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Gerhard Trabert

Frauen die Kontrolle über ihre Schwangerschaften geben

Für ein praktisches Recht am eigenen Körper

Wer kein Geld für Verhütungsmittel hat, wird leichter ungewollt schwanger. Frauen mit weniger Geld haben auch weniger Unterstützung bei Schwangerschaft und Entbindung. Und schließlich: Wer wenig Informationen hat, findet sich schwerer durch die Hürden zu einem straffreien Schwangerschaftsabbruch.

Um Frauen die praktische Möglichkeit zu geben, das Recht über ihren eigenen Körper auch praktisch auszuüben, müssen wir beim Thema Abtreibung in Deutschland und Europa mehr über die gesellschaftlichen Begleitfaktoren sprechen, die die Realität der Frauen maßgeblich bestimmen. Wir haben es insbesondere im Kontext von Schwangerschaft mit sich gegenseitig beeinflussenden strukturellen Benachteiligungen von Frauen zu tun, die zusammen eine oft dramatische Schlechterstellung von ökonomisch benachteiligten Frauen und häufigere ungewollte Schwangerschaften zur Folge haben.

Es muss sichergestellt werden, dass in Europa jede Frau praktisch selbstbestimmt über ihren Körper entscheiden kann. Das bedeutet konkret:

 

  • Verhütungsmittel müssen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
  • Jede Schwangere muss unabhängig vom Geldbeutel und Wohnort Zugang zu ausreichender medizinischer Unterstützung in Schwangerschaft und Geburt haben.
  • Frauen, die sich entscheiden, eine Schwangerschaft zu beenden, müssen das ohne unnötige Hürden und Bevormundung legal tun können.

 

Für einen Zugang zu Verhütungsmitteln unabhängig vom Geldbeutel

Verhütungsmittel sind eine wesentliche Errungenschaft für freie und verantwortungsbewusste Sexualität. Ihr Erwerb wird jedoch immer teurer. Zudem werden viele Verhütungsleistungen durch die Krankenkassen sowie die Regelungen der SGB II und SGB XII im Rahmen sozialer Transferleistungen nicht mehr erstattet. Damit wird der Zugang zu Verhütungsmitteln ein Problem für von Armut betroffene Menschen.

Vor Einführung der Hartz IV-Regelung konnten Sozialhilfeberechtigte einmalige Leistungen für Verhütungsmittel beantragen. Aufgrund der jetzigen Regelung sozialer Transferleistungen erhalten in der Regel nur noch jüngere Frauen unter 22 Jahren die Kosten für die Antibabypille erstattet. Die monatlichen Kosten für diese, nicht unumstrittene, medikamentöse Form der Antikontrazeption belaufen sich auf ca. 60 Euro für 3 Monate, und sind auf einmal zu bezahlen. Kondome kosten im Durchschnitt etwa genauso viel wie eine Antibabypille. Eine „Spirale“ als Empfängnisverhütungsmaßnahme kostet zwischen 300 und 500 Euro für ca. 5 Jahre.

Für Gesundheitsleistungen sind im Bürgergeld-Regelsatz für eine alleinstehende Person dagegen 21,49 Euro insgesamt vorgesehen. Verhütung ist also mit dem Bürgergeld-Regelsatz nicht mehr finanzierbar.

Von den niedrigschwelligen Versorgungsstellen des Vereins Armut und Gesundheit in Deutschland e.V., von Pro Familia-Beratungsstellen, aber auch von den Beratungsstellen der Caritas und des Diakonischen Werkes wird einheitlich bestätigt, dass viele sozial benachteiligte Jugendliche bzw. junge Erwachsene angeben, kein Geld zur Empfängnisverhütung zu haben.

Nach einer Befragung der Pro Familia-Beratungsstelle Köln im Jahr 2010 und einer Studie des BzgA im Jahr 2017 sank die Quote der regelmäßig verhütenden Hartz-IV-Berechtigten, seit der Reform des SGB II bzw. XII, von 67 auf 21,9 Prozent. Die Folge ist: Es kommt immer häufiger zu ungewollten Schwangerschaften und damit verbunden zu Schwangerschaftsabbrüchen.

In Berlin, wo im Vergleich die meisten Bürgergeld-Berechtigten leben, werden die Kosten für Verhütungsmittel seit 2008 übernommen. Die Abtreibungsrate ging daraufhin zurück. Deshalb wurde von Bremen eine entsprechende Bundesratsinitiative eingeleitet.

Ein Faktor in diesen Entscheidungsprozessen ist, dass die Finanzierung der Antibabypille in der Zuständigkeit des Bundes liegen würde, während die Kosten für eine Abtreibung – wie oben dargestellt – von den jeweiligen Bundesländern übernommen werden müssen.

 

Recht auf medizinische Begleitung von Schwangerschaft und Geburt

Auch medizinische Begleitung von Schwangerschaft und Geburt ist in Deutschland mit Hürden versehen.

