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Klaus Ernst

Meilenstein für weitere Debatte

Statement des Vorsitzenden der Partei DIE LINKE, Klaus Ernst, auf der Pressekonferenz nach der Sitzung des Parteivorstandes:

Einen schönen guten Tag meine sehr verehrten Damen und Herren,
vier Themen werde ich heute ansprechen. Erstens werde ich über die Parteivorstandssitzung und über den Entwurf unseres Parteiprogramms berichten. Zweitens werde ich zur aktuellen Debatte um Steuersenkungen Stellung nehmen. Drittens werde ich ein paar Bemerkungen zur Griechenlandproblematik und zur Euro-Krise machen und will mich zum Schluss über die Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien äußern.

Erstens: Zu unserem Programmentwurf. Wir haben uns am Sonntag mit überwältigender Mehrheit für den Entwurf eines neuen Grundsatzprogrammes verständigt. 37 Mitglieder unseres Parteivorstandes haben mit Ja gestimmt, zwei mit Nein und es gab eine Enthaltung. Das ist für uns ein wichtiges Zeichen der Geschlossenheit unseres Parteivorstandes und ein wichtiger Meilenstein in der Programmdebatte.

Wir werden diesen Programmentwurf am 11. Juli 2011 öffentlich vorstellen. Wir werden den Entwurf des Parteivorstandes in der Partei weiter diskutieren und bis zum 8. Oktober 2011 kann es Änderungsvorschläge aus der Basis unserer Partei geben. Es wird dann noch einmal eine abschließende Beratung des Parteivorstandes geben und auf dem Parteitag vom 21. bis 23. Oktober 2011 werden wir unser Grundsatzprogramm beschließen.

Danach – so haben wir es angekündigt, und so hat es auch unsere Parteibasis bereits in einem Mitgliederentscheid festgelegt – werden wir in einem Mitgliederentscheid bis zum Dezember die Basis unserer Partei um Zustimmung zu diesem Programm bitten. Am 18. Dezember 2011 wollen wir dieses Ergebnis verkünden. Das heißt, bis zum 18. Dezember 2011 wird unser Parteiprogramm stehen.

Die ganze Programmdebatte war von kontroversen Diskussionen begleitet – auch medial. Die Debatte im Parteivorstand war äußerst konstruktiv. Sie war von dem Willen geprägt, die Handlungsfähigkeit des Vorstandes deutlich zu machen und genau das ist uns auch gelungen. Es war ein Wille zum Kompromiss bei allen Beteiligten zu sehen, bei allen verschiedenen Strömungen. Sie wissen, unsere Partei ist auch im Vorstand sehr heterogen zusammengesetzt. Die Debatte war vom Willen geprägt, gemeinsam einen solchen Entwurf vorzulegen.

Die Sitzung zeigt aber auch, dass das, was teilweise medial berichtet wird über die Zerrissenheit der LINKEN immer dann nicht eintritt, wenn es konkret wird und wenn es zu Beschlüssen kommt. Es ist nicht das erste Mal: auch im Vorfeld von Parteitagen gab es oft eine heftigere mediale Debatte als sie in der Praxis festzustellen war. Letztendlich dann haben wir hinsichtlich der Mehrheitsentscheidungen immer sehr klare, deutliche Beschlüsse fassen können.

Ich kann heute keine detaillierte Vorstellung des Programmentwurfs machen, das machen wir dann auf der Pressekonferenz am 11. Juli, wenn es um die Vorstellung des Programms geht. Aber einige grundsätzliche Bemerkungen heute schon an dieser Stelle:

Die Grundidee, die sich durch dieses Programm zieht, ist der sozial-ökologische Wandel. Dahinter steckt die Idee, Ökologie und soziale Gerechtigkeit miteinander zu verbinden. Unser Ansatz als LINKE ist immer auch, die Frage der sozialen Gerechtigkeit bei den ökologischen Veränderungen zu berücksichtigen. Wir wollen uns, das wird im Programmentwurf deutlich, als Interessenvertretung der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger präsentieren. Wichtig sind für uns deren Interessenlagen, ausgehend von ihrer konkreten Lebenslage als abhängig Beschäftigte, als Rentnerinnen und Rentner, als Schüler und Studenten, meistens in einer Situation, dass sie von ihrer eigenen Arbeit leben müssen und nicht von ihrem Vermögen. Das zieht sich durch diesen Programmentwurf durch und deshalb verstehen wir uns als Interessenvertretung der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger.

