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Axel Troost

Schuldenbremse ließe für den Bund jährlich über 25 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen zu

Schäubles jüngster Zaubertrick, der allseits Kommentatoren in Entzücken versetzt, ist die aus dem Hut gezauberte Ankündigung, zwischen 2016 und 2018 insgesamt 10 Milliarden Euro mehr in die Infrastruktur investieren zu wollen - Von Axel Troost, stellvertretender Parteivorsitzender und finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE

Schäubles jüngster Zaubertrick, der allseits Kommentatoren in Entzücken versetzt, ist die aus dem Hut gezauberte Ankündigung, zwischen 2016 und 2018 insgesamt 10 Milliarden Euro mehr in die Infrastruktur investieren zu wollen - bei gleichzeitig weiterhin angestrebter Einhaltung der schwarzen Null. So viel Geld heißt es, was man damit alles machen könne, von Schulen und Kindergärten bis Straßen und Brücken!

Doch diese Summe kann auch bestenfalls nur ein Notpflaster sein angesichts einer deutschlandweit desaströs veralteten Infrastruktur. Selbst Wirtschaftsvertreter und libe-rale Politiker sehen mittlerweile eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort und fordern eine große Investitionsinitiative - und sei es auf Kosten der schwarzen Null.(1) Und angesichts eines Zinsniveaus für deutsche Staatsanleihen zwischen 0 und 1 Prozent bietet sich dem Staat die Möglichkeit einer Investitionsfinanzierung zum Nulltarif. Es wäre also ein selten günstiger Zeitpunkt für eine öffentliche Investitionsoffensive.

Gegen diese Möglichkeit der Finanzierung über Kredit wird oft die Schuldenbremse ins Feld geführt, welche eben zur schwarzen Null verpflichte. Vergessen wird dabei allerdings oft, dass die Schuldenbremse für den Bund erst ab 2106 greift und die aktuell geltenden Übergangsregelungen einen weit größeren Spielraum für kreditfinanzierte Infrastrukturmaßnahmen zulassen als bislang ausgeschöpft wird.(2)

Dieser jährliche Verschuldungsspielraum bis 2016 muss nicht selbst errechnet werden, sondern wird vom Bundesfinanzministerium penibel auf dem sogenannten Kontrollkonto festgehalten. Diese Kontrollkonto enthält also keine realen Guthaben oder Schulden, sondern vermerkt jährlich, wieviel die aktuelle Neuverschuldung des Staates über - oder auch unter - der festgelegten Regelobergrenze des Anpassungszeitrums liegt.(3) Der aktuelle Saldo des Kontos zeigt somit an, wieviel der Bund seit Einführung des Kontos im Jahre 2011 insgesamt über oder unter der Regelobergrenze geblieben ist und ob die ab 2016 greifende Schuldengrenze bis dato in der Summe über- oder unterschritten worden wäre.

Das Kontrollkonto soll dabei - wie der Name aussagt - zur Kontrolle der Einhaltung der Schuldenbremse dienen(4) und stellt nach offizieller Lesart ein "Gedächtnis"(5) dar. Man könnte es jedoch auch als eine Art pauschalen Pranger für Defizitpolitik bezeichnen, unabhängig davon ob diese aktuell ökonomisch sinnvoll ist oder nicht.

Wie ist nun der aktuelle Stand des Kontrollkontos beim Einlauf in die Schuldenbremse? Statt mit einem negativen Saldo ein Überschreiten der Schuldengrenze anzuprangern, kommt es seit Einführung des Kontos jährlich zu hohen positiven Buchungen, die anzeigen, dass der Rahmen noch zulässiger Neuverschuldung bei weitem nicht ausgeschöpft wird.(6) In vorauseilender Planübererfüllung wird seit 2012 bereits die endgültige Verschuldungsquote der Schuldenbremse erfüllt, obwohl im Übergangszeitraum explizit höhere Verschuldungsquoten zulässig wären.(7) Dadurch kommt es Jahr für Jahr zu stei-genden positiven Salden auf dem Kontrollkonto:

  • 25,2 Mrd. Euro im Jahr 2011
  • 56,1 Mrd. Euro im Jahr 2012
  • 85,7 Mrd. Euro im Jahr 2013

Das Kontrollkonto belegt damit, dass die Bundesregierung von 2011 bis 2013 innerhalb der Grenzen der Übergangsregelungen zur Schuldenbremse insgesamt 85,7 Mrd. Euro mehr in die deutsche Infrastruktur hätte investieren können - so sie denn Willens gewesen wäre.

Für 2014 sind noch keine Zahlen verfügbar(8), angesichts ähnlicher Wirtschaftslage und dem weiterhin gültigen Dogma der "schwarzen Null" ist jedoch ein Saldo von deutlich über 100 Mrd. Euro realistisch, die der Infrastruktur im Land am Ende des Jahres fehlen werden.

