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Die Wahrheit stirbt im Krieg zuerst

Statement von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus nach der Sitzung des Parteivorstandes am vergangenen Sonnabend

Einen schönen guten Tag meine Damen und Herren, ich möchte zunächst einige Bemerkungen machen zu den immer neuen Meldungen, die wir in der Angelegenheit des Bombenangriffs auf die Tankwagen bei Kundus hören. Es ist schon kurios: Jeden Tag neue Erkenntnisse oder auch keine neuen Erkenntnisse. Wir erfahren über die Medien mehr als von den Betroffenen. Offensichtlich ist es so, dass die Wahrheit im Krieg zuerst stirbt. Das bewahrheitet sich hier ein weiteres Mal. Ich werfe der Bundesregierung Desinformation vor. Es kann nicht sein, dass Informationen, die jetzt in den Medien zu lesen sind, die in Berichten standen, nicht auch hätten dem Parlament zur Verfügung gestellt werden können. Es handelt sich offensichtlich um Verdrängung, auch um Vertuschung.

Bis zur Bundestagswahl wurde der Öffentlichkeit eine gänzlich andere Geschichte erzählt: Es ging um die Tanklastzüge. Jetzt hören wir, dass es offenbar sogar um die gezielte Tötung von Menschen, von Taliban, ging. Die Informationspolitik der Verantwortlichen ist so nicht zu akzeptieren. Ich fordere die Bundesregierung auf, unabhängig von einem oder mehreren Untersuchungsausschüssen, die eingerichtet werden, die Fakten auf den Tisch zu legen. Das Parlament und die Bevölkerung erwarten, dass hier alles, was an Erkenntnissen da ist, auch öffentlich wird. Wenn ich Herrn Schneiderhan – ich weiß das aber nicht – glauben kann, dann hat Herr zu Guttenberg alles gewusst. Herr zu Guttenberg sagt wiederum, er hat nicht alles gewusst. Das kann man relativ schnell und präzise aufklären. Dazu brauch man keine Untersuchungsausschüsse. Aber eines ist auch klar: Wer einmal lügt – und das hat Herr zu Guttenberg getan –, dem glaubt man nicht.

Als zweites möchte ich gern etwas zum Thema Steuerstreit, zum Spitzengespräch, das im Kanzleramt stattgefunden hat, sagen. Dies spielte auch in großer Einmütigkeit auf der Parteivorstandssitzung eine Rolle. Da hat Schleswig-Holstein mit etwas Mut zumindest eine Diskussion in Gang gebracht. Eines ist ganz klar: Das, was die große Koalition vereinbart hat, ist steuerpolitischer Blindflug. Es ist so, dass es hier nur um die Frage geht: rechte Tasche, linke Tasche. Wer bezahlt die Haushaltslöcher? Die Bundesregierung ist nicht gewillt, ernsthaft über Einnahmeerhöhungen nachzudenken. Das, was sie mit dem Gesetz, das abschließend am Freitag verabschiedet werden soll, z.B. bei der Erbschaftssteuer macht, ist aus der Sicht der LINKEN völlig inakzeptabel. Schon die große Koalition hatte eine Erbschaftssteuerreform verabschiedet. Vor dieser Reform lagen die Einnahmen bei 4 Milliarden Euro. Jetzt liegen sie weiterhin bei 4 Milliarden Euro, nun soll es nochmals Erleichterungen geben. DIE LINKE will eine gerechte Erbschaftssteuer. Ich kann die Zahl ein weiteres Mal wiederholen: Hätten wir die Erbschaftssteuer der Vereinigten Staaten, würden jährlich ca. 50 Milliarden in die öffentlichen Haushalte kommen. Das wäre für die Länder eine wirkliche Maßnahme, die auch zu finanzpolitischer Entlastung führen könnte. Anders herum: Es werden immer neue Geschenke seitens der Bundesregierung verabschiedet, letztlich für diejenigen, die viel haben, große Unternehmen und wenig wird für diejenigen getan, die weniger haben. Deswegen ist die Forderung der LINKEN ganz klar und eindeutig: Wir fordern, wie im Wahlkampf, eine Millionärssteuer. Wir wollen eine reformierte Erbschaftssteuer, die zu deutlich mehr Einnahmen führt. Und wir wollen die Bundeskanzlerin beim Wort nehmen, die in ihrer Regierungserklärung von der Börsenumsatzsteuer in dieser Legislaturperiode gesprochen hat. Das wäre nur hilfreich, wenn zumindest diese Ankündigung wirklich umgesetzt werden würde.

