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Lorenz Gösta Beutin

Sofort-Programm für Klimaschutz und sozialen Zusammenhalt

Ende Juli wurde aus Regierungskreisen bekannt, dass Deutschland nicht nur seine Klimaziele für 2030 verfehlen wird, sondern auch das Ziel der Klimaneutralität bis 2045. Statt den Turbo beim Klimaschutz einzulegen, schleift die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz und streicht die Sektorziele.

Statt den Turbo beim Klimaschutz einzulegen, schleift die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz und streicht die Sektorziele. Die Klimawissenschaft schlägt Alarm, weil sich in vielen Bereichen zeigt, dass die ohnehin düsteren Szenarien viel zu optimistisch waren. Egal ob Atlantik, Mittelmeer oder aktuell die Anden: die Temperaturen erreichen überall neue Rekordwerte – mit katastrophalen Folgen. Die Atlantische Zirkulation (Amoc), die Nordeuropa wärmt, könnte schon 2025 versiegen und eine neue Eiszeit heraufbeschwören.

Immer mehr Menschen sind von extremer Hitze, Dürren, Überschwemmungen und Luftverschmutzung betroffen. Dabei ist die Behauptung, wir säßen alle im selben Boot, zu kurz gegriffen. Der „ökologische Fußabdruck“ ist einer der erfolgreichsten Propagandaaktionen der fossilen Industrie. Verschleiert er doch die außerordentlichen Ungerechtigkeiten der CO2-Emissionen. Das reichste 1 Prozent der deutschen Bevölkerung stößt 35-mal so viel CO2 aus wie die Ärmsten 10 Prozent. 800 Superreiche haben einen 1000-mal höheren CO2-Ausstoß wie die Deutschen im Durchschnitt. Gleichzeitig verschärft sich diese Ungerechtigkeit: Während in den letzten 25 Jahren die CO2-Emissionen des reichsten Prozent der EU-Bevölkerung um fünf Prozent gestiegen sind, hat die ärmere Hälfte ihre Emissionen um fast ein Viertel gesenkt.

Haushalte mit kleinen oder mittleren Einkommen haben durch Corona-Krise und Inflation massive Reallohnverluste zu beklagen. Währenddessen machen Konzerne wie RWE Milliardengewinne, auch weil die Bundesregierung keine wirksame Übergewinnsteuer eingeführt hat und Preiskontrollen, wie sie DIE LINKE fordert, verweigert.

Besonders im Zuge der Diskussion um das „Heizungsgesetz“ hat die Bundesregierung viel Vertrauen in eine wirksame und gerechte Klimapolitik verspielt. Die Skepsis wurde dadurch größer. Dabei zeigen die aktuellen Umfragen des Umweltbundesamtes, dass die Bevölkerung mehr Anstrengungen beim Klimaschutz befürwortet. 91 Prozent der Befragten sprechen sich prinzipiell für einen umwelt- und klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft aus. Allerdings befürchtet aber drei Viertel der Befragten, dass sich dadurch die Schere zwischen Arm und Reich weiter auftut. Fast 40 Prozent haben Angst vor dem sozialen Abstieg. Wenn Finanzminister Lindner nun das „Ende der Planwirtschaft“ beim Klimaschutz ausruft, spricht er nicht für die Mehrheit der Bevölkerung, sondern für seine kleine Klientel der Superreichen und Konzerne, die von einer sozial ungerechten Klimapolitik profitieren.

FDP und Union behaupten, Markt und Wettbewerb seien die besten Klimaschützer. Das ist eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit. Schauen wir auf die Fakten: Fliegen oder Autofahren ist meist billiger als Bahnfahren. Wenn die Marktpreise für Strom aus Kohle und Gas steigen, dann wird auch der Ökostrom teurer. Klimaschonende Fleisch- und Milchersatzprodukte sind oft teurer als herkömmliche Lebensmittel. Der Markt kennt nur Gewinne oder Verluste, er kennt keinen Klimaschutz. Im Gegenteil: Umweltschutz treibt die Kosten in die Höhe und schmälert Profite, weshalb ihn Konzerne wo nur möglich umgehen. Aus diesem Grund muss der Markt entsprechend eingedämmt werden. Konzerne brauchen klare Vorgaben – auch zur eigenen Planungssicherheit.

