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Katja Kipping

Wahlkampf, Wahrheit und Steuern - ein eigen Ding der SPD

Auf ihrer Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus erklärte die Vorsitzende der Partei DIE LINKE, Katja Kipping: "Ich gehe davon aus, dass eine Große Koalition von Union und SPD sehr schnell den Menschen eine Rechnung präsentieren wird - eine Rechnung für die Bankenrettung, eine Rechnung für die Eurokrise und eine Rechnung für die Unfähigkeit, Millionäre ordentlich zur Kasse zu bitten. Wir als LINKE werden bereits zur Konstituierung des Bundestages soziale Alternativen präsentieren."

Einen schönen guten Tag. Diese Woche und diese Tage sind von den Sondierungen zur Regierungsbildung geprägt. Dazu möchte ich zunächst Position beziehen und -aus sehr tragischem Anlass - zu einem zweiten Thema Stellung nehmen, das besonders viel Aufmerksamkeit bekommen hat, das Thema EU-Flüchtlingspolitik.

Zur Regierungsbildung: Wir sind dieser Tage Zeugen eines sehr merkwürdigen Schauspiels. Der Wahlkampf ist vorbei. Aber ich denke, es lohnt sich nochmal an das zu erinnern, wofür die Parteien eigentlich gewählt wurden. Jürgen Trittin, Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück wollten innerhalb der ersten einhundert Tage den Spitzensteuersatz anheben. Jetzt haben sie noch nicht einmal 14 Tage gebraucht, um dieses Ziel zu verlassen. Also ich sage mal so, wenn die Gewerkschaften so verhandeln hätten, hätten wir immer noch die 48-Stunden-Woche. Wahlkampf, Wahrheit und Steuern das passt bei der SPD ganz offensichtlich nicht gut zusammen. Dabei wäre etwas anderes möglich. Im Bundestag steht es 319 zu 311 Abgeordnete für einen Mindestlohn, für einen höheren Spitzensteuersatz auch mit dem Ziel, um die Mitte zu entlasten und Armut zu vermeiden. Wenn die SPD sich nun auf eine Große Koalition einlässt, dann heißt das zum zweiten Mal, dass sie nach 2005 die Möglichkeiten von Rot-Rot-Grün ungenutzt lässt. Ich glaube, das ist ein historischer Fehler. Vieles spricht dafür, dass es am Ende auf eine Große Koalition hinausläuft. Der Mitgliederentscheid, der bei der SPD stattfinden soll, ist ja de facto am Ende vor allen Dingen eine Erpressung der Basis, zuzustimmen, denn das Damoklesschwert Neuwahlen wird doch sehr stark Druck ausüben. Wenn es zu einer Großen Koalition kommt, wird DIE LINKE die Rolle der Oppositionsführerschaft übernehmen und gut ausfüllen. Wir werden 100 Prozent sozial und unbestechlich sein. Wir werden aber auch eine Opposition der Einladung praktizieren. Das heißt, wir wollen immer wieder Brücken zu Sozialdemokraten bauen, deren Herz eben doch für soziale Gerechtigkeit und vor allen Dingen für einen Politikwechsel schlägt.

Ich gehe davon aus, dass eine Große Koalition sehr schnell den Menschen eine Rechnung präsentieren wird - eine Rechnung für die Bankenrettung, eine Rechnung für die Eurokrise und eine Rechnung für die Unfähigkeit, Millionäre ordentlich zur Kasse zu bitten. Wir als LINKE werden soziale Alternativen präsentieren, die andere parlamentarische Mehrheiten umsetzen könnten, wie z.B. einen Mindestlohn, eine Mindestrente, die sicher vor Armut schützt und eine sanktionsfreie Mindestsicherung. Wir werden durch diesen Druck auch aus der Opposition heraus viel erreichen, und wir fangen mit diesem Druck bereits vor der Regierungsbildung an und werden bereits bei der konstituierenden Sitzung des Bundestages entsprechende Anträge einbringen. Um es mal klar auf den Punkt zu bringen: Wenn die SPD einen Koalitionsvertrag unterzeichnet, der nicht vorsieht, Millionäre stärker zur Kasse zu bitten, um die Entlastung der Mitte zu finanzieren, wenn die SPD einen Koalitionsvertrag unterzeichnet, der keinen Mindestlohn vorsieht und nicht die Abschaffung des Betreuungsgeldes, um Kita-Plätze zu finanzieren, vorsieht, dann betrügt sie ihre Wählerinnen und Wähler. Dieser Wahlbetrug wäre nach der Agenda 2010 und nach der Rente erst ab 67, die auch in keinem Wahlprogramm standen, dann der dritte große Wahlbetrug. Also ich glaube, das wird auf jeden Fall eine Zerreißprobe für die SPD werden, wo noch unklar ist, wie das ausgeht. Bei den nächsten Wahlen sollte dann der Slogan heißen: "Ministersessel statt Mindestlohn".

Zum Thema Flüchtlingspolitik: Nach der Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa hat der Präsident des Europäischen Parlamentes, Martin Schulz, von Deutschland gefordert, zusätzlich Flüchtlinge aufzunehmen. Diese Forderung ist richtig und menschlich. Da schließen wir uns an. Doch das Problem ist viel grundsätzlicher. Wir müssen generell die EU-Flüchtlingspolitik verändern, weil klar ist, dass die rigide Flüchtlingspolitik, die Abschottung, das Entstehen einer Festung Europa unmenschliche Auswirkungen hat. Die bisherigen Bundesregierungen haben sich geweigert, die EU-Flüchtlingspolitik neu auszurichten. Sie haben sich geweigert, einer solidarischeren Aufteilung der Asylsuchenden innerhalb der Länder der Europäischen Union zuzustimmen. Den Preis für diese Verweigerungshaltung bisheriger Bundesregierungen müssen jährlich Tausende von Flüchtlingen zahlen, die vor der Grenze der EU ums Leben kommen. Spätestens nach den Ereignissen dieser Woche sollte allen klar sein: Die bisherige EU-Flüchtlingspolitik, diese Abschottungspolitik ist gescheitert. Wir fordern deshalb offene Grenzen für Menschen, insbesondere für Menschen, die aus Angst um Leib und Leben auf der Flucht sind. Wir fordern eine solidarische Aufteilung der Asylsuchenden innerhalb der Europäischen Union. Das System Frontex muss beendet werden. Frontex muss Flüchtlingen helfen, anstatt sie in den sicheren Tod zu treiben.

Vielen Dank!