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Katja Kipping

Soziale Gerechtigkeit ist das Programm der LINKEN

Rede von Katja Kipping auf dem Landesparteitag der Berliner LINKEN

Liebe Genossinnen und Genossen, am Mittwoch dieser Woche war der Welttag für soziale Gerechtigkeit, also ein passender Tag, um den Entwurf des Wahlprogramms vorzustellen, denn soziale Gerechtigkeit - das ist das Programm der LINKEN. Es gibt ja nun Verschiedenes, bei dem wir uns manchmal so richtig schön streiten und in die Haare bekommen, aber ich denke, im Wahlkampf sollten wir das in den Mittelpunkt stellen, was den Kern unseres Wir ausmacht. Dazu gehört eben, dass wir unbestechlich sind gegen Krieg und gegen Rüstungsexporte. Dazu gehört, dass wir wirklich Biss nach oben haben und Reichtum couragiert umverteilen wollen. Dazu gehört, dass wir sagen: Armut muss verhindert, Teilhabe garantiert werden. Und dazu gehört, dass wir uns wie keine andere Partei immer wieder für die Interessen der Ostdeutschen starkmachen. Mehr WIR, das gilt aber auch für die Gesellschaft. Wir leben ja in einer Gesellschaft, in der bereits kleine Kinder darauf getrimmt werden, die Ellenbogen auszufahren. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Konkurrenz im Mittelpunkt steht. Es ist - so glaube ich - gut, dass es eine Partei gibt, die sagt: Es braucht in dieser Gesellschaft einen Richtungswechsel. Kooperation statt Konkurrenz, gemeinsam statt einsam. Kurzum, vor zehn Jahren wurde die Agenda 2010 verkündet. Die stand im Zeichen der Ich-AG. Es ist vielleicht Zeit für einen Wechsel, weg von der Gesellschaft der Ich-AG hin zu einer Gesellschaft des Wir e.V.

Wir verbinden mit dem Wahlprogramm den Einstieg in eine solidarische Alternative und versuchen in zweierlei Hinsicht, realistisch zu sein: einerseits, indem wir an den alltäglichen Problem wie explodierende Mieten und Strompreise anknüpfen. Andererseits sind wir auch dahingehend realistisch, dass wir wissen, wir können die Probleme nur grundlegend angehen, wenn wir auch die Art und Weise, wie und was produziert wird angehen. Insofern verknüpfen wir als LINKE Nah- und Fernziele. Ja, in diesem Sinne machen wir revolutionäre Realpolitik.

Das Wahlprogramm soll jetzt in einem partizipativen Verfahren weiter diskutiert werden. Es gibt weiterhin die Debatte im Netz, und im März finden fünf Regionalkonferenzen statt. Im April wird der Parteivorstand dann den Leitantrag endgültig verabschieden.

Nun gibt es ja manchmal so einen falschen Eindruck, der da heißt: Wenn schon mal Parteivorsitzende ein Papier öffentlich gemacht haben, dann sollte daran nichts mehr verändert werden, weil das ihrem Ansehen schadet. Da kann ich ganz klar sagen: Bei diesem Druck machen Bernd und ich nicht mit. Wir tragen keine Kronen, und insofern fällt uns auch kein Zacken aus der Krone, wenn wir noch viel an diesem Wahlprogramm verändern und besser machen. Aber einen Wunsch habe ich dann doch: Es gibt ja immer wieder Äußerungen, was die Länge eines Programms anbelangt. Also in Hamburg hat jetzt ein Ortsverband auch schon beschlossen, wie lang das maximal sein darf. Okay, er hat nichts zur Schriftgröße gesagt. Zur Not müssen wir es in Acht-Punkt-Schriftgröße drucken. Ich habe schon so manches Mal in Programmdebatten erlebt, dass mit Leidenschaft gesagt wurde, es muss viel kürzer sein, aber zu meinem wichtigen Thema ist so erschreckend wenig in diesem Programm, da fehlen so viele Details. Deswegen sage ich: Klar, man kann immer noch weitere Sonderkapitel fordern. Ja, man kann einen kürzeren Text fordern. Aber beides zusammen, das passt nicht.

