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Judith Benda und Thomas Kachel

Make Peace Great Again: Proteste gegen den NATO-Gipfel in Brüssel

Kurzbericht von Demo und Gegengipfel am 7. und 8. Juli 2018

Immerhin mehr als 2000 Aktivistinnen und Aktivisten haben am Sonnabend (7. Juli 2018) in den Straßen von Brüssel ein lautes unüberhörbares Zeichen gegen den weiteren Aufrüstungskurs der Trumpschen US-Administration und der NATO gesetzt. Belgische Friedens,-, Umwelt-, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen, sowie Gewerkschaften und das internationale Netzwerk "No to war- No to NATO" hatten dazu aufgerufen, gemeinsam vor dem anstehenden NATO-Gipfel am 11. und 12. Juli in Brüssel vor der Hochrüstungs- und Expansionspolitik des westlichen Staatenbündnisses in Europa zu warnen. Auch eine Delegation der LINKEn, ihrer Bundestagsfraktion und Mitglieder im Vorstand der Europäischen LINKEN nahm an derDemonstration unter dem Motto "Make Peace Great Again - Trump not welcome" teil.

Ludo de Brabander vom belgischen Friedensbündnis VREDE und Mitglied des Koordinierungskreises des Netzwerkes "No to war - No to NATO" rief zu Beginn der Demonstration zur Bündelung zivilgesellschaftlichen Formen und Organisationen des Protests auf. Er erklärte: "Die NATO will die Militärausgaben auf 2% des BIP für jeden Mitgliedsstaat erhöhen. Für Europa reden wir hier über 100 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr. Das ist Wahnsinn. Wir brauchen das Geld um Armut zu bekämpfen, für soziale und umweltschützende Investitionen". Auf vielen Transparenten wurde die Politik Trumps kritisiert, insbesondere seine Migrationspolitik und seine Kriegsvorbereitungen gegen den Iran. Es wurde auch ein klares Signal gegen die verschärfte EU-Militarisierung gesendet.

Am Sonntag (8. Juli 2018) fand der internationale Gegengipfel des Netzwerkes "No to war - No to NATO" und von Organisationen aus der belgischen Friedensbewegung statt. Die 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus 15 Ländern der NATO und 5 Nichtmitgliedsstaaten. In Plenarvorträgen, Workshops und Podiumsdiskussionen diskutieren internationale Aktivistinnen und Aktivisten die verschiedenen Gefahren, die von der fortgesetzten Konfrontationspolitik der NATO ausgehen, aber auch hoffnungsvolle Aspekte der friedenspolitischen Entwicklung. Joseph Gerson von der US-amerikanischen Friedensbewegung wies auf die neuen Bestrebungen im Rahmen des sog. Mittelmeer-Dialogs hin, Länder in jener Region in die Planungen der NATO einzubinden. Sogar in Südamerika werde nun nach Alliierten gesucht. Arielle Denis von der Anti-Atomwaffenbewegung ICAN legte in ihrer Präsentation dar, dass in Umfragen Mehrheiten der Bevölkerung in allen europäischen Staaten den Besitz und die Stationierung von Atomwaffen ablehnten. In Deutschland sind, nach dieser aktuellen, von ICAN beauftragten Umfrage des Instituts YouGov sogar 78 Prozent der Menschen gegen die weitere Stationierung von US-Atomwaffen auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Die Europaabgeordnete der LINKEN, Sabine Lösing, erläuterte den neuen Schub in der militärischen Zusammenarbeit zwischen NATO und EU, und Boris Kagarlitzki, Direktor des Instituts für Erforschung der Globalisierung und soziale Bewegungen in Moskau, illustrierte in seinem Vortrag, wie die Dynamik der Gegnerschaft zwischen NATO und Russland wechselseitig die weitere Militarisierung des Denkens auf beiden Seiten vorantreibt.

In den danach folgenden Workshops wurde zu verschiedenen Themen diskutiert sowie sich über anstehende Aktionen und Kampagnen ausgetauscht. Sadet Karabulut, die außenpolitische Sprecherin der Sozialistischen Partei der Niederlande im dortigen Parlament, erläuterte die Ablehnung ihrer Partei hinsichtlich der NATO-Politik und sprach sich klar gegen die weitere Entsendungen niederländischer Truppen nach Afghanistan, sowie an die russische Westgrenze aus. In seinem Beitrag ging Tobias Pflüger, stellvertretender Vorsitzender der LINKEN und verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, auf den Ausbau der EU hin zu einer Militärunion ein und bekräftigte die Forderung nach einer Revision der EU-Grundlagenverträge, welche Neoliberalismus und Militarisierung in der EU-Politik fest verankere. Maria Plieva aus Südossetien machte mit ihrem Beitrag auf die doppelten Standards aufmerksam, welche die NATO an die Fragen von Selbstbestimmung bzw. staatlicher Souveränität anlegte: Während im Kosovo-Krieg die Frage der Selbstbestimmung im Zentrum der Propaganda der Allianz gestanden habe, wurde und werde im Falle Südossetiens, wie auch der Ukraine, in der Argumentation einseitig nur auf die Souveränität der Staaten Bezug genommen - so wie es den Interessen der NATO-Staaten gerade passe, schlussfolgerte sie.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gegengipfels zeigten sich besorgt über die zunehmenden Konfrontation und Kriege in der Welt und waren sich einig im Kampf für eine Politik der gemeinsamen Sicherheit, besonders auch mit Russland.

Einhellig lehnten die Anwesenden des Gegengipfels die massive Aufrüstung, die von den NATO-Staaten ausgeht, ab. Gefordert wurde eine umfassende Abrüstung zugunsten sozialer und Umweltinvestitionen, für Bildung und zur Überwindung von Armut und Hunger. Heftig kritisiert wurden die aktuellen Entwicklungen in der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wie die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO), der Europäische Verteidigungsfonds sowie die EU-Friedensfazilität, das Projekt der Militärischen Mobilität und auch die Migrationsabwehr, inklusive einer drastischen Aufstockung an Grenzschutzbeamten. Nicht zuletzt wurden die Abschaffung aller Atomwaffen, eine noch breitere Unterstützung für den ban treaty, das Verbot von täglich tötenden Rüstungsexporten sowie eine internationale Anti-Drohnen Konvention als weitere Aufgabe ausgerufen.

Die NATO wurde trotz aller inneren Widersprüche als stärkstes Militärbündnis der Welt ausgemacht, welches nicht nur Europa und Nordamerika umfasst, sondern plant, sich über Staaten der ganzen Welt auszudehnen. Die Auflösung der NATO bleibt weiterhin ein Ziel der Friedensarbeit.

 Das internationale Netzwerk wird gemeinsam mit vielen anderen Friedenskräfte den 70. Jahrestag der NATO-Gründung im April 2019 mit vielen Aktionen vorbereiten.