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Selbstverständliches wieder selbstverständlich machen: Einstiege in eine solidarische Alternative

Die Wahrnehmungen klaffen auseinander: Die Regierung nennt sich nicht nur die erfolgreichste aller Zeiten, sie beansprucht auch eine Führungsrolle in Europa. Die Krise sei im Griff, der Euro gesichert, Deutschland gut durchgekommen. Doch für Millionen Menschen sieht die Wirklichkeit anders aus.

Fast zehn Millionen Menschen in Deutschland arbeiten im Niedriglohnsektor. Sie können von ihrer Arbeit nur schlecht leben und steuern auf Armut im Alter zu. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft auseinander: Reichtum sammelt sich in den Händen weniger, auf der anderen Seite werden Reiche von ihrem Anteil an der Finanzierung des Gemeinwesens entlastet. Die Schuldenbremse verhindert dringend notwendige Investitionen in den Kommunen und der öffentlichen Daseinsvorsorge. 

Während Banken auf den Bankrott von Euro und Staaten wetten, reagieren die Regierungen auf dem Kontinent mit Sozialabbau. Wer davon spricht, dass die Europapolitik der Bundesregierung die Krise in den Griff bekommen hätte, akzeptiert stillschweigend dieses soziale Elend. DIE LINKE wirbt für ein neues gesellschaftliches Selbstbewusstsein. 

Ein Politikwechsel im Wahljahr 2013 ist überfällig. Wir brauchen eine Alternative, die soziale Gerechtigkeit für alle in den Mittelpunkt ihrer Politik stellt. Viele Menschen engagieren sich für diese Ziele bereits in Bewegungen, Vereinen und Organisationen. Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, Erwerbslosenverbände, Frauengruppen, Organisationen von Migrant_innen, Kirchen und soziale Bewegungen stehen für eine solche Politik. Sie kämpfen im Alltag für die Durchsetzung dieser Grundsätze. Diese außerparlamentarischen Aktivitäten sind unerlässlich für eine lebendige Demokratie und für die Durchsetzung sozialer Gerechtigkeit. Doch sie finden keinen Weg ins Parlament.

Eine glaubwürdige Politik für einen Politikwechsel braucht ein gesellschaftliches Programm, das den Einstieg in eine sozial gerechte, ökologische und demokratische Gesellschaft ermöglicht. Sie braucht außerdem eine Machtperspektive für die Umsetzung eines solchen Programms. 

SPD und Grüne haben, seit sie im Bund in der Opposition sind, Teile unserer Positionen übernommen. Ihre Andeutungen zu sozialer Grundsicherung, Mindestlohn, Rente und Schutz vor Altersarmut oder zur Bankenregulierung weisen in die Richtung, die auch DIE LINKE vertritt. Doch sie sind nicht bereit, den Weg konsequent zu gehen. In anderen Punkten sind sie nicht bereit, sich zu bewegen, etwa bei der Abschaffung der Hartz IV-Sanktionen. Die Zustimmung zur Stationierung der Patriot-Raketen zeigt, dass sie am verheerenden militaristischen Kurs festhalten wollen.

Die SPD-Führung schließt bisher kategorisch und die Grünen abgeschwächt eine Zusammenarbeit mit der LINKEN aus. Da beide Parteien ohne uns rechnerisch keine Mehrheit erzielen werden, wirkt ihr angekündigter „Linksschwenk“ unglaubwürdig. Diese Politik ist eine Lebensversicherung für Angela Merkel als Kanzlerin und eine Blockade für einen Politikwechsel. Unser Angebot richtet sich an die Parteien im Parlament und an Organisationen, Bewegungen und Individuen, die an einer sozialen und solidarischen Alternative zur Politik der jetzigen Bundesregierung arbeiten und die Kräfte dafür bündeln wollen.

 

Neun Schritte für einen Politikwechsel

Bei allen Veränderungen die die Globalisierung bewirkt hat: Deutschland ist eines der reichsten Länder dieser Erde. Als solches dürfen wir nicht zulassen, dass Kinder aus armen Familien später ebenfalls arm werden. Dass Menschen täglich zu Arbeit gehen und von ihrem Einkommen nicht leben können. Dass die Spaltung unserer Gesellschaft aufgrund einer politisch gewollten Umverteilung von unten nach oben weitergeht. 