Alle anderen Parteien haben mehr Angst vor einer Bankenpleite als vor einer Million Erwerbsloser. Wir wollen. Wir wollen die Interessen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger zur Geltung bringen. Wir stehen für gute Arbeit, für einen geregelten Arbeitsmarkt. Das bedeutet, dass wir die Fragen der Leiharbeit, der Befristung, dass die Menschen wieder von ihrer Arbeit vernünftig leben können, auch ins Zentrum unseres Parteiprogramms stellen wollen.

Dieses Grundsatzprogramm ist für uns auch ein wichtiger Meilenstein für die weitere Parteibildung, weil es Gelegenheit gibt, über die Inhalte zu reden. Wenn wir über Inhalte reden, führt das in der LINKEN immer dazu, dass man sich letztendlich einigt. Wir sehen deshalb dieses Programm auch als Prozess der Einigung, der weiteren Parteibildung. Ich möchte mich an der Stelle noch einmal ausdrücklich bei Allen, die mitgewirkt haben, bedanken. Ich möchte mich auch Vertreter/innen von allen unterschiedlichen Strömungen bedanken, die bei dieser schwierigen Frage ihren Beitrag geleistet haben.

Ein weiterer wichtiger Beschluss ist in der Sitzung des Parteivorstandes gefasst worden: wann wir unseren Wahlparteitag 2012 durchführen werden. Er wird am 2. und 3. Juni 2012 in Göttingen sein.

Zum zweiten Thema Steuern: Meine Damen und Herren, wir haben bereits in der letzten Legislaturperiode klar und deutlich gesagt, dass wir den Mittelstandsbauch, also die überproportionale Belastung mittlerer Einkommen, aus dem Steuertarif streichen wollen. Wir wollen den Mittelstandsbauch abschaffen. In der letzten Legislatur waren wir die einzigen, die das gefordert haben. Alle anderen haben diese Forderung abgelehnt. Es freut uns, dass inzwischen auch in dieser Frage andere bei uns abschreiben. Das ist in der Frage auch durchaus gewünscht und erlaubt.

Wir sind auch weiterhin dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere die mit kleineren und mittleren Einkommen, entlastet werden. Allerdings werden wir diese Entlastung nicht zu Lasten des Staatshaushaltes durchführen, sondern bei den Staatseinnahmen letztendlich umschichten. Was heißt das konkret? Wir sind dafür, dass wir den steuerlichen Grundfreibetrag auf 9.300 Euro erhöhen. Wir sind dafür, dass wir den Mittelstandsbauch abschaffen, also einen linearen Steuertarif bekommen. Wir wollen gleichzeitig den Spitzensteuersatz anheben, so dass der Staat nicht auf Steuereinnahmen in einer Größenordnung vernichten müsste, die letztendlich dann durch Leistungskürzungen wieder zu Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger an anderen Stellen führen.

Im Ergebnis unseres Vorschlages ist klar: Jeder, der unter 6.000 Euro brutto im Monat verdient, wird entlastet. Jeder, der über 6.000 Euro im Monat verdient, wird belastet. Das bedeutet im Übrigen auch, dass Bundestagsabgeordnete etwas mehr zahlen müssten. Ich glaube, das ist in dieser Gehaltsgruppe auch möglich. Wir wollen insgesamt nicht den Staatshaushalt belasten, sondern wollen bei den Einnahmen umschichten zu Gunsten kleinerer und mittlerer Einkommen.