Nicht nur in den Debatten um das Wahlprogramm, sondern generell wird immer wieder die Frage deutlich: Machen wir nun einen Regierungs- oder einen Oppositionswahlkampf? Ich glaube, die Frage in die eine oder andere Richtung zu beantworten, wäre grundfalsch. Es wäre falsch, einen Kurs nach dem Motto zu fahren: Wir gegen den Rest der Welt. Genauso falsch wäre es auch zu sagen, wir sind organischer Bestandteil des rot-rot-grünen Lagers. Ich meine, wenn der SPD-Vorsitzende inzwischen den Eindruck erweckt, wir sollten aus dem Bundestag rausfliegen, dann muss man mal sagen: Natürlich, im Wahlkampf schenken sich Parteien nichts. Aber den Kurs, den jetzt die SPD fährt, uns die Daseinsberechtigung abzusprechen - da ist das übliche Maß an Parteienkonkurrenz überschritten.

Es gibt gegenwärtig drei strategische Grundansätze in unserer Gesellschaft: Da ist zum einen Schwarz-Gelb. Die haben einen ziemlich klaren Kurs, der heißt: Die Reichen sollen immer reicher werden, und irgendwas wird davon schon zur Mitte durchtröpfeln. Und wenn das dann nicht so aufgeht, dann muss man zur Not - wie geschehen - den Armuts- und Reichtumsbericht frisieren. Wir hatten im Bundestag die Debatte darum. Auf einen Punkt muss ich schon eingehen: In den Debatten um Armut wird ja auch sehr viel über den Zustand unserer Demokratie gesagt. Es gibt jetzt, Gott sei Dank, wieder ein Bündnis von Sozialverbänden und Erwerbsloseninitiativen, die sich für ein menschenwürdiges Existenzminimum einsetzen. Dieses Bündnis hatte am Montag dieser Woche Vertreter aller Fraktionen eingeladen. Als nun der FDP-Abgeordnete erklärte, warum er der Meinung sei, dass der Hartz-IV-Regelsatz angemessen ist, gab es kritische Zwischenrufe aus dem Publikum. Ja, das ist nicht schön, wenn man nicht nur Beifall bekommt. Aber wenn man sich überlegt, wie schwer es ist, mit einem Hartz-IV-Regelsatz über die Runden zu kommen, finde ich, sind so kritische Zwischenrufe das Mindeste, was man als gutbezahlter Abgeordneter auch in Kauf nehmen muss. Was macht aber der FDP-Abgeordnete? Er sagte: Wenn Sie so mit uns umgehen, erreichen sie nur, dass wir nicht wieder zu Ihnen kommen. Das muss man sich mal vergegenwärtigen. Was das auch über das Demokratieverständnis der FDP offenbart. Sobald Kritik geäußert wird, wird der Dialog abgebrochen. Heißt das, die FDP Abgeordneten gehen nur zu denen, die sie beklatschen oder große Spenden überweisen? Heißt das, Erwerbslose dürfen in Zukunft nur noch klatschen und nicht mehr kritisieren? Ich finde, das ist ein falscher Kurs. Wir als LINKE unterstützen ganz klar Bündnisse wie das Bündnis für ein menschenwürdiges Existenzminimum, und natürlich unterstützen wir die Aktion am 13. April des Bündnisses Umfairteilen, denn wir wissen: Damit sich in dieser Gesellschaft etwas ändert, braucht es nicht nur bessere Armuts- und Reichtumsberichte, sondern es braucht eine Veränderung der Kräfteverhältnisse.

Also, es gibt drei Ansätze: zum einen Schwarz-Gelb, die wollen, dass die Reichen immer reicher werden, und dann gibt es da Rot-Grün. Die haben nun in der Tat, seitdem sie in der Opposition sind, mehrere soziale Themen aufgegriffen und sind auch rhetorisch nach links gerückt. Aber die Solidarität, die sie meinen, bezieht sich vor allen Dingen auf die Mittelschicht. Sie sind doppelt nachlässig: einmal nach unten, wenn es um die Probleme der ganz Armen geht, und sie sind nachlässig, wenn es um den Biss nach oben geht, nämlich die couragierte Umverteilung von Reichtum. Wir hingegen, liebe Genossinnen und Genossen, wir haben beides. Wir haben den Blick für die Probleme der ganz Armen, und wir haben den Biss nach oben. Wir sind bereit, Reichtum couragiert umzuverteilen! Insofern wird unser Wahlkampf natürlich ein eigenständiger Wahlkampf sein.

