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Gesine Lötzsch

Steuermehreinnahmen für mehr Gerechtigkeit nutzen

Statement der Parteivorsitzenden Dr. Gesine Lötzsch auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus:

Guten Tag, wir bitten um Verständnis, dass wir heute zwei Stunden früher als üblich die Pressekonferenz durchführen. Das hat etwas mit der Vielzahl von Veranstaltungen zum Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus zu tun.

Ich werde mich zu folgenden politischen Themen äußern: erstens zum heutigen Treffen von Bundeskanzlerin Merkel mit den Vertretern von Parteien und Fraktionen, die im Bundestag vertreten sind. Dabei geht um Fragen der Energiewende. Zweitens nehme ich Stellung zur aktuellen Diskussion über die Euro-Krise und in dem Zusammenhang zur Diskussion um Griechenland und Portugal, drittens zur Diskussion um die Erhöhung der Steuereinnahmen und deren Verwendung und – wie gesagt – dann viertens zum Tag der Befreiung.

Heute hat die Bundeskanzlerin die Vertreter der im Bundestag vertretenen Parteien und Fraktionen eingeladen, um über Schritte zum Atomausstieg zu informieren. Wir erwarten von der Bundeskanzlerin, dass die Positionen der LINKEN nicht nur angehört, sondern, dass sie auch in der Gesellschaft umgesetzt werden. Erstens müssen die abgeschalteten Atomkraftwerke abgeschaltet bleiben, und zwar auch nach dem Ende des Moratoriums, das am 15. Juni 2011 ausläuft. Zweitens wollen wir einen Atomausstieg mit straffem Zeitplan. Drittens wollen wir das Atomkartell auflösen. Viertens fordern wir, die Strompreiskontrolle wieder einzuführen. Fünftens wollen wir Sozialtarife für Strom. Die kommunalen Energieversorger müssen gestärkt werden. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt für uns. In dem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass sich am vergangenen Wochenende in Bremen die Fraktionsvorsitzendenkonferenz der LINKEN insbesondere auch mit dem Thema kommunales, öffentliches Eigentum und dem Wiederaufbau von öffentlichem Eigentum auseinandergesetzt hat. Für das Berliner Projekt, einen kommunalen Energieversorger für erneuerbare Energien aufzubauen, das Harald Wolf vorgestellt hat, gab es starken Rückenwind.

Zum zweiten Punkt, die Euro-Krise in Griechenland und Portugal: Am Wochenende gab es ein sogenanntes Geheimtreffen der Finanzminister. Dem Vernehmen nach soll die Frage diskutiert worden sein, ob Griechenland umgeschuldet werden soll oder nicht. Ich möchte einen kurzen Rückblick auf die Diskussion um die Griechenland-Krise bzw. die Unterstützung für Griechenland geben. Wir haben damals im Deutschen Bundestag sehr intensiv die Argumente ausgetauscht und um den richtigen Weg gerungen. Wir haben damals schon kritisiert, dass Griechenland insbesondere von der Regierung Merkel ein Spardiktat aufgezwungen wurde, das zu wirtschaftlichen Verwerfungen in Griechenland führte und das Land letztlich in die Sackgasse gelenkt hat. Die Bundesregierung hat versucht, ein positives Wahlergebnis für die CDU in Nordrhein-Westfalen erreichen zu können. Das ist ebenso gescheitert, wie der Zwang zum Sozialabbau für Griechenland. Wir als LINKE sind der Auffassung, dass sich die privaten Gläubiger an der Rettung Griechenlands beteiligen müssen. Insbesondere ist die Frage, wie kann Griechenland die Wirtschaft wieder in Schwung bringen, anders zu lösen, als nur durch Restriktionen. Wir sind der Auffassung, dies sollte auch durch öffentliche Investitionen geschehen. Natürlich sind im Land selber Verbesserungen notwendig. Aber die weiteren Restriktionen werden Griechenland nicht wirtschaftlich auf die Beine bringen. Im Zusammenhang mit der Euro-Krise ist ja viel von Finanztransaktionssteuer gesprochen worden. Immer wieder haben die Bundeskanzlerin und auch Bundesminister Schäuble gesagt, dass das ein richtiger Weg wäre. Aber bisher ist nichts erfolgt. Darum wiederhole ich an dieser Stelle die Forderung der LINKEN, endlich eine Finanztransaktionssteuer in Deutschland durchzusetzen. Das ist erst der Anfang. Natürlich muss sie auch auf europäischer Ebene umgesetzt werden.

