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Schlag ins Gesicht des Parlaments

Bundesregierung ignoriert Parlamentsvotum und führt ALGII-Kürzung bei Krankenhausaufhalt ein - Von Katja Kipping

Die Bundesregierung hat eine Verordnung verabschiedet, die vorsieht, dass ab dem 1. Januar 2008 Arbeitslosengeld-II-Beziehende, die länger als 21 Tage in ein Krankenhaus müssen, ab dem 1. Januar des nächsten Jahres einen um 35 Prozent gekürzten Hartz-IV-Regelsatz erhalten - und das, obwohl der Regelsatz ohnehin schon viel zu niedrig ist.

Das kann unter anderem Folgendes bedeuten: Ein Arbeitslosengeld-II-Bezieher, bei dem Krebs diagnostiziert wird, muss zu einer Chemotherapie. Eine solche Behandlung dauert in der Regel länger als 21 Tage. Damit hat er die Bagatellgrenze überschritten. Das heißt, nach einigen Wochen wird diesem Menschen das ohnehin niedrige Arbeitslosengeld II gekürzt, und zwar um 121 Euro. In einer Situation, in der es diesem Menschen schon richtig dreckig geht, wird also noch eins obendrauf gesetzt.

Diese Verordnung ist eines der ersten Produkte des unter neuer Führung stehenden Sozialministeriums. Herr Staatssekretär Brandner und Herr Minister Scholz starten mit einer grandiosen Fehlleistung, und zwar in dreifacher Hinsicht:

Erstens. Diese Verordnung ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen.

Die Bundesregierung begründet ihren Schritt wie folgt: "Andernfalls würde es durch einen Aufenthalt im Krankenhaus zur Einkommensverbesserung kommen."

Offensichtlich glaubt die Bundesregierung wirklich, die Arbeitslosengeld-II-Beziehenden stürmen jetzt haufenweise in das Krankenhaus, nur weil sie dort verpflegt werden?

Außerdem lässt die Regierung damit außer Acht, dass ein Aufenthalt im Krankenhaus mit zusätzlichen Kosten einhergeht. So ist zum Beispiel das Telefonieren im Krankenhaus wesentlich teurer. Nach einer schweren OP ist man geschwächt, kann nicht mit dem Fahrrad fahren und muss womöglich Geld für ein Taxi bezahlen. Im Übrigen ist es sehr wahrscheinlich, dass nach einer schweren Erkrankung oder nach einer schweren Operation höhere Kosten anfallen, zum Beispiel deshalb, weil Heilmittel oder gesündere Lebensmittel erworben werden müssen. Ich meine, Arbeitslosengeld-II-Beziehende, die gerade eine schwere Krankheit durchgemacht oder eine schwere Operation hinter sich haben, sollten nicht auch noch dadurch schikaniert werden, dass der Regelsatz des ALG II um 35 Prozent gekürzt wird.

Zweitens ist diese Verordnung ein Bürokratievermehrungsprogramm. Herr Alt von der Bundesagentur für Arbeit hat es im Sozialausschuss auf den Punkt gebracht, indem er sagte: "Der dadurch entstehende Aufwand ist für alle Beteiligten ärgerlich."

Drittens. Diese Verordnung ist ein Schlag ins Gesicht des Parlaments. Der Petitionsausschuss hat einstimmig beschlossen, dass das Arbeitslosengeld II eine pauschalierte Leistung ist und dass das Krankenhausessen deswegen kein Grund für eine Rückforderung sein kann. Das gesamte Parlament hat am 25. Oktober 2007 dieses Votum einstimmig bestätigt. Die Bundesregierung aber ignoriert dieses Votum des Parlaments und verabschiedet diese Verordnung einfach. Jeder Abgeordnete, der noch einen Funken parlamentarischer Ehre im Leib hat, dürfte sich das nicht gefallen lassen.

Deswegen stellte die LINKE im Bundestag in der letzten Sitzungswoche einen Antrag zur Abstimmung, der darauf abzielte, diese Verordnung zu stoppen. Denn: ein Krankenhausaufenthalt für Arbeitslosengeld-II-Beziehende darf nicht zu einer Kürzung des Arbeitslosengeldes II führen! Doch CDU und SPD stimmten gegen diesen Antrag. Damit zeigten sie am Jahresende noch einmal deutlich, dass sie vor allem eins sind: die  Westentaschenreserve der Regierung!