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Mit dieser Wahl hat sich das soziale Klima in der Republik verändert

Statements der Parteivorsitzenden Lothar Bisky und Oskar Lafonatine sowie der Spitzenkandidatin Tina Flauger (Niedersachsen) und des Spitzenkandidaten Willi van Ooyen (Hessen) auf der Pressekonferenz am Rande der Sitzung des Parteivorstandes.

Lothar Bisky: Meine Damen und Herren, ich werde nur den Aufschlag machen: Das Fünf-Parteiensystem ist eine politische Verschiebung der politischen Landschaft in Deutschland. Sie ist durch uns bewirkt worden. DIE LINKE wirkt. Das gilt weiterhin.

Die zweite Bemerkung, die ich machen möchte: Wir sind wohl nach verschiedenen Kriterien die drittstärkste politische Kraft geworden. Ich bin optimistisch, dass das so bleiben wird.

Der dritte Punkt: In der Parteineubildung sind wir einen großen Schritt vorangekommen. In zwei Flächenstaaten in die Landtage einzuziehen, das ist ein Meilenstein, das ist ein Durchbruch. Dafür gibt es verschiedene Namen. Ich kann einfach nur sagen: Wir können uns freuen.

Der vierte Punkt: Wir sind auf dem Weg nach Hamburg. Das vergessen wir nicht, denn auch in Hamburg wollen wir rein. Wir haben dann die Kommunalwahlen in Bayern und in Schleswig-Holstein. Wir wissen, das ist eine Zwischenetappe, aber es ist ein schöner Januar-Tag. Danke.


Oskar Lafontaine: Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser gestrige Tag war ein großer Erfolg für die Partei DIE LINKE. Wir sind fast über den Plan. Wir sind jetzt in zwei westdeutschen Flächenländern nach Bremen vertreten. Wir haben gute Aussichten in Hamburg und haben auch gute Aussichten in anderen Ländern in den Landtagen vertreten zu sein.

Entscheidend ist aber nicht so sehr, dass wir in die Landtage eingezogen sind. Entscheidend ist, dass sich mit dieser Wahl das soziale Klima der Republik wieder zugunsten derjenigen verändert hat, die auf soziale Gerechtigkeit angewiesen sind. Ich prognostiziere, dass sich in diesem Jahr etwas bei der Rentenformel ändern wird. Ich prognostiziere hier, dass sich auch in der Sozialpolitik die große Koalition ein Stück auf unsere Forderungen zubewegen muss, wenn sie nicht weiter verlieren will. Sie hat ja in der Summe in beiden Ländern verloren. Das darf man nicht übersehen. Sie hat deutlich verloren.

Ich habe in den Wahlkämpfen immer wieder gesagt: Eine Stimme für DIE LINKE ist – wenn jemand einen niedrigen Lohn bezieht – eine sinnvollere Investition als die Riesterrente. Bei diesem Beispiel möchte ich es bewenden lassen, um deutlich zu machen, was diese Wahl eigentlich bedeutet, für diejenigen, die auf eine Vertretung angewiesen sind, die es mit der sozialen Gerechtigkeit ernst meinen.

Zur Zusammenarbeit auf Landesebene haben wir klare Vorstellungen. Aufgrund dieser klaren Vorstellungen werden wir unsere Antworten geben. Wir sind die Partei, die klar gegen Privatisierungen steht – nach all den Privatisierungen, die in den letzten Jahren in den verschiedenen Ländern durchgeführt worden sind. Wir haben jetzt gesehen, dass auch die von uns mitgetragene Initiative in Leipzig ein großer Erfolg wurde, indem die Bevölkerung sich dort gegen den Verkauf der Stadtwerke gewendet hat. Wir sind die Partei, die das Schulsystem der Ausgrenzung überwinden will, also Gemeinschaftsschule. Wir sind die Partei, die ein gebührenfreies Studium möchte. Wir sind die Partei, die dafür eintritt, die Preisbildung bei Strom und Gas Zug um Zug durch den Ausbau von Eigenerzeugung wieder in die Regie der Städte und Gemeinden zu geben. Wir sind die Partei, die sichere Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst will. Also Schluss mit dem ständigen Abbau von Personal, auch von Personal der Sicherheit – Polizeistellen, Richterstellen, Staatsanwaltsstellen –, was wir in Hessen gesehen haben. Wir können im Detail noch über Vergaberegeln der öffentlichen Hand reden, die Mindestlohnvoraussetzungen haben usw.

Abschließend noch: Wenn gefragt wird, wie das nun in Hessen weitergehen wird. Auf dieser Grundlage sind wir zu einer Zusammenarbeit bereit. Darüber haben wir uns verständigt. Ich muss mich allerdings wundern, dass die Spitzenkandidatin der SPD noch in der Wahlnacht erklärt hat, dass sie alle ihre Wahlversprechen nicht ernst nimmt, denn die Aussage, sie möchte mit der FDP eine Regierung bilden, heißt, dass sie Abschied vom Mindestlohn nimmt, von Gemeinschaftsschulen, von einer Energieversorgung ohne Atomkraft usw. Das ist schon ein ziemlich einmaliger Vorgang, auf den ich Sie aufmerksam machen möchte.

DIE LINKE steht zu den politischen Inhalten, die sie im Wahlkampf vertreten hat und wird auf der Grundlage dieser politischen Inhalte weiter erfolgreich ihren Weg gehen.


Tina Flauger: Ich kann einleitend sagen, dass ich persönlich das Ergebnis in dieser Höhe für Niedersachsen nicht erwartet habe. Ich habe im Vorfeld der Wahl auf 5,7 % oder 5,8 % getippt und war von der Höhe des Ergebnisses überrascht.