Dritter Punkt: Wir werden am 10. Mai, also morgen, die Steuerschätzung erfahren und gehen bereits jetzt davon aus, dass es mehr Steuereinnahmen geben wird als ursprünglich vorausgesagt. Wenn man alle Meldungen zusammenfasst, kann man von ungefähr 19 Milliarden Euro ausgehen. Wir sind der Auffassung, dass sich alle Diskussionen um Steuersenkungen verbieten, sondern es muss der erste Weg sein, Sozialkürzungen zurückzunehmen. Ich denke dabei zu allererst an das Elterngeld für arbeitslose Mütter, also Mütter, die Arbeitslosengeld II beziehen, das gestrichen wurde. Die Steuermehreinnahmen könnten genutzt werden, um die sogenannten Hartz-IV-Beiträge für Kinder anzuheben. Unsere eigentliche Botschaft lautet: Wir brauchen endlich ein gerechtes Steuersystem.

Vierter Punkt: Heute wird an vielen Orten Berlins dem Ende des zweiten Weltkrieges und der Befreiung von Hitlerfaschismus gedacht. Es finden auch wichtige Veranstaltungen auf Einladung der russischen Botschaft statt. Der Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus, die öffentliche Diskussion und Reflektion darüber sagen mir, dass wir verpflichtet sind, die Anerkennung für die Alliierten der Anti-Hitler-Koalition wieder stärker in den Vordergrund zu bringen. Ein Punkt, der uns als LINKE besonders wichtig ist: Wir müssen den Kampf gegen Rechtsextremismus in Europa führen und auch hier in Deutschland weitere Schritte unternehmen, damit endlich die NPD verboten wird. In einigen Bundesländern haben die Innenminister die V-Leute aus den Gremien der NPD immer noch nicht zurückgezogen. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die Justizministerin, hat sich heute noch einmal geäußert, dass sie kein zweites Erlebnis haben möchte, dass so ein Verbotsversuch scheitert. Darum ist heute auch der Tag, noch einmal darauf hinzuweisen: V-Leute raus aus der NPD und das NPD-Verbot umsetzen. Wir als LINKE pflegen natürlich viele Traditionen im Zusammenhang mit dem 8. Mai, dem Tag der Befreiung, der Erinnerung an die Jahre des Hitlerfaschismus. Zu einer gehört die jährlich durchgeführte Lesung gegen das Vergessen. Sie wird morgen wieder um 11.00 Uhr auf dem Bebel-Platz beginnen u.a. mit der über einhundertjährigen Schriftstellerin Elfriede Brüning, die als junge Frau selbst Augenzeugin der Bücherverbrennung war. Sie wird aus einem ihrer Bücher lesen. Außerdem werden wir wieder Studenten aus verschiedenen Ländern Europas zu Gast haben. Es werden wie immer Schülerinnen und Schüler dort auftreten. Ich darf Sie zu dieser Veranstaltung der Fraktion DIE LINKE im Bundestag und des Berliner Abgeordnetenhauses herzlich einladen. Das ist eine gute Tradition, die wir natürlich aufrechterhalten werden.

Zum Schluss möchte ich noch einige Worte zur Redaktionskommission für das Parteiprogramm sagen, die in einer dreitägigen Klausur in der vergangenen Woche zusammenkam und den Entwurf eines Leitantrages für den Parteitag erarbeitet hat. Wir werden aber erst nach der Parteivorstandssitzung im Mai über Details sprechen. Ich kann resümieren, dass wir in der – wie gerne auch in den Medien beschrieben wird – heterogen zusammengesetzten Redaktionskommission sehr konstruktiv, sehr auf das Ergebnis orientiert, gearbeitet und diskutiert haben.