DIE LINKE hat in den vergangenen Jahren an der Seite der Klimabewegung für sozial gerechten Klimaschutz gekämpft und die konsequentesten Vorschläge aller Parteien unterbreitet. Wir sind die Partei des sozial-ökologischen Umbaus und haben klare und glaubwürdige Antworten auf die Klimakrise. Wir stehen für eine Politik der Klimagerechtigkeit, die die Ärmsten und Schwächsten unserer Gesellschaft schützt, kleine und mittlere Einkommen entlastet und die Krisenprofiteure in die Verantwortung nimmt. Damit die ökologischen Verwüstungen des Kapitalismus nicht der Zivilisation ein Ende setzen, brauchen wir jetzt ein radikales Umsteuern. Mit unseren Vorschlägen für ein 100-Milliarden-Programm für Klimagerechtigkeit wollen wir einen Beitrag dazu leisten.

 

1. Energie- und Wärmewende können nur gelingen, wenn wir uns mit den Konzernen anlegen und die Menschen entlasten

Die aktuellen Ausbauzahlen bei der Windkraft zeigen, dass die Energiewende stockt. Das Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren muss mindestens um das Vierfache gesteigert werden. Dazu braucht es unter anderem öffentliche Investitionen, Unterstützung für Kommunen und die Erleichterung von Antragsverfahren.

  • Wir wollen die Übertragungsnetze als Teil öffentlicher Daseinsvorsorge zurück in öffentliche Hand holen. Die Privatisierung der Netze hat den neuen Besitzern Milliardenprofite beschert, die die Bürgerinnen und Bürger zahlen müssen. Schluss mit dieser Umverteilung von unten nach oben! Energiekonzerne geben steigende Gas- und Strompreise sofort an die Endverbraucher*innen weiter, bei einer Preissenkung lassen sie sich jedoch viel Zeit.
     
  • Die Wärmewende muss entschieden vorangetrieben werden und dabei sozial gerecht sein. Kurzfristig bedeutet das: massive Förderungen für den Heizungstausch und klare Regeln zum Schutz von Mieter*innen. Kommunen, Stadtwerke und genossenschaftliche Initiativen müssen beim Ausbau und der Ertüchtigung der Wärmenetze unterstützt werden. Dazu braucht es keine Klecker-Beträge, sondern Milliarden-Investitionen in die Wärme. Die Wärmeversorgung gehört in öffentliche Hand. Mit ihr dürfen keine Profite gemacht werden.
  • Die Wärmenetze müssen rekommunalisiert werden, Betreiber können Kommunen oder Genossenschaften sein. Gewinne mit der Wärme gehören verboten. Überschüsse müssen (wie etwa in Dänemark Praxis) investiert oder an die Verbraucher ausgeschüttet werden. Um die Netze zu ertüchtigen und auszubauen, müssen die Kommunen und Stadtwerke als Träger der kommunalen Wärmewende gestärkt werden. Klimaschutz muss von einer freiwilligen Aufgabe zu einer kommunalen Pflichtaufgabe werden.
     
  • Energiekonzerne geben steigende Gas- und Strompreise sofort an die Endverbraucher*innen weiter, bei einer Preissenkung lassen sie sich jedoch viel Zeit. Hier wollen wir eine staatliche Energiepreisaufsicht mit Durchgriffsrechten und eine Übergewinnsteuer.
  • Neben staatlicher Preiskontrolle bei Strom und Gas ist eine Vergesellschaftung großer Energiekonzerne eine Möglichkeit, den Staat besonders bei der Energiewende handlungsfähig zu machen. Ein Unternehmen wie Uniper in staatlicher Hand könnte umgebaut werden, weg vom Geschäft mit fossilen Ressourcen, hin zum Treiber der Energiewende.

 

2. Klimaschutz schafft gute Arbeit, wenn wir den Umbau der Wirtscchaft, an klare Bedingungen koppeln! 

Für den klimaneutralen Umbau von Industrie und Wirtschaft braucht es eine staatliche Lenkung, wenn er sozial gerecht sein soll. Die Beschäftigten dürfen nicht schlechter gestellt werden. Im Gegenteil: Es braucht hohe Löhne, gute Arbeit und entsprechende Vorgaben für die Unterstützung von Unternehmen. Der längste Arbeitskampf in der Geschichte beim Windkraftanlagenbauer Vestas und die Kämpfe um gewerkschaftliche Organisierung bei Tesla zeigen: die Interessen der Beschäftigten, Mitbestimmung und klare politische Vorgaben müssen Eckpfeiler beim sozial-ökologischen Umbau sein. Die davon betroffenen Beschäftigten haben ein Recht auf Arbeitsplatz- und Einkommensgarantien. Wo öffentliche Gelder fließen – etwa beim Umbau der Stahl- und Automobilindustrie – müssen sie an soziale und ökologische Bedingungen gekoppelt sein: Tariftreue, Einleitung des sozial-ökologischen Umbaus, gewerkschaftliche Mitsprache, Verzicht auf Dividenden, Erhalt von Arbeitsplätzen, Qualifizierung und Weiterbildung, Standortgarantien.

