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Michael Schlecht

Gabriel knickt bei TTIP ein

Die Bürger wehren sich gegen die EU-Freihandelsabkommen TTIP mit den USA und Ceta mit Kanada. "Um sie zu beruhigen, präsentiert sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) als Schutzpatron der Bürger: Eine Abschwächung von sozialen Standards und Sonderrechte für Konzerne werde er verhindern. Verpflichten will er sich darauf aber nicht", schrieben wir hier Anfang Oktober und fragten: "Warum wohl?" Nun ist die Antwort da. - Von Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE

Die Bürger wehren sich gegen die EU-Freihandelsabkommen TTIP mit den USA und Ceta mit Kanada. "Um sie zu beruhigen, präsentiert sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) als Schutzpatron der Bürger: Eine Abschwächung von sozialen Standards und Sonderrechte für Konzerne werde er verhindern. Verpflichten will er sich darauf aber nicht", schrieben wir hier Anfang Oktober und fragten: "Warum wohl?" Nun ist die Antwort da.

Hunderttausende von Menschen in Europa fürchten eine Abschwächung von Arbeitnehmerrechten und Konsumentenschutz, sollte das TTIP Wirklichkeit werden. Kritisiert wird vor allem die Einrichtung von Investitions-Schiedsgerichten. Sie gäben Unternehmen die Möglichkeit, Staaten zu verklagen, wenn sie Gesetze erlassen, die die Kapitalrendite schmälern. Derzeit verklagt Vattenfall die Bundesrepublik auf 4,7 Milliarden Euro, weil der Atomausstieg die Einnahmen des Konzerns schmälern wird.

In der Öffentlichkeit hat sich Gabriel zwar gegen derartige Schiedsgerichte ausgesprochen. Doch sie sind gleichzeitig Teil des Ceta-Abkommens mit Kanada, das die EU bereits ausverhandelt hat. Und Ceta gilt als Blaupause für das TTIP-Abkommen mit den USA.

Um die Gemüter zu beruhigen, versicherte Gabriel noch im September: "Es ist völlig klar, dass wir diese Investitions-Schiedsabkommen ablehnen." In Abstimmung mit dem DGB beschloss der SPD-Parteikonvent "Haltelinien" für das Ceta-Abkommen: "Investor-Staats-Schiedsverfahren", heißt es dort, "sind abzulehnen."

Ist das glaubhaft?, fragte sich die LINKE und machte die Probe aufs Exempel. Sie griff die Kernforderungen von SPD und DGB auf und legte sie dem Bundestag am 25. September zur namentlichen Abstimmung vor: Sollte Ceta Investor-Schiedsverfahren vorsehen, müsste das gesamte Abkommen abgelehnt werden. Ergebnis: Der Antrag kam nicht durch, auch die SPD stimmte dagegen. Begründung Gabriels an die LINKE: "Sie fordern uns mit Ihrem Antrag dazu auf, etwas zurückzuweisen - das haben wir schon getan."

Doch inzwischen kriegt Gabriel Feuer vom Koalitionspartner und von der Industrie: Die Wünsche der Wirtschaft müssten ernst genommen werden, mahnte CDU-Fraktionschef Volker Kauder, wobei klar ist, wen Kauder hier unter "Wirtschaft" versteht: die Unternehmer. Auch deren Spitzenverbände BDA, BDI, DIHK und ZDH stellten sich abermals hinter die Freihandelsabkommen.

Und was passiert? Gabriel knickt ein. Es sei nicht mehr möglich, "die Investitionsschutzabkommen komplett aus Ceta herauszubekommen", sagte er. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström versprach, "kleinere Ergänzungen" des Abkommens könnten noch umgesetzt werden. Ein schöner Trost! Wenn Gabriel sich darauf einlässt, dann knickt er auch bei TTIP ein, denn die USA werden niemals einem Abkommen ohne Schiedsgerichte zustimmen, nachdem Kanada sie bekommen hat. Faktisch tritt Gabriel damit eigene Parteibeschlüsse und Vereinbarungen mit dem DGB mit Füssen.

Für DIE LINKE ist die Sache klar: Wenn man die Investoren-Schiedsgerichte aus Ceta "nicht mehr herausbekommt" - kein Problem! Dann muss das Abkommen eben abgelehnt werden und zwar komplett.

Das hat die Bundesregierung aber nicht vor. Sie verhandelt weiter um die "kleineren Ergänzungen". Übrigens: Die Sicherung von Arbeitnehmerrechten, Verbraucherschutz, Arbeitsschutz und umweltpolitischen Standards sei "nicht verhandelbar" - auch diese "Haltelinie" hatte der SPD-Parteikonvent beschlossen. Wer will daran jetzt noch glauben?