Die Bundesregierung macht eine andere Politik. Die Bundesregierung watet, wenn man so will, knietief im Dispo. Obwohl das letzte Auto noch nicht abbezahlt ist, werden schon die Einnahmen der Zukunft verjubelt. Das ist die Politik der Bundesregierung. Da machen wir nicht mit. Jede schwäbische Hausfrau und jeder schwäbische Hausmann würde sich die Haare raufen bei einer solchen Politik. Das ist aus unserer Sicht verantwortungslos. Deutschland, insbesondere die Bundesregierung kritisiert mit Vorliebe die Athener Regierung mit ihrer Haushaltspolitik. So wie es die Bundesregierung macht, ist genauso wie man es nicht machen darf. Man kann nicht die Einnahmen schon verjubeln, bevor sie überhaupt da sind. Und man müsste vor allen Dingen zur Sanierung der Staatshaushalte entsprechend unseres Vorschlags verfahren.

Was den Griechen zugemutet wird, meine Damen und Herren, das wird über kurz oder lang auch uns zugemutet werden. Mit anderen Worten: Wer den Griechen zumutet, dass die Löhne gesenkt werden, dass die Renten gekürzt werden, das Gesundheitssystem geschliffen wird, der wird das auch bei uns auf die Tagesordnung setzen. Wer das Tafelsilber verschleudern will, was bei uns schwierig ist, weil wir nicht mehr so viel haben - , wer Lehrer abbauen will und gleichzeitig über Bildungsnotwendigkeiten spricht, wer all das für die Griechen verordnet, der wird das irgendwann auch in der Bundesrepublik zum Thema machen. Das ist unsere Befürchtung.

Deshalb sagen wir: Das neue Milliardenpaket für Griechenland ist ein Rettungsring aus Blei. Griechenland wird vor die Wahl gestellt, ob es sich von den Zinsforderungen der Banken oder von den Sparkommissaren der Euro-Zone abwürgen lässt. Für die Bürgerinnen und Bürger ist es so oder so dramatisch. Entscheidender Schönheitsfehler: es handelt sich um einen Deal zu Lasten der Steuerzahler. Eine Beteiligung der privaten Gläubiger, die dringend notwendig wäre, um ein wenig die Lasten gerecht zu verteilen und das Verursacherprinzip zu berücksichtigen, steht immer noch in den Sternen. Die bisher genannten Größenordnungen sind eher mikroskopisch und das mit der Freiwilligkeit, meine Damen und Herren, das haben wir schon öfter erlebt, was im Ergebnis bei solchen Regelungen rauskommt.

Im Ergebnis verbrennt das Geld der Steuerzahler und die Banken dürfen weiter ihr Unheil anrichten und mit Wucherzinsen den Staaten die Luft zum Atmen nehmen, wie wir das bei Griechenland sehr deutlich sehen. Im Übrigen auch mit dem Ergebnis, dass die Wirtschaft abgewürgt wird. Wie bei der Finanzkrise zahlen die kleinen Leute für Dinge, die sie selbst nicht beeinflussen konnten und auch nicht verursacht haben. Die Euro-Krise wird sich nach unserer Ansicht weiter verschärfen, solange der Mut fehlt, die wirklich Verantwortlichen zur Verantwortung zu ziehen. Das sind die Banken, das sind die Hedge-Fonds, das sind die Versicherungen, das sind die Spekulanten, das ist die Finanzmafia. Wir sagen, das Spielcasino der Finanzhaie muss geschlossen werden. Wir brauchen ein neues System der Staatsfinanzierung.

Als ersten Punkt eine geordnete Entschuldung der Euro-Krisen-Staaten unter Einbindung der Banken und privater Gläubiger. Wir brauchen zweitens die Gründung einer europäischen Bank für öffentliche Anleihen, so dass sich die öffentlichen Haushalte mit billigeren Krediten versorgen könnten, ohne dass sie sich permanent über die Banken Geld besorgen müssen. Wir brauchen drittens die Einführung einer europaweiten Vermögensabgabe und einer Zinswuchersteuer. Diese Zinswuchersteuer könnte z.B. dazu führen, dass ab einer bestimmten Größenordnung eines Zinssatzes, der Betrag über einen bestimmten Satz wegsteuert wird. Das wäre eine Möglichkeit, um das einzudämmen.

