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Gesine Lötzsch

Umverteilungsklausur: Nicht sparen, nur kürzen

Statement von Gesine Lötzsch auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus im Anschluss an die Sitzung des Geschäftsführenden Parteivorstandess

Schönen guten Tag, meine Damen und Herren, ich begrüße Sie recht herzlich. Ich möchte mich zu zwei Themen äußern: zum ersten zur Umverteilungsklausur der Bundesregierung – sie nennt diese Klausur fälschlicherweise Sparklausur, aber aus unserer Einschätzung wird umverteilt und nicht gespart – und in einem zweiten Punkt, zur Vorbereitung der Bundesversammlung am 30. Juni.

Herr Westerwelle hat gestern vor der Klausur erklärt: "Wer Freibier für alle fordert, fährt die Karre an die Wand." Bei CDU, CSU und FDP gab es allerdings noch nie Freibier für alle, sondern immer nur Freibier für die, die am Steuer saßen. Darum kann ich zu Herrn Westerwelle nur sagen, er sollte sich daran halten: Don’t drink and drive.

Wir haben ja bereits gehört, was in der Klausur beschlossen wurde. Die Details sind bereits durchgesickert. Klar ist, es wird in den Etat für Arbeit und Soziales massiv eingegriffen. Das hört sich zunächst abstrakt an, bedeutet aber ganz konkret, dass bei den Menschen gekürzt wird, die es am nötigsten brauchen. Ich glaube, CDU, CSU und FDP haben ganz kühl kalkuliert. Hartz-IV-Empfänger sind nicht ihre Wähler. Darum haben sie sich entschlossen, vor allem beim Elterngeld für ALG-2-Empfänger zuzugreifen. Für mich ist dies Ausdruck von sozialer Kälte, wenn das Elterngeld für ALG-2-Empfänger bzw. für junge Familien gekürzt wird. Ich finde, dieses Beispiel zeigt besonders eindrucksvoll, dass es nicht um Sparen geht. Es geht um Kürzen, und es geht um eine weitere Umverteilung von Unten nach Oben.

Die Eingriffe im Sozialetat sind unserer Meinung nach auch volkswirtschaftlich unsinnig. Die Binnenkonjunktur wird abgewürgt. Ich möchte daran erinnern, dass sich auch die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zu Recht darüber beklagte, dass die Bundesrepublik Deutschland eine Politik der Kürzungen und Billiglöhne fährt, die direkt die Weltkonjunktur gefährdet. DIE LINKE orientiert sich nicht in allen Fragen an den USA – dass ist Ihnen ja nicht unbekannt –, aber gerade, was die Kritik an der Bundesregierung betrifft, was Kürzungen und Billiglöhne betrifft, da sind wir auf einer Linie mit der Regierung der USA.

Meine Damen und Herren, die Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles, sagte gestern – so habe ich das jedenfalls den Medien entnommen –, dass es nicht in Ordnung ist, bei denen zu kürzen, die sich nicht wehren können. Ich finde, das Jahr 2005 hat gezeigt, dass sich die Menschen wehren können. Es wäre Zeit, dass die Betroffenen auf der Straße deutlich zeigen, dass sie mit dieser Streichungspolitik nicht einverstanden sind.

An dieser Stelle will ich darauf hinweisen, dass die Partei DIE LINKE die Demonstrationen unter dem Motto "Wir zahlen nicht für Eure Krise", die am 12. Juni in Berlin und Stuttgart stattfinden, unterstützen.

Wir als LINKE fordern statt ständiger Kürzung in den Sozialetats in einem ersten Schritt Steuererhöhungen für die Krisenverursacher und Krisengewinnler. In einem zweiten Schritt wollen wir diese Mehreinnahmen für ein Zukunftsinvestitionsprogramm nutzen und erst in einem dritten Schritt dann daraus die Möglichkeiten schöpfen, die Schulden abzubauen.

Die Forderungen nach der Regulierung des Finanzmarktes sind immer noch aktuell. Die Bundesregierung hat zwar für ein Jahr das Verbot von Leerverkäufen beschlossen. Das reicht nicht aus. Zum Regulieren gehören auch feste Wechselkurse und die Schließung von Steueroasen. Es darf nicht nur der Euro gerettet werden, sondern auch der soziale Frieden in Europa. Darum brauchen wir in ganz Europa erstens eine gerechte Besteuerung von Vermögen und zweitens ein europäisches Konjunkturprogramm in Höhe von 2 % des Bruttoinlandsproduktes.

All die Fragen, die mit der Streichungsklausur zusammenhängen, beschäftigen unsere Partei natürlich auch im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Frage, wem geben wir am 30. Juni unsere Stimme für das Amt des Bundespräsidenten.

Wir haben im Augenblick zwei Kandidaten – Herrn Wulf und Herrn Gauck. Es ist über beide Kandidaten viel geschrieben worden. Ich glaube, es ist ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass SPD und Grüne genau wussten, dass Herr Gauck für DIE LINKE nicht wählbar ist. Dadurch hat er in der Bundesversammlung keinerlei Chancen, selbst wenn es einige Abweichler aus den Reihen der schwarz-gelben Koalition geben sollte. Ich glaube auch, dass SPD und Grüne ihn darum ausgesucht haben, weil er nicht gewählt wird. Dies zeigt, dass sie Herrn Gauck nur benutzen wollten, um ein bisschen gegen die Kanzlerin zu stänkern, aber Christian Wulf im Endeffekt nicht verhindern wollen.

SPD und Grüne wollen die Kanzlerin nicht zu sehr verärgern, denn sie wollen sich die Option auf eine Koalition mit der CDU nicht verbauen. Ihnen reicht es offensichtlich, wenn sie Juniorpartner der CDU werden dürfen. Das ist für uns als LINKE natürlich keine Option.

Nun werden Sie natürlich wissen wollen, was wir machen: Wir werden – das haben wir gerade im Geschäftsführenden Parteivorstand beraten – morgen in der Sitzung der Bundestagsfraktion gemeinsam mit den Vertretern der Landesvorstände der Bundesländer, die Delegierte in die Bundesversammlung entsenden, und den Fraktionsvorsitzenden aus den Ländern beraten, ob und wen wir aufstellen. Wir werden als Parteivorsitzende unserer Delegation vorschlagen, eine eigene Kandidatin aufzustellen. Wir werden sie dann, wenn die Delegierten zustimmen, morgen nach der Fraktionssitzung vorstellen. Ich kann Ihnen versichern, unsere Kandidatin wird zu den Zukunftsfragen, insbesondere zu den sozialen Fragen in unserem Land, mehr zu sagen haben, als Herr Wulf und Herr Gauck zusammen. Von Herrn Wulf wissen wir, dass er für Sozialkürzungen eintritt. Und von Herrn Gauck habe ich noch nie eine Idee zur sozialen Gerechtigkeit in unserem Land gehört. Darum werde ich als Parteivorsitzende der Delegation der LINKEN in der Bundesversammlung empfehlen, eine eigene Kandidatin aufzustellen.