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Gesine Lötzsch

Katastrophenregierungsstil kommt Steuerzahler teuer zu stehen

Statement der Vorsitzenden der Partei DIE LINKE, Gesine Lötzsch, auf der wöchentlichen Pressekonferenz

Guten Tag, ich möchte mich zu fünf Punkten äußern: erstens zur Euro-Krise, zweitens zur Diskussion über die Frage, wie im Bundestag über den Euro-Rettungsschirm entschieden werden soll, drittens zur Situation bei E.ON und viertens zu Mecklenburg-Vorpommern, wie ist die Situation dort, wie steht es mit den Chancen der LINKEN im Wahlkampf, welche Ziele verfolgen wir dort und fünftens ein kurzer Rückblick auf die Ereignisse vom Wochenende und die Fragen und Diskussionen rund um den 50. Jahrestag der Berliner Mauer.

Zum ersten Punkt: Wir haben in letzter Zeit häufig – und auch heute wieder - die Forderung gehört, Frau Merkel solle doch ihren Urlaub abbrechen, um die Euro-Krise zu lösen. Ich sage ganz klar, auch Frau Merkel hat ein Recht auf Urlaub. Hätte sie ihren Urlaub abgebrochen, hätte sich an der Krise nichts geändert, denn schon vor langer Zeit hat die Bundesregierung das Primat der Politik an Banken und Ratingagenturen übertragen.

Erinnern wir uns an das Jahr 2008. Da hatten wir eine Bankenkrise. Jetzt ist daraus eine Euro-Krise geworden, die nie aufgearbeitet wurde, aus der keine Schlussfolgerungen gezogen wurden. Darum trägt auch die Bundesregierung eine Mitverantwortung dafür, dass aus der Bankenkrise eine Euro-Krise wurde. Spätestens seit der Verabschiedung des 480-Milliarden-Rettungsschirms war klar, dass die Staatskasse in die Geiselhaft der Banken genommen wurde. Die Banken wissen, sie haben die Staatskasse in Geiselhaft, und entsprechend verhalten sie sich, haben wieder große Gewinne und zahlen Boni an ihre Vorstände. Die Retter der Banken, die Steuerzahlerin und der Steuerzahler, werden bestraft. Ich halte diese Situation wirklich für absurd.

Im Augenblick diskutieren viele über Euro-Bonds. Wir als LINKE sind für die Auflage von Euro-Anleihen. Das ist ein Mittel, langfristig aus der Krise herauszukommen. Bereits im Jahr 2009 haben wir in den Diskussionen in Vorbereitung der Bundestagswahlen die Frage nach Euro-Bonds aufgeworfen. Vertreter von anderen Parteien, die jetzt die Euro-Bond-Frage unterstützen, z.B. Vertreter der SPD, namentlich Herr Steinbrück, haben damals Euro-Bonds als großen Quatsch abgewiesen. Jetzt fordern sie sie selbst. Aber das ist natürlich etwas, was wir begrüßen, wenn man aus Schaden klug wird und es dann umgesetzt werden würde. Die Bundeskanzlerin ist allerdings nicht aus Schaden klug geworden. Sie reagiert immer erst auf Katastrophen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. So war es bei Griechenland. So war es bei Fukushima. Aber ein Katastrophenregierungsstil – das ist meine Überzeugung – kommt den Steuerzahlern teuer zu stehen.

Zweitens, die Diskussion zur Frage, wie denn der Bundestag sich bei der Abstimmung über die Diskussion über den Euro-Rettungsschirm verhalten soll: Parlamentspräsident Lammert ist heute in verschiedenen Medien zitiert worden. Er sagt – wenn ich das kurz anführen darf –, das Thema des europäischen Rettungsschirms ist so wichtig, dass der Bundestag es nicht innerhalb weniger Tage mit der notwendigen Sorgfalt beraten und beschließen kann. Ich möchte diese Position von Herrn Lammert ausdrücklich unterstützen. Es kann nicht sein, dass der Bundestag wieder von der Bundesregierung – quasi - überrumpelt wird und durch ein Verfahren getrieben wird.

