen. Sie ist auch keine Kanzlerin der Familien, sonst würde das Elterngeld für Hartz-IV-Familien nicht streichen. Sie ist auch keine Kanzlerin der Krankenversicherten, sonst bekämen wir nicht die Kopfpauschale. Sie ist auch keine Kanzlerin des globalen wirtschaftlichen Ausgleichs, sonst hätten wir die Debatte um die Exportbeschränkungen nicht nötig. Wir sind der Auffassung, diese Politik muss sich vollkommen ändern. Unsere Einschätzung ist: die Uneinigkeit der Opposition ist die Lebensversicherung der gegenwärtigen Regierung. SPD und Grüne überschätzen sich offensichtlich total, wenn sie glauben, sie bekämen einen Politikwechsel allein zustande. Die Alternative zu Schwarz-Gelb ist keine andere Farbkombination, sondern ein anderer politischer Inhalt und der ist ohne uns nicht möglich.

Zum letzten Thema: Am vergangenen Wochenende fanden mehrere Landesparteitage statt. In Rheinland-Pfalz gab es einen personellen Neuanfang. Der Parteitag war trotz aller unterschiedlichen Positionen, die es vorher gab, ein Erfolg. Die LINKE zieht in den Landtagswahlkampf. Und wir wollen als soziale Kraft auch dort einen Politikwechsel hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit organisieren. Wir haben in Sachsen-Anhalt, in der LandesvertreterInnenversammlung Wulf Gallert, unseren Spitzenkandidaten, mit seinem hervorragenden Team gewählt. Die LINKE zieht geschlossen und mit hervorragenden Voraussetzungen dort in den Wahlkampf. Wir kämpfen auf Augenhöhe mit der CDU letztendlich um den 1. Platz um den Ministerpräsidenten. Und wir wollen dort den Führungsanspruch geltend machen, um in Sachsen-Anhalt einen Politikwechsel im Sinne der Bürgerinnen und Bürger erreichen.

Noch ein Wort zu Bayern: Aus der Presse erfuhr ich, dass der dortige Landesschatzmeister einen Brief an Bundestagspräsident Lammert geschrieben hat. Das Schreiben liegt mir leider nicht vor. Ich kann Ihnen deshalb keine detaillierte Stellungnahme zu diesen Vorgängen geben. Aber wir haben natürlich Anlass, darüber nachzudenken, wie wir mit so einem internen Vorgang umgehen. Wir sind der Auffassung, unsere Rechenschaftsberichte sind korrekt erstellt, sind vom Wirtschaftsprüfer geprüft und damit auch ordnungsgemäß eingereicht worden. Und es würde mich sehr überraschen, wenn sich dort was anderes ergeben würde.