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Michael Schlecht

Gabriel für höhere Löhne – aber nur verbal

Von Michael Schlecht, MdB, Wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag und Mitglied des Parteivorstandes

Im jüngsten Jahreswirtschaftsbericht vermittelt Wirtschaftsminister Gabriel den Eindruck, dass er bei Tariflohnerhöhungen auf Mäßigung setze. Es müssten "Produktivität und Lohnhöhe korrespondieren." Von einem Ausgleich der Preissteigerungen, geschweige denn von einer Umverteilungskomponente keine Rede.

Im Wirtschaftsausschuss des Bundestages befragt, korrigierte er sich unter Verweis auf sein Wissen aus früheren Lehrgängen bei der IG Metall. Die Löhne sollten nicht nur entlang von Produktivitäts- und Preisentwicklung steigen, Gabriel bekundete auch Verständnis, dass die Gewerkschaften zusätzlich eine Umverteilungskomponente fordern. Ja noch mehr, er halte "das auch für absolut berechtigt".

Im von Gabriel zu vertretenden Jahreswirtschaftsbericht sollen die Brutto- und auch die Tariflöhne jedoch gerade einmal um 2,7 Prozent ansteigen. In Anbetracht von einem erwarteten Plus bei den Profiten um rund fünf Prozent nimmt sich das bescheiden aus.

Eine zusätzliche Umverteilungskomponente in den Tarifabschlüssen, also eine knackige Lohnerhöhung wäre in der Tat notwendig, denn die Durchschnitts-Einkommen stagnieren seit dem Jahr 2000, während die Profite um mehr als 35 Prozent explodiert sind.

Gabriel versucht sich als Freund der Gewerkschaften darzustellen. Aber was macht er, um ihnen in der Tarifpolitik zu helfen? Soll jetzt Befristung abgebaut werden, denn befristet Beschäftige trauen sich in der Regel nicht zu streiken? Nein! Soll jetzt die Leiharbeit konsequent reguliert werden, denn auch mit Leiharbeitern sind Arbeitskämpfe kaum möglich? Na ja, in homöopathischen Dosen. Sollen die Gewerkschaftsrechte gestärkt, die Tarifflucht konsequent unterbunden werden? Nein, alles Fehlanzeige. Von den vielen Wahlversprechen der SPD ist in der GroKo fast nichts übrig geblieben.

Tritt Minister Gabriel jetzt für die Tarifforderung von ver.di im öffentlichen Dienst mit einem Volumen von sieben Prozent ein? Bislang herrscht dazu von ihm Schweigen. Eigentlich unverständlich, denn Union und SPD haben den Mut für die Diäten der Abgeordneten eine Erhöhung von nahezu zehn Prozent durchzusetzen.

Es hilft letztlich wenig bis nichts, dass Gabriel Verständnis für die Durchsetzung einer Umverteilungskomponente, also knackigen Lohnerhöhungen hat. Es ist wie ein Lippenbekenntnis, wie eine Sonntagsrede, die am Montag folgenlos bleibt.

Kräftige Lohnerhöhungen sind vor allem auch notwendig um die Binnenwirtschaft zu stärken, um die irrwitzige Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft, der Arbeitsplätze und damit des Schicksals von Millionen von Menschen vom Export zurückzufahren.

Die weitere Perspektive des Außenhandels ist extrem unsicher. So wäre es bereits in den letzten beiden Jahren zu einem Einbruch gekommen, da die südeuropäischen Länder aufgrund der Austeritätspolitik für 15 Milliarden Euro weniger in Deutschland eingekauft haben. Dieser Effekt wurde nur verhindert, da die deutsche Wirtschaft ihre Exporte in die Schwellenländer massiv ausweiten konnte. Alleine die Steigerung der Exporte nach China um 15 Milliarden Euro hat den Ausfall in der Eurozone ausgeglichen.

Die wirtschaftliche Entwicklung in den Schwellenländern ist hochgradig unsicher, auch in China; es besteht die Gefahr eines massiven Einbruches.

Es kommt hinzu, dass die Entwicklung in der Eurozone nach wie vor sehr risikohaft ist. Da von deutscher Seite weiterhin ein erheblicher Druck zur Umsetzung einer Austeritätspolitik betrieben wird, drohen auch weitere Absatzeinbrüche aus der Eurozone. Der jüngste Fall ist Frankreich, einer der Haupthandelspartner der deutschen Wirtschaft. Wenn der Nachbar im Westen auch auf Druck der deutschen Politik jetzt eine massive Austeritätspolitik einleitet, wird dies eine weitere Beschneidung der Absatzmärkte für die deutsche Wirtschaft in der Eurozone zur Folge haben.