Oft wird behauptet, dass mehr Klimaschutz Arbeitsplätze gefährde. Wir wollen das genaue Gegenteil und schlagen ein Klima-Job-Programm vor, mit dem mindestens eine Million guter Arbeitsplätze entstehen – auch in der Industrie:

  • 200.000 qualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen im Schienenfahrzeug- und Omnibusbau durch den Ausbau der Bahninfrastruktur und des ÖPNV.
  • Mindestens 200.000 qualifizierte Beschäftigte werden bei den Verkehrsbetrieben benötigt, damit die Mobilitätswende gelingt. Bei einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen werden sie im Fahrdienst, in der Instandhaltung und in weiteren Einsatzbereichen des Betriebs- und Verkehrsdienstes gebraucht. Bei einer Erhöhung der Fahrgastzahlen um das 2,5-fache sind es gut 300 000 neue Arbeitsplätze, die entstehen.
  • 160.000 qualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze schafft die Energiewende: in der Produktion, Installation und Wartung der neuen Energieanlagen (die in öffentlicher oder genossenschaftlicher Hand sind). 
  • Das LINKE Programm für eine sozialökologische Verkehrswende bietet einen Ausweg aus der Krise der Autoindustrie, der den Belegschaften soziale Status- und Einkommensgarantien gibt. Durch eine Investitionsoffensive in den Ausbau der Bahninfrastruktur und des ÖPNV können in den nächsten Jahren über 200 000 gut bezahlte Industriearbeitsplätze geschaffen werden. Vorrang hat die Produktion von Fahrzeugen für kollektive Mobilitätskonzepte wie E-Busse, Züge und Straßenbahnen.

 

3. Wenn wir das Klima schützen wollen, müssen wir die Klimawende demokratisch organisieren

Auch bei der Verkehrswende herrscht milliardenschwerer Investitionsbedarf, besonders bei der Bahn und im öffentlichen Nahverkehr. Die Bahn darf nicht zerschlagen werden. Stattdessen brauchen wir ein integriertes Unternehmen, das in öffentliche Hand gehört, zuverlässig, gut ausgebaut, mit guter Bezahlungen für die Beschäftigten, ohne Festlegung auf Gewinne. Dafür braucht es massive Investitionen und die Priorität für die Schiene. Die Bahn muss preislich attraktiv werden, Strecken ausgebaut, Infrastruktur erneuert und Personal gut ausgebildet, gut bezahlt und tariflich abgesichert werden.

  • Nicht die „schwarze Null“ darf das Kriterium für Investitionen sein, sondern die Dienlichkeit für die Verkehrswende und die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger. Die Ticketpreise im ÖPNV wollen wir schrittweise auf null senken. Güterverkehr und Kurzstreckenflüge müssen mittelfristig auf die Schiene.
  • Flankiert werden muss das mit schnell wirksamen Sofortmaßnahmen: Tempolimit 120 auf allen Autobahnen, 80 auf Landstraßen, 30 in Städten. Verbot von Privatjet-Flügen. Abbau klimaschädlicher Subventionen. Downsizing von PKW, weg von SUV.
  • Die von der Bundesregierung verwässerten Sektorenziele für den Klimaschutz müssen wieder gelten. Der Verkehr trägt fast ein Drittel zu den Emissionen bei und muss deshalb als eigenständiger Faktor gelten.
  • Die Akzeptanz für Klimaschutz wächst, wenn er öffentlich organisiert wird, wenn er gesellschaftlich getragen wird, wenn die Menschen in den Kommunen davon profitieren, wenn klar ist, dass er gerechten Regeln folgt und nicht der Willkür des Marktes. Sozial gerechter Klimaschutz auch ein Demokratiestärkungsprogramm. Auf die Frage: Wem gehört die Gesellschaft gibt es nur die Antwort: uns allen!
  • Eine gerechte Wärmewende muss mit der Förderung bezahlbaren Wohnens einhergehen, um den Menschen ihre Zukunftssorgen zu nehmen und die Angst, dass Klimaschutz zu mehr Verdrängung führen könne. Neben einem wirksamen bundesweiten Mietendeckel gehört dazu nicht nur der Ausbau des sozialen und öffentlichen Wohnungsbaus, sondern auch die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne.
  • Die Energiewende ist ein demokratisches Projekt. Während die großen Energiekonzerne lange davor gewarnt haben, dass bei mehr als vier Prozent Ökostrom im Netz die Lichter in Deutschland ausgehen und die Bundesregierung auf Kohle, Gas und Atom setzte, haben Menschen etwa in Nordfriesland die ersten Windparks in Bürgerhand gebaut.
  • Dieser dezentrale Charakter muss erhalten bleiben. Studien zeigen, dass die Akzeptanz steigt, wenn Menschen direkt an den Planungen beteiligt werden und nicht irgendein börsennotierter Projektierer nur sein Renditeprojekt verwirklicht. Deshalb müssen beim Ausbau von Photovoltaik und Windkraft an Land die Kommunen, Genossenschaften, Bürgerenergie den Vorrang haben. Die Energiewende darf nicht an die großen Energiekonzerne verscherbelt werden.

