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Bernd Riexinger

Linke Positionen in der Gesellschaft mehrheitsfähig machen

Rede von Bernd Riexinger zum Jahresauftakt der Europäischen Linkspartei im Berliner Kino "Kosmos"

Es gilt das gesprochene Wort!

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde und Freundinnen, die Linke in Europa steht zu Beginn des Jahres 2016 vor gewaltigen Herausforderungen. Die Wahlerfolge der Linken im letzten Jahr in Griechenland, in Portugal und Spanien werden überschattet von dem hochgefährlichen Erstarken rechter, rechtspopulistischer und nationalistischer Kräfte und Parteien in ganz Europa. Auch in Deutschland erleben wir derzeit die Herausbildung einer rechtspopulistischen Partei, die in hohem Maße rassistische und Hetze betreibt.

Es ist nicht die Linke, die den Nährboden für diese Parteien und Bewegungen bereitet hat. Es waren und sind die bürgerlich konservativen Parteien und leider auch die Sozialdemokratie. Ihre Politik hat in ganz Europa den sozialen Zusammenhalt zerstört und in hohem Maße soziale Verunsicherung, Zukunftsängste und Politikverdrossenheit verursacht.

Es ist aber eine zentrale Aufgabe der gesamten europäischen Linken rechte, rechtspopulistische oder gar faschistische Politik zu bekämpfen und linke Alternativen stark zu machen. Denn eines ist klar: Je schwächer die linke, umso leichter haben es die Rechten. Wo die Linke stark ist und ihre gesellschaftliche Bedeutung wächst, ist die Rechte schwächer.

Die Rechte versucht die vor allem die MigrantenInnen und Flüchtlinge für die Misere verantwortlich zu machen. Die Rechtspopulisten werden erst recht hoffähig gemacht, wenn Seehofer und andere in die gleiche Richtung hetzen. Pegida und co. Können doch abhacken, welche ihrer Forderungen die große Koalition schon erfüllt hat. Besonders perfide ist, wenn Seehofer die Flüchtlinge gegen Teile der Bevölkerung ausspielt. Wenn er sagt: "wir können doch nicht der hier lebenden Bevölkerung Leistungen kürzen, um mehr Geld für Flüchtlinge zu haben, unterschlägt er dreist, dass die von ihm und der großen Parteienkoalition verantwortete Politik längs gekürzt hat. Rentenkürzung, Hartz IV Sanktionen, Erhöhung der Krankenkassenbeiträge nur für Beschäftigte, Zerschlagung der Sozialsysteme, Deregulierung der Arbeit…….Seehofer macht in doppelter Hinsicht das Geschäft der Rechten. Die Linke muss, klare Kante zeigen, gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus. Menschen in Not muss geholfen werden! Punkt.

Tatsächlich stehen wir vor einer Zäsur, vor einem Richtungskampf über die weitere gesellschaftliche Entwicklung. Der rechte Kulturkampf a la AFD und Pegida hat nur rückwärtsgewandte Antworten und keine Lösung für die sozialen Alltagssorgen der gestressten Erzieherin oder des Krankenpflegers, der Erwerblosen oder des Facharbeiters im Maschinenbau.

Daher wird es höchste Zeit, dass wir in Deutschland und Europa über ganz andere Flüchtlinge reden, nämlich über diejenigen, die seit Jahren die Gesellschaft betrügen und ihre Millionen und Milliarden in die Steueroasen schleppen. Das sind die Steuerflüchtlinge. Wenn wir verhindern wollen, dass sich die Menschen nicht von denen abgrenzen, die noch weiter unten stehen als sie, müssen wir über den unverschämten Reichtum des Kapitals, der Reichen und Superreichen reden. Wenn wir verhindern wollen, dass die Armen die Kosten für die Integration bezahlen müssen wir offensiver verlangen, dass endlich die Reichen zur Kasse gebeten werden!