Unseren Forderungen wird häufig nachgesagt, sie seinen unrealistisch, nicht finanzierbar und illusorisch. Aber ist es illusorisch zu verlangen, einen Mindestlohn einzuführen, von dem Menschen in Unabhängigkeit leben können? Ist es illusorisch zu wollen, dass Kinder aus armen Familien später nicht selber in Armut leben müssen? Ist es illusorisch zu fordern, dass Strompreise bezahlbar bleiben und Menschen am Ende ihres Erwerbslebens eine Rente verdienen, von der sie leben können? Diese Ziele sind für uns nicht Illusionen, sondern – selbstverständlich. 

1. Es muss selbstverständlich sein, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können und dass sie während des Berufslebens oder im Alter nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.

Spätestens seit der Agenda 2010 aber hat die Politik zu einer Senkung der Löhne geführt. Über 53 Milliarden Euro sind allein von 2007 bis 2011 aus Hartz IV-Mitteln gezahlt worden, weil sogenannte Aufstocker von ihrem geringen Lohn nicht leben konnten. Gleichzeitig drängt die Angst vor Hartz IV die Menschen dazu, schlecht bezahlte Jobs anzunehmen. Im Ergebnis subventioniert der Staat die Unternehmen und vermittelt den Beschäftigten, ihre Arbeit sei nicht wertvoll. Und nach einem Leben von Plackerei und Verhandlungen mit dem Amt reicht es am Ende nicht mal für eine Rente, von der sie leben können.

Die Probleme der Rente hängen mit den Löhnen zusammen, wir wollen beides gemeinsam angehen: DIE LINKE will einen flächendeckenden Mindestlohn. Unter zehn Euro ist ausgeschlossen, ein Einkommen zu erzielen, das während des Berufslebens oder in der Rente vor Armut schützt. Und die Rentenhöhe muss wieder auf 53 Prozent des früheren Nettoeinkommens gesetzt werden. Niemand soll im Alter Not leiden müssen: wir wollen eine Mindestrente von um die 1000 Euro. Zwischen Ost und West muss Rentengerechtigkeit hergestellt werden.

2. Es muss selbstverständlich sein, Arbeit so zu gestalten, dass sie ein Teil des Lebens sein kann. Es muss möglich sein, zu arbeiten und Familie zu haben, sich zu erholen und an der Gesellschaft teilzuhaben, sich einzumischen. 

Es muss möglich sein, auf längere Sicht zu arbeiten, ohne erschöpft und krank zu werden. Die Zahl der psychischen Erkrankungen ist drastisch angestiegen. Die Gründe liegen bei den verstärkten Anforderungen in der Arbeit, Flexibilisierungsdruck, erhöhte Eigenverantwortung – der Stress hat zugenommen, ob im Niedriglohnbereich, bei den prekären Selbständigen, auf dem Amt, am Band oder auf Station. Die Arbeitsverhältnisse müssen dringend neu reguliert und Arbeitsverdichtung muss zurückgedrängt werden. Grundsätzlich müssen die Beschäftigten selbst und die Gewerkschaften stärker in die Organisation von Arbeitsabläufen einbezogen werden. DIE LINKE will eine Anti-Stress-Verordnung. Leiharbeit und der Missbrauch von Werkverträgen müssen untersagt, Befristungen von Beschäftigungsverhältnissen streng begrenzt werden. Stress hat auch damit zu tun, dass Beschäftigte mehr und länger arbeiten müssen, um bei den niedrigen Löhnen über die Runden zu kommen.

3. Es gibt Anzeichen, dass die Wirtschaftskrise nach Deutschland zurückkommt. Es sollte selbstverständlich sein, dass Krisen nicht auf dem Rücken von Beschäftigten gelöst werden. 

Es müssen schnell Gegenmaßnahmen mit einem Konjunkturprogramm ergriffen werden, das jedoch nicht – wie bei der Abwrackprämie geschehen - die Spaltung in den Reihen der Beschäftigten vergrößern darf. Wir wollen ein öffentliches Investitionsprogramm, in dem Kindertagesstätten ausgebaut werden und Solaranlagen – wo sinnvoll - auf alle Behördendächer gebracht werden.