 

4. Wir müssen uns auf die Auswirkungen des Klimawandels besser vorbereiten!

Schon zeigen Überschwemmungen und Hitzewellen, dass der Klimawandel Realität ist. Wir müssen als nicht nur unsere Emissionen reduzieren, sondern uns an die nicht mehr vermeidbaren Folgen anpassen. Wir brauchen massive Investitionen in Hitzeschutz, den Ausbau von Schattenflächen durch Grünpflanzen und Bäume und mehr fließende Wasserflächen. Neben weiteren Maßnahmen der Klimaanpassung gehört dazu auch ein Plan gegen den bundesweiten Wassermangel, der öffentliche und Privathaushalte priorisiert, nicht die Interessen von Konzernen

 

  • Der Bund muss ein Programm für Klimaanpassung auflegen, aus dem die Städte und Gemeinden den Umbau finanzieren können, etwa für den Umbau der Kanalisation, Entsiegelung und mehr Grünflächen als Maßnahmen gegen Überschwemmungen, denn so kann Starkregen besser abgeleitet werden
  • Wir müssen unsere Städte neu denken. sind Städte für über 70 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich und verbrauchen bis zu 76 Prozent der Energie. Städte sind daher besonders im Klimaschutz gefordert. Wir brauchen bundesweite Kriterien für den schnellen Umbau.
  • Vielerorts verschärft sich der Wassermangel. Privatpersonen sollen sparen, Konzerne nicht. Das ist ungerecht. Es braucht ein Wasserentnahmeentgelt, welches abhängig von der Wassernutzung gestaffelt sein muss: Privatpersonen, kleine und mittelständische Unternehmen sowie Unternehmen und Einrichtungen, die zur öffentlichen Daseinsvorsorge beitragen, sollten dabei kein Entgelt zahlen.  Konzerne wie Coca-Cola oder Tesla, deren Produktion lediglich auf Konsum und Profite abzielt, sollten dementsprechend höhere Entgelte für die Förderung von Grundwasser zahlen.
  • Die Klimakatastrophe lässt sich nicht nur in Deutschland stoppen. Es bringt nichts, wenn in Deutschland Wirtschaft und Gesellschaft grün angemalt werden. Eine Wasserstoffproduktion, die daraufsetzt, die Ausbeutung des globalen Südens schlicht klimaneutral zu machen, aber nichts n den zentralen Problemen zu ändern, wird dem globalen Charakter der Klimakrise nicht gerecht. Es ist verheerend, dass Habeck und Scholz das Versprechen Deutschlands vom Glasgower Klimagipfel gebrochen haben, international die Finanzierung fossiler Infrastruktur einzustellen, und stattdessen neue Öl- und Gasprojekte ins Leben rufen, die weit über den Bedarf hinausgehen. Der globale Süden braucht Technologietransfer und finanzielle Unterstützung zur Bewältigung der Klimakatastrophe und ihrer Folgen, das beinhaltet auch einen Schuldenschnitt. Internationaler Klimaschutz ist ein notwendiger Teil der Bekämpfung von Fluchtursachen, schafft langfristig Sicherheit, Wohlstand und Frieden.