Ich erinnere an den 480-Milliarden-Euro-Rettungsschirm. Das sind deutlich mehr als ein Bundeshalt, der ungefähr 306 Milliarden umfasst, um das einmal als Vergleichsposition reinzubringen. Wir als LINKE hatten schon damals gefordert, dass der Rettungsschirm auch mit Auflagen für die Finanzindustrie verbunden sein muss. Das ist nicht erfolgt. Übrigens auch die SPD hat das damals nicht so gesehen. Steinbrück, als er noch Finanzminister war, sagte, dass er erst das Haus löschen wolle und dann zur Regulierung der Finanzmärkte ansetzen wolle. Nun ist er nicht mehr Finanzminister. Wir können darüber spekulieren, was er getan hätte. Jedenfalls die Regulierung ist nicht erfolgt. Die Finanztransaktionssteuer wäre das Mindeste gewesen, was man hätte einführen müssen, um sich gegen die Spekulanten zur Wehr zu setzen.

Ich kann noch einmal betonen, dass wir als LINKE gegen ein verkürztes parlamentarisches Verfahren sind, dem augenscheinlich ja einige Fraktionen schon zustimmen wollen. Die Position von Bundestagspräsident Lammert, dass das Parlament Zeit und Ruhe zur Beratung haben muss, um auch die Dinge wirklich zu prüfen und verantwortungsbewusst zu entscheiden, ist unbedingt zu unterstützen. Ich glaube, er findet Unterstützer quer durch alle Fraktionen, auch in seiner eigenen und natürlich auch, wie ich das für DIE LINKE sage, in den Oppositionsfraktionen.

Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Frage der Ankündigung von Massenentlassungen durch den Energiekonzern E.ON: Es ist wirklich dramatisch, dass die Existenz von Menschen aufs Spiel gesetzt wird. An dieser Stelle zeigt sich erneut, wie wichtig die Forderung der LINKEN nach einer Mitarbeiterbeteiligung ist. Dass Menschen, die in den Betrieben arbeiten, auch mitentscheiden können. Hier ist es wieder so, dass die Beschäftigten für einen Managementfehler des Konzerns büßen sollen. Wir kritisieren schon seit langem, dass die Bundesrepublik von den vier großen Energiekonzernen so aufgeteilt ist, als wären diese Energiekonzerne Besatzungsmächte.

Ich finde es wichtig und richtig, dass sich viele dafür einsetzen, dass die Beschäftigten von E.ON nicht büßen müssen. Aber ein kurzer Blick zurück in die Geschichte sei auch erlaubt. Wie ist es denn überhaupt zu diesem Konzern E.ON gekommen? SPD und Grüne haben die Monopolbildung auf dem Strommarkt zugelassen und befördert. Der damalige von der SPD nominierte Wirtschaftsminister Werner Müller hat seinen Staatssekretär Alfred Tacke angewiesen, eine Ministererlaubnis auszusprechen, und zwar hatte das Bundeskatellamt sich gegen die Übernahme der Ruhrgas durch die Nachfolgegesellschaft, des übrigens ehemaligen Arbeitgebers von Minister Müller, der VEBA zur E.ON AG ausgesprochen. Also wer sich jetzt auf die Seite der Beschäftigten stellt, muss natürlich auch die Schlussfolgerungen ziehen. So etwas darf in Zukunft nicht möglich sein. Man muss auch sagen, wer vielleicht was veranlasst hat.

Vierter Punkt, Mecklenburg-Vorpommern: Ich war, wie andere Mitglieder der Partei DIE LINKE, in der vergangenen Woche in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs, um dort die Mitglieder der LINKEN beim Wahlkampf zu unterstützen. Wir haben ja zum einen die Wahlen für das Parlament und zum anderen auch Kommunalwahlen. Die Kommunalwahlen sind besonders dadurch gekennzeichnet, dass mitten in den Wahlkampf hinein noch eine Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes erwartet wird, nämlich ob die Zusammenlegung von Kreisen nun stattfindet oder nicht, so, wie es beschlossen wurde. Das ist mit der doch sehr bemerkenswerten Situation auch verbunden, dass die Kandidaten für die Landratsämter nicht genau wissen, für welche Kreise sie eigentlich kandidieren, weil – wie gesagt – die Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes noch aussteht.

Ich habe in vielen Orten – in Graal-Müritz, in Löcknitz, in Ueckermünde, natürlich auch in Städten wie Greifswald, Rostock und Stralsund – Gespräche geführt. Die wichtigsten Themen, die angesprochen wurden, waren die niedrigen Löhne, die Frage fehlender Arbeitsplätze und insbesondere immer wieder das Thema Leiharbeit, Zeitarbeit. Viele haben gesagt, die Leiharbeit, das ist eine moderne Form von Sklaverei. Dieser Einschätzung kann ich mich nach den vielen Beispielen, die ich dort gehört habe, anschließen. Die Unterfinanzierung der Kommunen war ein Thema und natürlich die Bildung.

