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Themen für die europäische Linke

Bericht über die Arbeitsgruppe "Europa" auf dem zweiten Gewerkschaftspolitischen Ratschlag in Frankfurt am Main

Thomas Händel hat die Arbeitsgruppe mit einem Referat eingeleitet, in dem er die Rolle der EU in den gewerkschaftspolitisch einschlägigen Feldern (Beschäftigungspolitik, Arbeitsrechte). Wo früher auf der europäischen Ebene vor allem Koordination stattfand und Leitlinien formuliert wurden, wird heute über informelle Treffen großer Einfluss genommen. Die "Methode der offenen Koordinierung" verläuft ohne Beteiligung des Parlaments.

Die Nationalstaaten unterminieren dabei ihre eigene Hoheit als Nationalstaaten, es handelt sich um ein eklatantes Demokratiedefizit. Das Ziel ist eine dauerhafte Senkung der Sozial- und Arbeitsstandards. Das Bild der europäischen Eliten auf den Arbeitsmarkt unterteilt die Bevölkerung in 1. "Nützliche", das sind weltweit gesuchte und umsorgte Arbeitskräfte; 2. "Brauchbare", die durch Abbau von Bestandsschutz flexibel verfügbar gemacht werden sollen und dorthin gehen sollen, wo sie gebraucht werden; 3. "Herausgefallene" werden irgendwie beschäftigt gehalten durch prekäre Jobs und staatliche Maßnahmen, 4. die "Überflüssigen", die vor allem als Kostenfaktor gesehen werden. Beispielsweise werden indische Arbeitskräfte angeworben und für einige Monate in einem EU-Staat mit niedrigem Lohnniveau angestellt. Anschließend wird er/sie zu den Standards des Erstanwerbelandes nach ganz Europa entsendet. Oder deutsche Unternehmen werben in Osteuropa "Selbständige" an, die dann nicht unter die Entsenderichtlinien fallen, ihnen werden die Papiere vorenthalten und sie arbeiten faktisch in einem Sklavenverhältnis.

Andere Auseinandersetzungen betreffen die Verlängerung von Arbeitszeit, den Versuch, das Lohnniveau europaweit einzufrieren; in mehreren Staaten ist die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen abgeschafft worden. In 18 von 27 Staaten wurde im Zuge der Wirtschaftskrise eingegriffen worden: in acht Staaten ein allgemeiner Lohnstopp verhängt, in jeweils vieren sind die Löhne im Öffentlichen Dienst um 5-10% bzw. 15-30% gekürzt, bzw. das Weihnachts- und Urlaubsgeld gestrichen oder der Mindestlohn eingefroren worden.

Dies alles sind Themen für die LINKE. Ein verbindendes Element für eine europaweite Kampagne könnte sein, dass der jeweilige Mindestlohn 60% des nationalen Durchschnittseinkommens nicht unterschreiten darf - da ist in Europa nur Lettland drüber, in Deutschland würde das etwa 10,50 Euro bedeuten. Wichtig ist, die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge zu stärken und grenzübergreifende Tarif- und Streikaktivitäten. Eine europäische Vernetzung der Gewerkschaften kann nicht (nur) über die nationalen Vorstände laufen, sondern muss stärker über Landesbezirke, Bevollmächtigte, Aktive und Beschäftigte von einem Unternehmen organisiert werden (Bsp. Saarland). Auch eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und der tariflichen Arbeitszeit, ein Ausbau der Öffentlichen Beschäftigung und Investitionen, Industriepolitik und Alternativen zur wirtschaftspolitischen Steuerung müssen gefunden werden; das kann nicht in der Hand der EU-Kommission liegen.