Wir haben jetzt schon einen Mangel an Hebammen und die Zahl der Geburten steigt. Viele ausgebildete Hebammen haben den Beruf aufgegeben und viele Hebammen gehen in den nächsten 10 bis 15 Jahren in Ruhestand. Es ist höchste Eisenbahn, den Beruf auch finanziell attraktiver zu machen. Sonst werden die Mütter, Kinder und Väter oft ohne Hebamme auskommen müssen. Bei den freiberuflichen Hebammen brauchen wir Verbesserungen bei der Vergütung. Sicherstellungszuschläge und Anhebung der Betriebskostenpauschale sind Teilerfolge, auch des Drucks von Links, aber noch lange nicht ausreichend.

In Krankenhäusern setzt das profitorientierte Fallpauschalensystem in Deutschland falsche Anreize. Die Versorgung in der Fläche hat sich verschlechtert, weil sich Geburts- und Kinderstationen nicht rechnen. Zudem verdienen Krankenhäuser an Kaiserschnitten mehr als an normalen Entbindungen, was offensichtlich Einfluss auf die Beratung hat.

Die Linke fordert daher die vollständige Abschaffung des Fallpauschalen-Systems, die kostendeckende Finanzierung aller gesundheitlichen Bedarfe und ein Gewinnverbot für Krankenhäuser.

Für Frauen ohne Papiere, ohne Krankenversicherung und illegalisierte Frauen scheitert die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt zudem am Geld. Während Krankenversicherungen sehr weitgehend die notwendigen Leistungen übernehmen, müssen gerade die Frauen in den schwierigsten Lebenslagen das Geld selbst aufbringen – oft ein Ding der Unmöglichkeit. Hier muss ein Recht auf Versorgung ohne Wenn und Aber eingeführt werden.

Zudem fordere ich die Einführung der Übergabe eines Geschenkpakets für jede Mutter und ihr Neugeborenes, wie dies in Finnland der Fall ist. Dies ist ein klares positives Willkommensgeschenk und es ist eine deutliche finanzielle Form der Unterstützung.

In Finnland beinhaltet das Geburts-Care-Paket mehr als 50 Teile: Strampler, Schlafsack, Overall, Lätzchen, Stoff-Windeln, Fäustlinge, Bettwäsche, Pflegeprodukte, Badethermometer, Spielzeug ... Auch an die Eltern wird gedacht – mit einer Packung Kondome. Das wohl praktischste Stück des Care-Pakets ist die kleine Matratze, mir der die Box ausgekleidet ist. Denn das macht sie gleichzeitig zum Bett – eine willkommene Option für viele finnische Eltern. Alternativ kann man sich 140 € auszahlen lassen. Der Inhalt des Geschenkpakets ist allerdings mehr wert.

 

Für einen Schwangerschaftsabbruch ohne Hürden

Für ungewollt Schwangere stellt das grundsätzlich Verbot ebenso wie der Spießrutenlauf bis zu einer straffreien Abtreibung eine große Einschüchterung dar. Derartige Hürden lassen sich mit dem Recht der Frauen an ihrem eigenen Körper nicht vereinbaren.

Schwangerschaftsabbrüche müssen ein normaler Teil der gesundheitlichen Versorgung werden – ohne Zwangsberatung und Wartepflicht. Es muss Schluss sein mit der Stigmatisierung und Tabuisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Der Paragraf 218 StGB muss aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden.

63 Prozent der Abtreibungen in Bayern finden in München statt – denn es gibt immer noch viel zu wenig Kliniken in der Fläche, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Das ist in einem reichen Industrieland nicht hinnehmbar: Die Versorgungslage für Schwangerschaftsabbrüche in Flächenländern muss verbessert werden.

Um Frauen bei ihrer freien Entscheidung zu unterstützen, müssen freiwillige Beratungsangebote ausgebaut und die Informations- und Versorgungslage für Schwangerschaftsabbrüche verbessert werden.

In diesem Zusammenhang verurteile ich aufs schärfste die Regelungen in Ungarn und die geplante Einführung durch die VOX-Partei in Spanien, dass Schwangere, die selbstbestimmt eine Abtreibung vornehmen lassen möchten, im Vorfeld einen Nachweis erbringen müssen, dass sie die Herztöne ihres ungeborenen Fötus, gehört haben.

Und an diejenigen gerichtet, die das Recht auf Abtreibung bekämpfen, Sozialausgaben aber nur als Kostenfaktor betrachten, muss ich sagen: Es ist heuchlerisch, sich gegen Abtreibungen einzusetzen und nichts gegen Kinder als Armutsrisikofaktor in Deutschland zu tun. Jedes fünfte Kind muss in Deutschland in Armut aufwachsen, 43 Prozent der Alleinerziehenden, in 88 Prozent der Fälle sind dies Mütter, sind armutsgefährdet und jede dritte Familie mit drei oder mehr Kindern ist von Armut betroffen. Den Zusammenhang zwischen Armut und ungewollten Schwangerschaften habe ich bereits dargestellt. Wer sich gegen Abtreibungen einsetzt, steht in einer moralischen Verpflichtung, zuerst Kinder- und damit Elternarmut zu bekämpfen. Auch Bildungsungerechtigkeiten und Geschlechtsbenachteiligungen sind gesellschaftliche Tatsachen, die in diesen Zusammenhang mit reinspielen.