Ein Programm der öffentlich geförderten Kurzarbeit zum Schutz der Beschäftigten ist als Sofortmaßnahme sinnvoll. Auf längere Sicht brauchen wir andere Formen der Arbeitszeitverkürzung: Statt dass die einen überarbeitet sind und die anderen arbeitslos, muss kollektiv die Wochenarbeitszeit schrittweise gesenkt werden, ohne dass die Löhne sinken. Wir wollen individuelle Möglichkeiten der Arbeitszeitverkürzung schaffen: etwa eine öffentlich geförderte Arbeitszeitverkürzung für Eltern und die Möglichkeit, befristet für ein Jahr die Berufstätigkeit auszusetzen (Sabbaticals). Auch dafür müssen wir die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften und die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten stärken. DIE LINKE will eine Debatte anstoßen, wie Arbeitszeitverkürzungen für kleinere und mittlere Unternehmen realisiert werden können.

4. Es muss selbstverständlich sein, dass Erwerbslose das Recht auf einen aufrechten Gang haben. Armut zu bekämpfen statt Arme und Erwerbslose zu drangsalieren, gehört ins Zentrum der Politik. 

Das gibt auch zu, wer den Armutsbericht fälscht: wer etwas beschönigen will, hat ein schlechtes Gewissen. Die alltäglichen Kosten des Lebens dürfen nicht dazu führen, dass Arme, Erwerbslose oder Geringverdiener_innen ausgegrenzt oder verdrängt werden.

Deshalb steht DIE LINKE für eine sofortige Erhöhung der Hartz IV-Sätze auf 500 Euro. Unser Ziel ist es, dass keine Mindestsicherung mehr unter der Armutsrisikogrenze existiert. Sanktionen und Zwangsumzüge müssen gestoppt, stattdessen sinnvolle – und in vielen Bereichen dringend notwendige – tarifliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Zur Bekämpfung der Kinderarmut wollen wir eine Grundsicherung für jedes Kind in der Höhe des Armutsrisikos einführen, wie sie unter anderem von der AWO, dem Kinderschutzbund und pro familia gefordert werden.

Reichtum oder Armut machen sich nicht allein am Geldbeutel der Einzelnen fest. Die Öffentliche Daseinsvorsorge – Kultur, Mobilität, Bildung, Energie- und Wasserversorgung – ist ein Gradmesser dafür, wie demokratisch eine Gesellschaft mit Reichtum umgeht.

Wir wollen die Strompreise staatlich regulieren und sicherstellen, dass niemand im Dunkeln sitzen oder frieren muss. Der öffentliche und soziale Wohnungsbau muss verstärkt werden und die Mieten wirksam gedeckelt. Für alle Kinder muss in Schulen und Kindertagesstätten ein warmes Mittagessen angeboten werden.

5. Es muss selbstverständlich sein, dass Gesundheit in einer demokratischen Gesellschaft nicht vom Geldbeutel abhängen darf. 

Niemand soll früher sterben müssen, nur weil er oder sie arm ist. Unsere Gesundheitsversorgung ist ein Zwei-Klassen-Modell, das viele nicht ausreichend versorgt und die Beschäftigten unter Druck setzt. Wir brauchen eine bessere Personalversorgung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen!

Unsere solidarische Bürgerversicherung lässt sich sofort umsetzen; sie ist einfach: Alle zahlen ein, alle werden gut versorgt. Alle Zuzahlungen werden abgeschafft und die paritätische Finanzierung wird wieder hergestellt. Die Beiträge würden für alle sinken, die unter 5800 Euro brutto im Monat verdienen. Das ermöglicht auch eine erheblich bessere Personalausstattung und gute Arbeit zu höheren Löhnen in Gesundheits- und Pflegeberufen.

6. Unser Reformprogramm ist realistisch, es lässt sich verwirklichen – wenn wir uns Raum verschaffen, um die Gesellschaft zu gestalten: Es muss selbstverständlich sein, dass in einer demokratischen Gesellschaft alle beitragen – wer viel hat mehr, wer wenig hat weniger. 

Seit Jahren sind die Kassen des Staates leer, weil die Reichen entlastet werden. Privatisierungen und steigende Gebühren sind als Sachzwang dargestellt worden. Auch in Sozialverbänden und christlichen Organisationen werden die Spitzeneinkommen kritisiert. Wir wollen eine gesellschaftliche Debatte darüber anstoßen, welche Einkommens-  und Vermögensverteilung fair und gerecht ist.