Zusätzlich unnütz ist diese vorauseilende Übererfüllung der Schuldenbremse, da die angelaufenen Salden bei Greifen der Schuldenbremse im Jahr 2016 gar nicht ange-rechnet sondern gelöscht werden - und somit auch den zukünftigen Spielraum nicht erweitert.(9)

Anmerkungen

(1) Siehe unter anderem: www.handelsblatt.com/politik/deutschland/warnung-an-den-bund-infrastruktur-verfall-fuehrt-bdi-und-dgb-zusammen/10923324.html und www.handelsblatt.com/politik/deutschland/grosser-erneuerungsbedarf-wirtschaftsforscher-fordern-ausbau-der-infrastruktur/8393120.html

(2) Quellen sind - soweit nicht anders angegeben - die Berichte des Bundesfinanzministeriums zum Kontrollkonto für 2013 sowie für 2011/2012: www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Oeffentliche_Finanzen/Schuldenbremse/2013-03-19-kontrollkonto-fuer-die-haushaltsjahre-2011-und-2012.html und www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/2014/09/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-3-schuldenbremse-2013.html

(3) "Um die Einhaltung der Schuldenbremse des Bundes, die erstmals für das Haushaltsjahr 2011 angewandt wurde, im Haushaltsvollzug sicherzustellen, wird das Ist-Ergebnis der Nettokreditaufnahme eines Haushaltsjahres mit dem Wert verglichen, der sich insbesondere unter Berücksichtigung der tatsächlichen konjunkturellen Entwicklung als maximal zulässige Nettokreditaufnahme ergibt. Die ermittelte Abweichung der Ist-Nettokreditaufnahme von der so angepassten Regelobergrenze wird nach § 7 des Gesetzes zur Ausführung von Artikel 115 Grundgesetz jeweils zum 1. März bzw. zum 1. September des auf das Haushaltsjahr folgenden Jahres vorläufig bzw. abschließend auf dem Kontrollkonto der Schuldenbremse gebucht. Über die Jahre hinweg werden diese Buchungen kumuliert."

(4) "Wenn der Saldo der Buchungen des Kontrollkontos einen bestimmten negativen Schwellenwert unterschreitet, entsteht unmittelbarer haushaltspolitischer Handlungsbedarf. Die Unterschreitung des Schwellenwerts muss nach grundgesetzlichen Vorgaben zurückgeführt werden."

(5) "Damit stellt das Kontrollkonto ein "Gedächtnis" dar, mit dem die Einhaltung der Schuldenbremse überprüft werden kann."

(6) "Die strukturelle Neuverschuldung des Bundes, d.h. die Nettokreditaufnahme bereinigt um finanzielle Transaktionen und Konjunktureffekte, lag im Jahr 2011 bei 20,4 Mrd. Euro bzw. 0,85% des Bruttoinlandsprodukts. Sie unterschritt damit deutlich die durch den Abbaupfad vorgeschriebene Obergrenze von 1,90% des Bruttoinlandsprodukts."

(7) "Im Jahr 2012 konnte mit einer strukturellen Nettokreditaufnahme von 8,5 Mrd. Euro bzw. 0,34% des Bruttoinlandsprodukts sogar bereits die erst ab dem Jahr 2016 dauerhaft geltende Obergrenze von 0,35% des Bruttoinlandsprodukts im Vollzug unterschritten werden." und "Die strukturelle NKA des Bundes, d. h. die NKA bereinigt um finanzielle Transaktionen und Konjunktureffekte, lag im Jahr 2013 bei nur 3,6 Mrd. € beziehungsweise 0,14% des BIP. Damit unterschritt die strukturelle NKA deutlich die ab 2016 dauerhaft geltende Obergrenze von 0,35% des BIP.

(8) "Die ermittelte Abweichung der Ist-Nettokreditaufnahme von der so angepassten Regelobergrenze wird nach § 7 des Gesetzes zur Ausführung von Artikel 115 Grundgesetz jeweils zum 1. März bzw. zum 1. September des auf das Haushaltsjahr folgenden Jahres vorläufig bzw. abschließend auf dem Kontrollkonto der Schuldenbremse gebucht."

(9) "Um die Funktionsweise der Schuldenbremse und damit die Fiskaldisziplin zu stärken, wird gemäß dem im Juli in Kraft getretenen Fiskalvertragsumsetzungsgesetz der kumulierte Saldo auf dem Kontrollkonto zum Ablauf der Übergangsregelung Ende 2015 gelöscht. Damit wird sichergestellt, dass die gebuchten Positivsalden aus dem Übergangzeitraum nicht in den ab dem Jahr 2016 geltenden Regelbetrieb der Schuldenbremse übertragen werden."