Ich glaube, dass wir für unsere Wahlaussagen und inhaltlichen Ziele gewählt worden sind. Das ist meine feste Überzeugung. Die Menschen wissen, dass alle anderen Parteien, auch wenn sie sagen, wir sind sozial, für Hartz IV- und Agenda 2010-Politik stehen. DIE LINKE steht glaubwürdig für eine Politik gegen Armut und für die Menschen – für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die Arbeitslosen, für die kleinen und mittleren Betriebe. Deswegen haben uns die Menschen in Niedersachsen gewählt. Wir stehen glaubhaft für gerechte Bildungspolitik und nicht dafür, dass nur Kinder reicher Eltern sich Bildung leisten können.

Es rächt sich dann irgendwann, wenn andere Parteien zwar meinen, sie können auf ihre Wahlkampfplakate immer mehr Ziele der LINKEN einfach kopieren. Das freut uns übrigens natürlich, wenn sie unsere Ziele auf ihre Wahlplakate drucken. Es rächt sich dann einfach irgendwann, wenn sich die wahre Politik deutlich von dem unterscheidet, was man verspricht. Das hat sich jetzt gezeigt, insbesondere in Niedersachsen, wo wir ein sehr gutes Ergebnis haben, das uns – glaube ich – keiner zugetraut hat. Ich vermute das auch von Ihnen allen, dass Sie das so nicht erwartet haben.

Ich danke unseren Wählerinnen und Wählern. Ich danke vor allen Dingen auch unseren Wahlkämpfern, und ich danke auch unserer Bundesebene für die Unterstützung, die sie uns da gegeben hat – auch den Wahlkämpfern aus anderen Ländern, die uns sehr geholfen haben. Wir werden – das habe ich gestern schon versprochen, und ich wiederhole das hier – dafür sorgen, dass im Landtag in Niedersachsen Leben einkehrt. Wir werden ganz bestimmt dafür sorgen, dass alle anderen Parteien immer wieder dazu gezwungen werden, Stellung zu beziehen, ob sie wirklich einen Mindestlohn wollen, ob sie wirklich für ein gerechtes Bildungssystem sind. Solche Anträge werden wir einbringen, mit denen wir sie festnageln. Ich freue mich auf diese Arbeit mit einem tollen Team. Danke.


Willi van Ooyen: Wir haben es in der letzten Nacht etwas spannender gemacht – selbst für uns. Es war ein relativ polarisierter Wahlkampf in der Schlussphase, vor allem seit der Medienbetrachtung, dass man Koch oder Ypsilanti sozusagen gegeneinandergestellt hat. Das war medial natürlich schwierig, in dieser Phase sehr stark inhaltliche politische Positionen herüberzubringen. Dennoch ist es uns gelungen. Ich denke, dass wir die inhaltlichen Fragen, die hier schon angeschnitten worden sind, gut vorgetragen und eingebracht haben. Aber es gab vor allen Dingen die Auseinandersetzung um die Politik von Roland Koch. Sein persönliches Auftreten in diesem Wahlkampf hat dazu geführt, dass eine Polarisierung stattgefunden hat. Das Signal der Wahl ist, dass mit Rassismus kein Wahlkampf gewonnen werden kann. Es war ein deutliches Signal in der hessischen Politik, dass es eine Mehrheit gegen Roland Koch gibt. Diese ist von uns auch erwartet worden. Alle wussten: Nur, wenn DIE LINKE in den Landtag einzieht, dann gibt es diese parlamentarische Mehrheit gegen Roland Koch. Das haben wir geschafft.

Der zweite Punkt, den ich auch durchaus erwähnen will, ist, dass in der Schlussphase der Kampagne von Roland Koch es die Kampagne des Antikommunismus gegeben hat. Auch das hat nicht verfangen. Ich glaube, die Menschen sind klardenkend und gegen Denkverbote und wollen offen und inhaltlich über ihre Perspektiven diskutieren. Die Menschen, die uns gewählt haben, haben das getan, weil sie die politischen Ziele, für die DIE LINKE angetreten ist, wirklich realisieren wollen.

Wir haben gesagt: Unser erstes Ziel ist es, in den Landtag einzuziehen. Das haben wir geschafft. Unser zweites Ziel war und bleibt die Abwahl von Roland Koch. Dazu sind wir natürlich nicht alleine in der Lage. Deshalb geht es darum, wie sich die SPD, wie sich Andrea Ypsilanti in dieser Frage verhält, ob sie bereit ist, die Kandidatur anzunehmen und tatsächlich für eine andere linke Mehrheit in Hessen zu stehen oder ob sie in Kooperation mit FDP oder CDU dann alle ihre Wahlkampfinhalte für obsolet erklärt. Das wäre die Konsequenz daraus.

Wir gehen davon aus, dass es uns gelingt, mit Gewerkschaften und sozialen Initiativen den Druck zu erhöhen, so dass die politischen Ziele, für die wir angetreten sind, jetzt auch inhaltlich eine Chance haben, durchgesetzt zu werden. Jedenfalls ist das unsere Absicht. So spannend wie der gestrige Abend war, so spannend hoffen wir die nächsten 5 Jahre Politik machen zu können. Die Journalisten werden sich freuen, dass nicht in Hinterzimmern alles abgesprochen wird, sondern tatsächlich die öffentliche Auseinandersetzung zu jedem Thema beginnt und damit im Grunde genommen die Frage ansteht: Welche Politik wird in Hessen gemacht? Was setzt sich durch? Wir werden aktiv innerhalb und außerhalb des Parlaments für diese Ziele weiter streiten. Danke.