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Eine Europäische Linke, die Alternativen entwickelt

Wortmeldung von Lothar Bisky in der Generaldebatte des 2. Kongresses der Partei der Europäischen Linken in Prag

Liebe Genossinnen und Genossen, verehrte Gäste! Dass wir – die Partei der Europäischen Linken - hier in Prag gemeinsam mit tschechischen demokratischen Sozialisten, mit Genossinnen und Genossen der kommunistischen Partei Böhmens und Mähren tagen, zeigt: Pluralität ist eine Grundvoraussetzung linker Politik im 21. Jahrhundert geworden ist. Wir sind fähig ein offenes Parteiprojekt zu werden.

Wir alle haben uns auf dem Weg gemacht, Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt unserer politischen Praxis zu stellen, ohne die Differenzen zu vergessen. Das ist nicht immer einfach. Das wissen wir aus dem Parteineubildungsprozess von DIE LINKE in Deutschland. Wir haben als Antikriegspartei ein klares soziales Profil. Durch unser Wirken ist das scheinbar so feste Parteiensystem Deutschlands durcheinandergeraten. Und ganz wichtig: Wir liegen in den Meinungsumfragen über 10%. Wir werden von der Bevölkerung gewollt.

Wir wissen, wie eng die Entwicklung in Deutschland mit der EU verflochten ist. Deshalb unser Engagement für eine alternative Politik im Rahmen der Partei der Europäischen Linken, deshalb auch unsere aktive Mitarbeit in der Fraktion im Europäischen Parlament.

Ein entfesselter Kapitalismus hat seine Facetten in Deutschland, in Europa ausgebreitet. Stichworte: Tiefe soziale Spaltung, Arbeit ohne Rechte, Überwachung statt Sicherheit, die Privatisierung von Wasser und Bildung zerstören die Chancen einer europäischen Integration. Es scheint absurd. In dem Moment, in dem das Vertrauen gegenüber dem Neoliberalismus schwindet, rieselt seine zynische Philosophie von der Eigenverantwortung in alle Poren des Alltags. Die destruktiven Spuren von Lohndumping, Sozialabbau und Umweltzerstörung kleben wie Zement über den neuen politischen Auseinandersetzungen. Regierungschefs in Europa erlauben sich 2007, das NEIN in Frankreich und das NEIN in den Niederlanden, die Kämpfe gegen Bolkestein einfach zu ignorieren. Europäische Abschottung und Aufrüstung sind die grausame Kehrseite eines Kulturverlustes an Solidarität und eines Verlustes an Zukunftsfähigkeit, ein Verlust an politischer Einmischung in Europa.

Es ist klar, warum wir nach Prag gefahren sind. Wir wollen kein Europa der Regierungen, sondern ein Europa, in dem Bürgerinnen und Bürger ihre sozialen und politischen Rechte öffentlich verhandeln, ihr Leben selbst bestimmen.

Eine Europäische Linke – die Alternativen entwickelt. Dies ist der Anspruch, den wir in unseren politischen Thesen formulieren.

Worauf kommt es uns an:

  1. Die Grundlagen eines europäischen Sozialstaates sind ein historisches Potenzial des Kontinents. Arbeiterbewegung, Frauenbewegung, politische Aktivisten, Gewerkschaften, soziale Bewegungen haben um Leben und Arbeiten in Würde, für Frauen und Männer, für Migranten gekämpft, auch in jüngster Zeit. Daran knüpfen wir an.

  1. Zur europäischen Kultur gehört eine umfassende Geschichte der Demokratie, der Aufklärung, der öffentlichen Debatte um die Verfasstheit Europas. Ohne Referenden zum Reformvertrag in allen Ländern wird das Europa der Bürgerinnen und Bürger Tag für Tag verspielt.

  1. Die verheerenden Folgen von Wirtschaftsliberalismus und Aufrüstung gehören nicht in einen europäischen Vertrag. Sie gehören in die öffentliche Diskussion, verbunden mit der Frage, wie man sie endlich überwindet.

  1. Die Europäische LINKE hat große antifaschistische Traditionen, die wir neu aneignen müssen. Das dürfen wir nicht vergessen.

Deshalb sagen wir: Nie wieder Krieg! Das gilt für uns weltweit, im Nahen Osten, in Nordirak, in Afghanistan. Überall. Wir brauchen kein US-amerikanisches Raketenschild, nicht in Tschechien, nicht in Polen.

Wir wollen ein europäisches Denken, dass Russland einschließt, seine kulturellen und politischen Erfahrungen.

  1. Wir brauchen ein Europa, das seinen Binnenmarkt, die kulturelle Vielfalt und die modernen Medien, für friedliche und demokratische Entwicklungen weltweit nutzt.

Ich bin nach Prag gefahren, um alle Potenzen für unser gemeinsames Handeln freizulegen. Ich setze auf den Austausch der politischen Praxis in Netzwerken, in Bündnissen, in Parlamenten. Und ich möchte, dass wir - von Prag ausgehend - linke Politikfähigkeit gestalten und das gemeinsam im Europawahlkampf 2009 beweisen.