Es gibt Ziele, für die nur wir als LINKE stehen, wenn es um das Nein zu Auslandseinsätzen geht und wenn es um das Nein zu Rüstungsexporten geht, denn wir wissen: Raketen, Patronen, das ist für Kriege ungefähr so wie Benzin für ein Auto. Es war im Bundestag, als es um die Stationierung der Patriot-Raketen ging, schon schockierend zu sehen, wie da auch die Grünen als ehemalige Friedenspartei mit wehenden Fahnen mit Ja gestimmt haben. In diesem Zusammenhang berührt mich natürlich auch, wenn sich der DGB mit der Bundeswehr trifft und der Aussage, die Bundeswehr sei Teil der Friedensbewegung, nicht widerspricht. Ich habe ein anderes Verständnis von Friedensbewegung. Deswegen lasst uns ganz klar sagen: Wer will, dass gilt, nie wieder Krieg, der muss Nein zu Auslandseinsätzen sagen, der muss Nein zu Rüstungsexporten sagen. Dafür stehen wir, nur wir, DIE LINKE!

Wir wissen, dass die Hartz-IV-Sanktionen und die Hartz-IV-Regelsätze nicht nur für die Betroffenen eine Belastung sind. Wir wissen auch, dass sie ein Angriff auf die Beschäftigten darstellen, denn im Zuge von Hartz IV ist die Bereitschaft gestiegen, schlechtere Löhne und familienunfreundliche Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen. Wenn wir also sagen, die Hartz-IV-Sanktionen gehören abgeschafft, dann tun wir das sowohl im Interesse der Erwerbslosen wie auch der Beschäftigten. Für die Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen stehen wir, nur wir, DIE LINKE!

Wenn wir sagen, wir wollen Millionäre stärker zur Kasse bitten, dann ist oft ein Gegenargument, wir würden eine Neiddebatte anschieben. Uns geht es um etwas anderes: Wir wollen, dass es ein reiches Gemeinwesen gibt, dass jeder mit Bus und Bahn mobil sein kann und das barrierefrei, dass jedes Kind ein warmes Mittagessen in der Schule und in der Kita bekommt, dass es überhaupt für jedes einen Kitaplatz gibt. Das ist doch nicht zu viel verlangt. Aber um das zu finanzieren, brauchen die öffentlichen Kassen Geld. Deswegen müssen wir Millionäre und Konzerne stärker zur Kasse bitten. Steinbrück hat ja jetzt Managern - wie ich hörte, bei einem Drei-Gänge-Menü - versichert, dass es auch in der Steuerpolitik keine Wende nach links geben wird. Soweit zum Linksruck der SPD in der Frage der Steuerpolitik. Aber wenn es um den Biss nach oben geht, dann haben wir ein Alleinstellungsmerkmal, denn wir sind die Partei, die klar sagt: Wir nehmen auch keine Spenden von Unternehmen an. Aus einem Grund: Weil wir finden, politische Parteien müssen von den Einflüssen der Lobbyisten unabhängig sein. Dafür stehen wir, nur wir als LINKE!

In diesem Zusammenhang steht auch die Debatte um den Höchstlohn. Es gab ja schon große Aufregung, ob wir eine 100-Prozent-Steuer fordern. Inzwischen steht 100 Prozent im Programm. Gemeint ist nicht die Steuer, sondern 100 Prozent Sozial. Aber es gibt einen Grund, dass wir darüber reden wollen, wie sehr die Einkommen in diesem Land auseinandergehen. Ich habe mal ein paar Zahlen herausgesucht. Wenn man einfach mal entgegenstellt: Was bekommt ein Krankenpfleger, und was bekommt der Chef des Pharmakonzerns Bayer. Er bekommt das 91-fache. Nun will ich ihm gar nicht abstreiten, dem Chef des Pharmakonzerns Bayer, dass er ein fleißiger Mann ist, der viele Stunden am Tag arbeitet. Aber wie man das 91-fache eines Krankenpflegers leisten will, das muss mir erst mal jemand erklären. Und noch schlimmer wird es, wenn man das Einkommen von Ackermann nimmt. Also eine Reinigungskraft, die z.B. eine Bank in Ostdeutschland saubermacht, bekommt, wenn es gut läuft, im Jahr brutto 21.000 Euro. Ackermann bekommt das 447-fache. Wer glaubt denn, dass man das 447-fache einer Reinigungskraft leisten kann. Deswegen müssen wir auch darüber reden, nicht nur welche Löhne nach unten hin sittenwidrig sind, sondern auch welche Einkommen nach oben hin sittenwidrig sind. Das ist eine Debatte, die wir als LINKE anstoßen. Dazu gehört auch, dass wir an diejenigen, die in Aufsichtsräten sitzen, ganz klar appellieren und sagen: Es gibt irgendwann Vorstandsvergütungen, denen muss man einfach nicht mehr zustimmen.