DIE LINKE will eine Vermögenssteuer und eine einmalige Vermögensabgabe auf jeden Euro über einer Million Euro Vermögen.

Das weist auch die Richtung für eine andere Politik in Europa. DIE LINKE setzt sich für eine europaweite Vermögensabgabe ein. Damit wird Steuerflucht erschwert. Wir wollen ein Ende der verheerenden Kürzungspolitik und stattdessen ein europäisches Investitionsprogramm – wie es auch der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert. Wir wollen einen gerechten Ausgleich in Europa.

7. DIE LINKE will, dass der Reichtum unserer Gesellschaft auch allen zur Verfügung steht. 

Daher wollen wir die öffentlichen und sozialen Dienstleistungen ausbauen und Privatisierungen zurücknehmen. Im Mittelpunkt der Daseinsvorsorge sollen nicht Wettbewerb und Profit stehen, sondern die Bedürfnisse der Menschen. Das schließt einen sozialen und ökologischen Umbau der Gesellschaft ein. Es muss selbstverständlich sein, dass die notwendige Energiewende nicht auf Kosten der Schwächsten der Gesellschaft ausgeführt werden kann. Mit vielen Initiativen zusammen streitet DIE LINKE dafür, dass die Energieversorgung in die Hände der Bevölkerung kommt, dezentral gespeichert, kommunal oder als Genossenschaften. Der Verkehr muss ökologisch umgebaut werden. Dafür brauchen wir flächendeckende Sozialtickets im öffentlichen Nahverkehr und eine drastische Preissenkung. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist auch ein Investitionsschub. In mehreren Städten sind gute Erfahrungen gesammelt worden mit einem kostenlosen, steuerfinanzierten öffentlichen Nahverkehr.

 

8. Wer Probleme verursacht, muss selbstverständlich für ihre Bewältigung verantwortlich sein. 

Die Banken haben verantwortungslos die größte Wirtschaftskrise seit 80 Jahren herbeigeführt. Die Zeche sollen jetzt die anderen zahlen. Wir wollen den Finanzsektor reformieren und die Banken an die Kette legen. Hochriskante Spekulationsgeschäfte wollen wir verbieten und Steueroasen schließen. Perspektivisch wollen wir die Gehälter von Managern begrenzen. Der Finanzsektor muss demokratisiert werden. Der Einstieg soll eine gesetzliche Obergrenze für Dispo-Zinsen sein.

9. Es muss selbstverständlich sein, dass niemand Profite mit dem Krieg machen darf. 

Waffenproduktion ist unmoralisch und verschlimmert Leid und Elend, Krieg und Flucht. Das gilt besonders für ein Land wie Deutschland mit seiner Vergangenheit von Krieg und Vernichtung. DIE LINKE will einen Stopp der Waffenexporte. Wir wollen einen Prozess der Konversion der Waffenproduktion einleiten, damit die Arbeitsplätze in der Waffenindustrie in andere Produktionen überführt werden können. Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland und Einsätze im Inland lehnen wir konsequent ab.

Es gibt in der Gesellschaft für viele dieser Schritte Unterstützung. Doch in der politischen Landschaft fehlen Mut und Wille zu einem Wechsel, auch weil Selbstverständliches heute in Frage gestellt wird.

In den vergangenen Wochen haben SPD und Grüne Forderungen formuliert, die soziale Grundsicherung, Mindestlohn, Rente und Schutz vor Altersarmut betreffen. Viele dieser Forderungen deuten in die Richtung, in die auch DIE LINKE gehen will, einige sind direkt aus unseren Positionen übernommen. Doch bisher machen SPD und Grüne halt vor einer effektiven Bekämpfung von Niedriglohn und Armut und vor einer couragierten Besteuerung der Reichen. Damit würde die Spaltung der Gesellschaft fortgeführt. Wir werben dafür und drängen darauf, weiter zu gehen. Wenn die anderen Parteien es ernst meinen mit ihren Vorschlägen und einen ehrlichen sozialen Politikwechsel wollen, müssen sie ihre Blockadehaltung gegenüber der LINKEN aufgeben.

Wir machen hier ein Angebot für eine handfeste Zusammenarbeit. Das Angebot richtet sich an alle Parteien, Organisationen, Bewegungen und alle Menschen, die an einer solidarischen Alternative arbeiten wollen.