Zu einem dritten Punkt, der den Parteivorstand, vom zeitlichen Rahmen her sehr geprägt hat, das war die Debatte um unser Programm, also die Vorbereitung und Durchführung der Programmdebatte. Der Parteivorstand hat in großer Einmütigkeit Grundsätze und einen Zeitplan für die Führung der Programmdebatte nunmehr beschlossen. Ich will nochmal darauf hinweisen: DIE LINKE hat ein Parteiprogramm, was wir damals per Urabstimmung entschieden haben. Es geht jetzt darum, dass wir ein neues Parteiprogramm erarbeiten, das die Kernforderungen unserer Partei noch weiter herausarbeitet und gleichzeitig ein alternatives Gesellschaftsprojekt erkennbar macht. Viele Fragen stellen sich zu Beginn dieses Jahrhunderts neu. Insbesondere angesichts der Krise geht es darum, wie wir soziale und ökologische Fragen in anderer Weise miteinander verbinden. Gerade Eigentums- und Verteilungsfragen stellen sich angesichts der Krise neu. DIE LINKE hat auch nicht in allen Fragen fertige Konzepte, aber wir werden innerhalb der Programmdebatte auch darum ringen. Wir laden die Mitglieder, die Sympathisantinnen und Sympathisanten der Partei ein, sich aktiv in die Programmdebatte einzubringen und Vorschläge zu unterbreiten. Der Parteivorstand bittet auch die Gewerkschaften, Verbände, Vereine, Sozialverbände, sich Gedanken zu linker Programmatik zu machen. Unser Ziel ist – das ist nochmals bekräftigt und beschlossen worden –, im Jahr 2011 auf einem Programmparteitag ein neues Parteiprogramm zu verabschieden. Der Parteivorstand hat noch einmal bekräftigt, dass die Verantwortung für die Programmdebatte bei der Programmkommission unter der Leitung der beiden Parteivorsitzenden Lothar Bisky und Oskar Lafontaine liegt. Die Veröffentlichung eines ersten Entwurfs ist für Februar/März des nächsten Jahres geplant. Auf dem Parteitag, der – wie Sie wissen – in Rostock stattfindet, wird es dann einen Zwischenbericht zur Programmdebatte geben. Wir wollen im Herbst, September/Oktober, dann Regionalkonferenzen möglichst Ost-West gemischt durchführen und ein Programmkonvent mit thematischen Foren am Ende des Jahres 2010 durchführen. Im ersten Quartal des Jahres 2011 wird dann ein weiterer Entwurf veröffentlicht werden. Ein Programmparteitag ist letztlich für Oktober/November des Jahres 2011 geplant. Aber da sind wir jetzt noch nicht so weit, zu sagen, wo der stattfinden wird.

Eine vorletzte Bemerkung will ich zum Klimagipfel in Kopenhagen machen. Das spielte auch im Parteivorstand noch einmal eine Rolle. Wir haben eine Erklärung, die wir gemeinsam mit unserem Jugendverband [`solid] verabschiedet haben. Bisher ist zu konstatieren, dass es außer Spesen noch nicht so sehr viel gibt. DIE LINKE ist in Kopenhagen bei den Zehntausenden Protestierenden für mehr Klimaschutz aktiv dabei. Unser Vorstandsmitglied und ehemaliger Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, Wolfgang Methling, ist für den Parteivorstand in Kopenhagen vor Ort.

Die letzte Bemerkung, die ich machen will: Zu Beginn der Parteivorstandssitzung hat Lothar Bisky und alle im Vorstand und darüber hinaus noch einmal gemahnt, dass wir wieder völlig zur Politik zurückkehren. Es geht darum, dass wir gemeinsam Politik machen wollen und dass Unterstellungen und Vorwürfe über die Medien ein relativ schlechter Weg sind. Das fand große Unterstützung im Parteivorstand und wurde da auch nicht weiter debattiert.

Dankeschön!