Liebe Genossinnen und Genossen, euer Landesverband bringt eine Sache sehr schön zum Ausdruck: Wir sind eine gesamtdeutsche Partei. Das ist gut. Fakt ist auch, dass wir im Osten besonders stark gewählt werden. Hochburgen sind nichts, was man verschämt verstecken muss, Hochburgen sind etwas, worüber man sich freuen kann. Wir thematisieren auch deswegen die Form der Ostdiskriminierung so stark, weil die großen sozialen Fragen im Osten immer noch mal eine besondere Färbung haben. Wir wissen, dass es bei neun von zwölf Branchenmindestlöhnen einen Unterschied zwischen Ost und West gibt. Das Beispiel, das mich am meisten umgehauen hat, war das aus dem Malerhandwerk. Ein Ungelernter im Westen bekommt so viel wie ein Gelernter im Osten. Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu. Und bei der Rente, das ist bekannt: Der Rentenwert Ost ist immer noch 11 Prozent niedriger. Das bedeutet nach einem arbeitsreichen Leben am Ende 142 Euro weniger Rente. Das ist eine Form von Ostdiskriminierung, die wir als LINKE immer wieder thematisiert und dadurch im Bewusstsein der Öffentlichkeit gehalten haben. Darauf können wir stolz sein. Wir wissen aber auch: Soziale Gerechtigkeit ist nicht nur eine Frage von Himmelsrichtungen. Wir wissen, in Ost wie West sind viele nicht gut durch die Krise gekommen. Deswegen ist es wichtig, dass es in Ost wie West eine Partei gibt, die klar für die Verhinderung von Armut steht, die für gute Löhne und gute Arbeit und ganz klar für die Losung steht: Nie wieder Krieg!

Liebe Genossinnen und Genossen, ihr wählt heute Kandidatinnen und Kandidaten. Für die Spitze wird Gregor Gysi kandidieren. Schon der Name sagt so viel, dass man ihn gar nicht extra loben muss. Aber zwei Sachen will ich dann doch sagen: Ich bin ja sonst kein Fan von Ergebnissen, die sich so den 99 oder 100 Prozent annähern, weil ich finde, so ein paar Gegenstimmen gehören zu einem ordentlichen Profil dazu. Aber wir sind in einer besonderen Situation. Ich finde, in Zeiten wie diesen kann man noch mal ein besonders deutliches Zeichen setzen, um klarzumachen: Die Partei steht wirklich geschlossen hinter Gregor Gysi! Zu den Vorwürfen hat Gregor alles Nötige gesagt. Dem muss man nichts hinzufügen. Es gibt nur einen Punkt, der mich wirklich ärgert, das ist diese Bigotterie. Dass dieselben Leute, die nicht müde werden, immer wieder zu betonen, dass die DDR kein Rechtsstaat war, sich dann hinstellen und erwarten, dass sich ein Anwalt in der DDR verhält, wie man das so von Anwälten in den US-amerikanischen Anwaltsfilmen kennt. Ihr kennt immer diese Szenen. Am Ende dann tritt der Anwalt vor den Geschworenen auf, hält ein rhetorisch tolles Plädoyer, und nur durch dieses Plädoyer wird der Mandant als unschuldig entlassen. Ganz so einfach war es eben zu DDR-Zeiten nicht. Ich finde, es ist wichtig und auch unsere Aufgabe, zu sagen: In dieser Bewertung kann es kein Schwarz-Weiß geben. Da wird sehr viel mit Bigotterie agiert. Deswegen, liebe Genossinnen und Genossen: Gregor Gysi hat unsere Rückendeckung, und das zeigen wir ihm heute auch noch mal deutlich!