Denn wir brauchen bezahlbare Wohnungen für alle, mehr Personal in Bildung, Pflege und Erziehung, einen Ausbau der öffentlichen Infrastruktur. Für höhere Löhne und gegen prekäre Arbeit, für armutsfeste Renten, die den Lebensstandard sichern, für soziale Sicherheit statt Existenzangst. Das sind die entscheidenden Kampffelder für die Linke und auch für die Gewerkschaften in diesem Land.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir müssen aber auch über die Fluchtursachen reden. Die wichtigsten sind Krieg, Armut und Verfolgung. Wer Waffen exportiert und sich an Kriegen beteiligt ist verantwortlich für Flucht und Vertreibung. Deshalb bin ich stolz darauf, dass die Fraktion der Linken im Bundestag als einzige geschlossen gegen den Militäreinsatz in Syrien gestimmt hat. Der Terrorismus lässt sich nicht mit Bombenhagel auf Bevölkerung besiegen! Im Gegenteil: Mit den Kriegen der letzten Jahrzehnte wurde der Terrorismus geradezu gezüchtet. Mit der Linken sind keine Militäreinsätze der Bundeswehr zu machen und ich halte es für eine zentrale Aufgabe der EL gegen Krieg, gegen Waffenexporte und gegen die Militarisierung der europäischen Außenpolitik zu kämpfen. Als Linke wollen wir unseren Beitrag dazu leisten, die Kräfte für den Frieden und gegen den Kriegseinsatz in Syrien, gegen Rüstungsexporte, für eine humane Flüchtlingspolitik und eine gerechte Weltwirtschaft statt TTIP zu stärken und zu bündeln! Deshalb laden wir alle ein zu unserer Friedenskonferenz am 18. März in Berlin!

Klima-, Ressourcenkriege, Stellvertreterkriege um Einflusssphären wie in der Ukraine oder in Syrien, neoliberaler Freihandel , wachsende Armut und die größten Fluchtbewegungen seit dem zweiten Weltkrieg haben einen inneren Zusammenhang: einen neoliberalen Finanzmarktkapitalismus, der in die Welt in immer neue Krisen stürzt. Die neoliberale Politik kann diese Probleme nicht lösen, sondern nur verschieben.

Linke Politik muss daher immer auch grundlegende Alternativen anbieten und für ihre Durchsetzung kämpfen. Wir brauchen ein linkes Projekt, das Ausstiege aus dem neoliberalen Kapitalismus durchsetzt. In diesem Sinne müssen wir die Machtfrage stellen.

Wenn jetzt Simone Peter eine rot-rot-grüne Regierungsperspektive fordert und die Ausschließeritis der SPD kritisiert - dann kann ich das nur begrüßen und sage: wir waren und sind immer bereit über ein wirkliches Reformprojekt zu sprechen. Aber eines ist doch auch klar: Für uns als LINKE geht es um einen wirklichen Politikwechsel, der mehr ist als ein Regierungswechsel. Ob bei der Erpressung Griechenlands und einer Krisenpolitik, die Europa an den Abgrund führt, ob bei der Vorratsdatenspeicherung, beim TTIP oder bei der Besteuerung reicher Erben: Bei fast allen wichtigen Politikfeldern bewegen sich SPD, Grüne und Linke eher auseinander als aufeinander zu.

Ein linkes Lager kann sich nur entwickeln, wenn linke Positionen in der Gesellschaft mehrheitsfähig werden. Wir wissen: ein linkes Reformprojekt muss gegen mächtige Interessengruppen, gegen die Lobby der Superreichen, gegen Kapitalverbände und große Teile der politischen Eliten durchgesetzt werden. Das geht nur mit breiter Unterstützung der außerparlamentarischen Organisationen und Bewegungen. Politische Veränderungen haben ihre Vorboten in sozialen Auseinandersetzungen, wie die Streiks der Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsdiensten und anderen Branchen. Wie der Großdemonstration gegen TTIP und den vielen Initiativen gegen steigende Mieten. Eine linke Machtperspektive entsteht auch aus der Verbindung dieser Initiativen und Bewegungen zu einem gesellschaftsverändernden Projekt. Lasst uns zum Motor einer gesellschaftlichen Großen Koalition für einen grundlegenden Politikwechsel in diesem Land und in Europa werden!

Daher arbeiten wir auch 2016 in der Unterstützung von Geflüchteten und von Streiks, wir sind auf der Straße für höhere Löhne und gute Arbeit, für Frieden und für eine gerechte Globalisierung!

Daher kämpfen wir gemeinsam bei den anstehenden Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin für eine starke Linke im Parlament! In diesem Sinne wünsche ich uns allen für das neues Jahr viel Kraft, aber auch Freude am gemeinsamen Handeln.