Und als vierten Punkt möchte ich noch einmal darauf zu sprechen kommen: Wir werden diese Verwerfungen im Euro-Raum nicht hinkriegen, wenn wir nicht zu ausgeglichenen Handelsbilanzen in Europa kommen. Es kann nicht sein, dass ein Land seine Exportüberschüsse steigert, das die anderen das aber nicht finanzieren können, weil man ihnen im Gegenzug nichts abkauft oder Transferzahlungen z.B. über Urlaub o.ä. möglich macht. Wir brauchen also ausgeglichene Handelsbilanzen in Europa. Ich verweise auch noch einmal auf das Stabilitätsgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das nach wie vor gültig ist und in dem es heißt, dass ein Ziel staatlicher Wirtschaftspolitik ausgeglichene Außenhandelsbeziehungen sind. Das tritt diese Bundesregierung mit Füßen, sie erwähnt es nicht einmal und erkennt es nicht. Das ist das Dramatische: wenn sie es nicht erkennt, ist sie nicht in der Lage, die Fehler zu beseitigen. Und deshalb wird sich diese Euro-Krise natürlich auch verschärfen.

Ich möchte zu diesem Punkt noch einmal ein paar Erläuterungen geben. Wir haben zurzeit Steuereinahmen von insgesamt 529,3 Mrd. Euro. Die gesamte Last, das bezieht sich auf 2010, für die Rendite sind 63,2 Mrd. Euro. Das bedeutet, von jedem Euro der Steuerzahler gehen inzwischen 12 Cent an die Banken für Zinsen. Das ist ein Zustand, der ist auf Dauer nicht tragbar. Bei anderen Ländern handelt es sich um Größenordnungen, die nicht akzeptabel ist. Deswegen sagen wir: Die Staaten müssen sich von den Banken emanzipieren. Wenn das nicht passiert, wird dieser Euroraum in Verwerfungen geraten, von denen wir gegenwärtig nur den Anfang erleben. Selbstverständlich müssen wir bei diesem Vorschlag zur Einführung einer Strafsteuer für Wucherzinsen, über Freibeträge bei Kleinsparer usw. nachdenken.

Zum letzten Thema meines Statements: dem Panzerdeal mit Saudi-Arabien. 200 Leopard-Panzer sollen an das Regime in Saudi-Arabien genehmigt werden. Das ist empörend und steht im krassen Gegensatz zum sonstigen Verhalten des Außenministers, der sich in Kairo von Aufständischen feiern ließ. Ich möchte daran erinnern, dass Saudi-Arabien zu den Ländern mit den schlimmsten Menschenrechtsverletzungen der Region gehört. Saudi-arabische Truppen waren es, die den Aufstand in Bahrein niedergeschlagen haben und zwar mit aller Brutalität. Man kann sagen, die tödlichsten Panzer für die schlimmsten Unterdrücker. So ist offensichtlich die Devise der Bundesregierung in dieser Frage.

Wir werden alles tun, um diesen Deal zu stoppen. Wir werden uns im Bundestag in dieser Woche damit beschäftigen. Deshalb noch ein Wort in diesem Zusammenhang zu den Grünen, die sich jetzt wortreich empören. Ich habe den Eindruck, sie empören sich immer dann, wenn sie selbst nicht regieren. Wenn sie selbst regieren, machen sie mit. Ich erinnere daran, eine der letzten Amtshandlungen der Regierung Schröder im Jahre 2005 war die Genehmigung des Exports von 1.000 Panzern in die Türkei. Bei den Grünen ist es offensichtlich so, dass man das Fähnchen nach dem Wind hängt.

Das ganze Statement als Video auf Youtube.