Ja, liebe Genossinnen und Genossen, manchmal tun wir ja so, als ob man schon sehr viel gewohnt sein muss, um in unserer Partei Mitglied zu werden. Aber ich finde, wir sollten auch immer mal wieder darauf hinweisen, was wir alles so bewirkt haben. Dazu gehört natürlich - ich habe es schon angesprochen -, dass wir überhaupt Fragen wie Ostdiskriminierung in der Rente thematisiert haben. Das ist ja jetzt ein Thema, das auch Steinbrück entdeckt hat. Ja, glaubt denn einer ernsthaft, Steinbrück hätte dieses Thema aufgegriffen, wenn wir es nicht über die Jahrzehnte hinweg immer wieder aufgeworfen hätten? Insofern ist das ein Erfolg von uns. Wenn über Mindestlöhne in den Talkshows diskutiert wird - erst am Donnerstag hatte ich wieder dieses Vergnügen -, selbst die FDP fängt inzwischen an, stolz davon zu erzählen, dass es inzwischen vier Millionen Menschen gibt, die in Branchenmindestlöhnen sind. Ja, glaubt denn irgendjemand, dort in diesen Branchenmindestlöhnen hätte sich was bewegt, wenn nicht DIE LINKE das Thema, den flächendeckenden Mindestlohn, immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt hätte. Wir haben das Thema gesetzt, und wir haben damit reale Verbesserungen für Millionen Beschäftigte hinbekommen. Wie weit unser Einfluss geht, sieht man ja daran, dass sich die FDP die Rettung der Praxisgebühr auf die Fahnen schreibt. Ich aber erinnere mich noch sehr gut daran, wer es wirklich war, der im tiefen Schnee vor den Praxen stand und protestiert hat, als die Praxisgebühr vor neun Jahren verabschiedet wurde. Das waren nämlich wir, liebe Genossinnen und Genossen. Insofern ist die Abschaffung auch unser Erfolg. Wir haben es nicht geschafft, dass Hartz IV abgeschafft wurde. Aber wir haben zumindest die eine oder andere Verbesserung bewirkt. Ihr erinnert euch bestimmt alle daran: Es war Gregor Gysi, der in einer Talkshow Volker Kauder auf die himmelschreiende Ungerechtigkeit aufmerksam gemacht hat, dass Einkommen von Schülerinnen und Schülern aus Ferienjobs auf den Hartz IV-Regelsatz ihrer Familien angerechnet werden. Danach hat es Bewegung gegeben. Davor hat die CDU so getan, als wisse sie davon nichts. Es ist unser Verdienst, dass wir sie öffentlich damit konfrontiert haben und sie danach nicht mehr herauskonnten, sondern zumindest diese Ungerechtigkeit verändern mussten. Aber zu unseren Erfolgen gehört auch, dass wir mit Beharrlichkeit nicht nur Sachen thematisiert, sondern auch Zahlen in Erfahrung gebracht und damit Problembewusstsein geschaffen haben. Dazu gehört z.B. die Zahl 59 Millionen Krankentage aufgrund von psychischen Stresserkrankungen. Dazu gehört die Zahl, dass jeder vierte inzwischen regelmäßig oder ständig am Wochenende arbeiten muss, also der Hinweis darauf, welche krankmachenden Zustände inzwischen auf der Arbeit herrschen. Wunderschöne Landesparteitage wie diesen sind natürlich immer ausgenommen und gelten nicht als Wochenendarbeit, zumindest für die meisten von uns nicht. Aber aus diesen Zahlen kommt natürlich die Erkenntnis, dass unser Kampf für gute Arbeit nicht nur ein Kampf gegen Dumpinglöhne, sondern auch gegen Arbeitszeitverdichtung und unbezahlte Überstunden ist. Dem setzen wir eine Debatte und den Kampf um Arbeitszeitverkürzung entgegen, wobei wir wissen, dass es unterschiedliche Formen gibt. Natürlich ist die kollektive Reduzierung der Wochenstundenzahl ein wichtiger Schritt. Aber das trifft eben bei weitem nicht mehr alle. Gerade in einer Stadt wie Berlin, wo es viele sogenannte Soloselbstständige gibt, viele, die in der Kreativbranche tätig sind, braucht es andere Formen von Arbeitszeitverkürzungen, Formen wie ein Sabbatjahr oder vielleicht mehr Feiertage. Das geht natürlich mit einer Umverteilung der Tätigkeiten zwischen den Geschlechtern einher.

Ja, liebe Genossinnen und Genossen, ich könnte jetzt die Liste fortsetzen, aber ihr habt ja heute noch anderes zu tun, um nach vorne zu blicken. Deswegen halten wir fest: Wir haben viel bewirkt. Darauf können wir stolz sein. Wahlkampfzeiten sind Mobilisierungszeiten. Nutzen wir sie also, um neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu gewinnen. Insofern kann ich euch nur auffordern: Sorgt dafür, dass etwas euer fester Begleiter in der Handtasche oder in der Jackentasche wird. Das wäre ein Mitgliedsantrag. Man weiß ja nie, wann man einem potenziellen Neumitglied begegnet. Jetzt beginnt die Aktivierungsphase, in der man Leue gewinnen kann. Ja, liebe Genossinnen und Genossen, wir haben viel bewirkt, und wir haben noch viel mehr vor uns!

Vielen Dank!