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Gesine Lötzsch

Verbraucher kommen im Konzept der Bundesregierung zum Atomausstieg nicht vor

Statement der Parteivorsitzenden Dr. Gesine Lötzsch auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Einen schönen guten Tag, ich möchte mich heute zu vier Themen äußern: erstens zur Frage Atomausstieg, zweitens zur Situation in Afghanistan, drittens zur Diskussion über die Ostrentenangleichung und viertens einige Worte zum Fest der Linken vom vergangenen Wochenende.

In den vergangenen Tagen hat die Bundeskanzlerin zweimal die Spitzen von Parteien und Fraktionen ins Kanzleramt eingeladen, um über den Atomausstieg zu diskutieren bzw. über ihre Vorstellungen zu informieren. Nun mussten wir feststellen, dass bei den beiden Runden am vergangenen Mittwoch und am gestrigen Sonntag DIE LINKE – weder die Fraktion noch die Parteispitze – eingeladen war. Ich hätte – ehrlich gesagt – von den Grünen und der SPD erwartet, dass sie zumindest ihre Verwunderung über diesen Umstand zum Ausdruck bringen. Aber ganz offensichtlich will die Kanzlerin eine "Koalition der Willigen" für den Atomausstieg schmieden.

Unsere Fraktion hat erst heute um 10.11 Uhr aus dem Bundeskanzleramt das energiepolitische Konzept der Bundesregierung bekommen. Das Papier ist datiert vom 29.05.2011, also von gestern. Man hätte es uns also vorher zustellen können. Ein erster Überblick bestätigte unseren Eindruck: Die Verbraucher, diejenigen, die den Strom bezahlen müssen, kommen in diesem Konzept überhaupt nicht vor. Das ist natürlich ein fundamentaler Unterschied zwischen unserer Herangehensweise und augenscheinlich der Herangehensweise aller anderen Parteien. Das eigentliche Problem besteht aber nicht darin, dass wir nicht eingeladen wurden, sondern das eigentliche Problem ist ein anderes: Wieder einmal werden am Parlament vorbei Entscheidungen vorgefertigt. Genauso war es bei der Finanzkrise, wo innerhalb einer Woche 480 Milliarden Euro durch das Parlament gepeitscht wurden. Das Parlament soll augenscheinlich wieder im Eiltempo die Entscheidung von informellen Runden nur abnicken. Meine Meinung ist, dass diese informellen Runden, man kann sie auch als Hinterzimmergespräche bezeichnen, das Parlament schwächen. Herr Lammert, der Bundestagspräsident, hat ja schon des Öfteren auch über diese Art Politik sein Missfallen geäußert. Auch in diesem Fall ist er aus meiner Sicht gefordert. Es muss Schluss sein mit dem politischen Fastfood für den Bundestag. Ich gehe davon aus, dass wir zu diesen informellen Runden nicht eingeladen worden, weil sowohl die Regierungskoalition als auch SPD und Grünen unsere Vorschläge zu weit gehen. Wir sind nämlich die einzige Partei, die die Atomkonzerne nicht weiter "pampern" will. Wir wollen verhindern, dass sich die Stromkonzerne beim Umstieg eine goldene Nase verdienen können. Es ist ja in der vergangenen Woche schon erwogen worden, die Brennelementesteuer – als Atomsteuer bekannt – überhaupt abzuschaffen. Nun soll sie in reduzierter Form doch beibehalten werden. Wenn wir uns das mal im Zusammenhang anschauen: Es gab ja ein 80-Milliarden-Kürzungspaket für den Bundeshaushalt. Dabei wurde vor allem im Sozialbereich gekürzt. Die Bundesregierung versuchte uns weis zu machen, dass dieses Kürzungspaket ausgewogen wäre. Aber der Anteil der Unternehmen an diesem Paket wird immer geringer. Die Finanztransaktionssteuer ist in der vergangenen Woche bereits gestrichen worden. Wir sind der Auffassung, dass der Ausstieg aus der Atomenergie nicht aus der Portokasse zu bezahlen ist. Frau Merkel muss erklären, wer diesen Ausstieg wie bezahlen soll. Es darf nicht dazu kommen, dass sich die Atomkonzerne mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien noch mehr Gewinne zu Lasten der Verbraucher machen können. Wir haben eine ganz klare Position: Die Stromversorgung ist die Aufgabe des Staates. Stromnetze und Stromkonzerne müssen in die öffentliche Hand überführt, die Energieversorger rekommunalisiert und dezentralisiert werden. Ich mus auf einen weiteren Skandal aufmerksam machen: In dem uns heute vorgelegten Konzept der Bundesregierung ist auch vorgesehen, dass die unsichersten Atomkraftwerke quasi auf Standby gehalten werden. Das zeigt ganz klar, man hat aus Fukushima nichts gelernt. Die Sicherheit der Bevölkerung wurde zum Faustpfand für die Gesichtswahrung der liberalen Partei gemacht. Ein weiterer zentraler Punkt bei dem Ausstieg aus der Atomenergie ist ja auch die Frage, wie viel Energie überhaupt verbraucht wird, also die Frage der Energieeffizienz. Darum ist unsere Forderung, ein Investitionsprogramm zur energetischen Gebäudesanierung aufzulegen. Sie müssen sich mal vor Augen führen, dass nur 12 Prozent der Gebäude in Deutschland derzeitig energetisch auf den höchsten Stand sind. Hier ist also viel zu tun.