Gerade diese Punkte – Arbeit zu vernünftigen Löhnen, Bildung, Finanzierung der Kommunen – sind auch die Schwerpunktthemen der LINKEN im Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern. Sie wissen ja, dass Helmut Holter als Spitzenkandidat auch Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten ist, dass er sehr engagiert kämpft, dass er gerade diese Positionen, die Punkte – Mindestlohn, Beschäftigung, Investition, Finanzierung der Kommunen – in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes gestellt hat. Aber, was ich besonders gut und richtig finde, ist, dass die Mitglieder der LINKEN in Mecklenburg-Vorpommern auch den großen Zusammenhang aufgreifen und aufzeigen: Sie haben am 5. August - einen Tag vor dem Jahrestag des Atombombenabwurfs über Hiroshima - an 70 Orten in Mecklenburg-Vorpommern mit Friedensaktionen deutlich gemacht, dass DIE LINKE keinen Krieg will und dass es eine der wichtigsten Positionen der LINKEN ist, den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu fordern. Ich finde es wichtig, dass eine politische Partei bei Landtagswahlen und Kommunalwahlen genau diese Positionen auch benennt.

Der letzte Punkt: Wir haben ja am Wochenende den 50. Jahrestag des Baus der Berliner Mauer in sehr verschiedenen Veranstaltungen begangen. Ein Vorschlag war die Schweigeminute zum 50. Jahrestag. Ich habe mich daran beteiligt und habe darüber nachgedacht, wie kompliziert es ist, sachlich und differenziert in der Öffentlichkeit über die Berliner Mauer zu sprechen. Ich finde das sehr schade, und ich hoffe, dass es uns gemeinsam gelingen wird, zu sachlichen Diskussionen zu finden.

Klaus Ernst und ich haben eine Presseerklärung zum 50. Jahrestag des Mauerbaus herausgegeben. Sie haben sie wahrscheinlich alle gelesen. An dieser Stelle möchte ich doch zwei Dinge benennen, die mir aufgefallen sind. Ich wurde an vielen Stellen mit Worten zitiert, die ich nie gesagt habe. Ich trage Ihnen deshalb das Ursprungszitat vor: "In diesem Jahr gibt es zwei Jahrestage, die eng miteinander verbunden sind, der 70. Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf die Sowjetunion und der 50. Jahrestag des Mauerbaus. Die Teilung Deutschlands war ein Ergebnis des zweiten Weltkrieges. Für DIE LINKE ist ganz klar, dass wir einen demokratischen Sozialismus ohne Mauern wollen. Eine gerechte Gesellschaft ist nur möglich, wenn die Mehrheit das will. Wir haben aus der Geschichte gelernt." Soweit das Originalzitat.

Besonders bemerkenswert fand ich, dass versucht wurde, eine Meinungsverschiedenheit zwischen Politikern unserer Partei zu konstruieren. Im "Tagesspiegel" – es ist sonst nicht meine Art, dass ich Zeitungen hier nochmal extra zitiere, aber da fiel es mir einfach so deutlich auf – wurde geschrieben, dass sich Berliner Politiker von unserer Erklärung abgegrenzt hätten, und zwar mit folgendem Satz: "Kein Ideal und kein höherer Zweck kann das mit der Mauer verbundene Unrecht, die systematische Einschränkung der Freizügigkeit und die Gefahr für Freiheit sowie an Leib und Leben beim Verlassen des Landes zu wollen, politisch rechtfertigen." Dieser Satz steht in meiner Erklärung. Soviel also zu den Interpretationen, die wir gelesen haben. Ich finde es schon sehr erstaunlich, wenn man sich mit einem Satz, der in der Erklärung, in dem Fall von Klaus Ernst und mir, steht, meint, es so interpretieren zu müssen, dass genau ein Zitat aus unserer Erklärung eine Abgrenzung zu uns wäre. Also ich glaube, diese kleine Reminiszenz zeigt uns doch allen gemeinsam, dass es gut ist, zu lesen, genau zu lesen und auch das aufzuschreiben, was gelesen oder gesagt wurde.

Vielen Dank!