Zweiter Punkt, Afghanistan: Am Wochenende hat es wieder Tote und Verletzte in Afghanistan gegeben – zwei deutsche Soldaten und afghanische Zivilisten sind dabei getötet worden. Unser tiefes Mitgefühl und unsere Trauer gelten den Familien der Opfer. Allerdings fügen wir hinzu, es sind Opfer eines sinnlosen Krieges. Dieser Kriegseinsatz in Afghanistan muss unverzüglich beendet werden. Er dauert nun bereits zehn Jahre und hat nicht dazu geführt, dass sich die Situation in Afghanistan verbesserte. Viele Menschen leben schlechter als vor dem Krieg, und Demokratie kann man nun einmal nicht herbeibomben. Jeder weitere Kriegstag in Afghanistan bedeutet mehr sinnlose Opfer, insbesondere auch für die Bundeswehr. Das Beste, was man für die Sicherheit der deutschen Soldaten tun kann, ist, die Bundeswehr endlich aus Afghanistan zurückzuziehen.

Dritter Punkt: die Ostrenten: Wir haben seit März wieder einen Ostbeauftragten der Bundesregierung, Christoph Bergner. Er hat angekündigt, dass bei der Angleichung der Renten Ost-West die sogenannte Höherbewertung der Bruttolöhne Ost zur Disposition stünde. Erst mal müssen wir die Ausgangslage betrachten. Auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung ist die Bundesrepublik geteilt. Zumindest im Rentenrecht leben die Bundesrepublik und die DDR fort, und zwar als Rentengebiet West und Rentengebiet Ost. Das ist übrigens auch hier in Berlin, innerhalb einer Stadt so. Der aktuelle Rentenwert West liegt ab 01. Juli 2011 bei 27,47 Euro und der Rentenwert Ost bei 23,37 Euro. Wenn man diese Zahlen vergleicht, dann ist natürlich die geplante Abschaffung der Höherbewertung von Bruttolöhnen Ost doppelt ungerecht. Ich finde es nicht in Ordnung, wenn man versucht, eine Angleichung gegen die Höherbewertung auszuspielen, denn das Ende vom Lied wird sein, dass Altersarmut vorprogrammiert ist. Die Lösung ist aus unserer Sicht die Gleichbehandlung der Menschen in Ost und Westdeutschland in dem Rentenwert unter Beibehaltung der Höherbewertung. Viele Menschen in den neuen Bundesländern arbeiten immer noch zu geringeren Löhnen und ohne Tarifverträge. Deshalb ist die entscheidende Grundlage ein guter Lohn. Aus gut entlohnter Arbeit entsteht gute Rente.

Abschließend möchte ich einige Worte zum Fest der Linken am Wochenende sagen. Es ist ja nun schon eine Tradition geworden, dass sich DIE LINKE in der Kulturbrauerei mit Freunden und Partnern aus vielen Ländern Europas trifft, um dort gemeinsam mit Kultur und mit politischen Diskussionen zu feiern. Viele aus dem In- und Ausland waren da. Weit über 10.000 Menschen zählten die Veranstalter. Bei dieser Gelegenheit habe dort auch ein Buch vorgestellt, das ist aktuell herausgegeben habe. Es heißt:"Alles auf dem Prüfstand". Darin sind Texte zusammenstellt, die seit 1989/90 in der Tageszeitung "Neues Deutschland" zur Aufarbeitung der Geschichte der DDR, der SED, auch der Sowjetunion erschienen sind. Dieses Buch ist sehr lesenswert und eine gute Zusammenfassung für alle, die Interesse und Lust haben, sich diesem Thema zu widmen.

Vielen Dank!