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Die Schwarze Ampel geht die Zukunftsaufgaben nicht an

Nach den peinlichen Auftritten voller hohler Phrasen und Gezänk in der ersten Verhandlungswoche haben die Jamaika-Verhandler in der zweiten Woche einfach aufgehört, überhaupt irgendetwas Inhaltliches zu verkünden. Stattdessen wird von Verdichtung, Kompromissen und Fortschritten gesprochen. Zu erkennen ist davon bislang allerdings wenig.

Jetzt hat ein "Geheimpapier" seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden, das viele Felder und Überschriften auflistet, was getan werden müsste, könnte, sollte. Es ist völlig offen, was dabei herauskommen wird. Es ist in keiner Weise zu erkennen, dass dabei etwas der großen Mehrheit der Bevölkerung zugutekommen würde. Stattdessen dominieren Konzepte zur Entlastung von Reichen und Unternehmen, die Schwarze Null, sozialpolitische Untätigkeit und höhere Militärausgaben. Für die drängenden Zukunftsthemen - Alternativen zu sozialer Ungleicheit, Klimawandel, Kriegsgefahr - werden keine Antworten gegeben.

  • Kein Plan gegen Armut. Auf ein Konzept gegen Altersarmut wartet man vergebens. Anhebung von Renten auf Grundsicherungsniveau, das ist ja nur eine Beschreibung des Status quo. Was wirklich notwendig wäre: 1. höhere Löhne - ein erster Schritt dazu wären ein höherer Mindestlohn und Beseitigung der Lohnbremsen in der Arbeitsmarktpolitik. 2. eine armutsfeste Mindestrente und ein höheres Rentennivau, 3. eine sofortige Erhöhung des Kindergeldes und eine Kindergrundsicherung, 4. eine Mindestsicherung, die mit dem Elend von Hartz IV aufräumt und die Würde der Menschen wieder als unantastbar definiert: ohne Sanktionen und oberhalb der Armutsrisikogrenze.
  • Kein Plan für gute Arbeit und armutsfeste Löhne. Wer die Dokumentationspflicht beim Mindestlohn abschafft, fordert geradezu dazu auf, den Mindestlohn zu unterlaufen. Was dringend nötig wäre: Den Mindestlohn auf 12 Euro anheben und die Kontrollen verschärfen. Besonders die Billiglöhne in den sogenannten Frauenberufen und der Gender Pay Gap müssen weg. Hier müssten gesetzliche Branchenmindestlöhne geschaffen werden, der öffentliche Dienst müsste mit Vorbildfunktion vorangehen.
  • Kein Plan gegen Ursachen und Schäden der gesellschaftlichen Ungleichheit. Vor dem Hintergrund der neuen Enthüllungen der Paradise Paper ist besonders deutlich: Eine künftige Schwampel-Regierung wird auf der Seite der Täter stehen. Die dringend notwendigen Regulierungen krimineller - oder legaler, aber unmoralischer - Bankengeschäfte und Steuertricks von Superreichen und Unternehmen werden nicht in Angriff genommen. Sagen wir es, wie es ist: Hier wird die Allgemeinheit bestohlen. Über ein Drittel der Vermögen der deutschen Superreichen ist in Steueroasen geparkt.
    Die FDP erhebt Anspruch auf das Finanzministerium. Wolfgang Kubicki ist eine Schlüsselfigur in einem der größten Steuerbetrugsskandale der Nachkriegsgeschichte. Er vertritt anwaltlich seinen FDP-Parteifreund Hanno Berger, den Erfinder der cum ex-Deals. Unter einem FDP-Finanzminister wird die Schwampel ein Schweigekartell für Steuerbetrug.
    Was dringend notwendig wäre: Eine effektive Steuerfahndung und eine Finanzpolizei. Bei Beihilfe zur Steuerhinterziehung müssen Banken und Beraterfirmen die Lizenzen entzogen werden. Steueroasen müssen trockengelegt werden.
  • Kein Plan für ein gerechtes Steuerkonzept. Die Debatte um Steuersenkungen und die Abschaffung des Solidaritätszuschlag ist nichts als schlechter Populismus. Was bisher im Gespräch ist, entlastet die Bestverdienenden überdurchschnittlich. Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags würde den unteren 80 Prozent der Steuerzahler fast gar keine Vorteile bringen, dem obersten einen Prozent aber am meisten. Mindestens 20 Milliarden Euro würden im Bundeshaushalt fehlen. Was dringend notwendig wäre: Eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen, die dadurch gegenfinanziert wird, dass hohe Einkommen stärker belastet werden. Eine Vermögensteuer, die allein 80 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen bringen würde. Eine gerechte und effektive Unternehmensbesteuerung.
  • Kein Plan für eine verlässliche öffentliche Infrastruktur. In den Sondierungsverhandlungen werden alle möglichen Investitionen erwähnt. Es fehlt aber völlig an einem Konzept zu ihrer Finanzierung. Das Steuerkonzept sieht Mindereinnahmen vor. So sind sich die Parteien einig, die digitale Infrastruktur auszubauen. Aber wie wollen sie das finanzieren? Aus dem Haushaltsüberschuss? Allein die Abschaffung des Solis wird mögliche Handlungsspielräume des Haushaltsüberschusses beenden. Und dann ist noch keine bezahlbare Wohnung geschaffen, keine Schule saniert, keine Brücke repariert, kein Gehalt im öffentlichen Dienst, in der Pflege, Bildung, Erziehung oder kommunalen Verwaltung erhöht worden. Es bleiben Privatisierungen, Veräußerung von Staatsanteilen und steuerliche Anreize für Unternehmen. Alles drei sind Mittel, die in den letzten 20 Jahren die Probleme geschaffen und verschärft haben. Die Medizin kann nicht dieselbe sein wie die Krankheitsursache. Was dringend nötig wäre: Öffentliche Investitionen in Höhe von mindestens 60 Milliarden Euro - und die daraus erwachsenden zusätzlichen Haushaltseinnahmen in etwa derselben Höhe müssten ihrerseits in öffentliche Investitionen gesteckt werden. Die Mängel der öffentlichen Daseinsvorsorge lassen sich nicht über Markt und Wettbewerb beheben.
  • Kein Plan für eine gerechte Bildung. Mehr Geld für Bildung, da lässt sich schnell Einigkeit herstellen. Aber das deutsche Bildungssystem ist ausgesprochen ungleich und ungerecht: Bildungserfolg hängt in viel stärkerem Maß vom der sozialen Background der Eltern ab. Was dringend notwendig wäre: Ein flächendeckendes ganztägiges Betreuungsangebot als Gemeinschaftsschule, mehr Lehrkräfte und eine Abschaffung aller Bildungsgebühren von der Kita bis zur Universität. Nur so kann das Bildungssystem unterschiedliche Startbedingungen ausgleichen. Doch das setzt voraus, dass z.B. über eine Vermögensteuer mehr Geld an die Länder geht.
  • Kein Plan, um das Klima zu retten. Der Klimaschutz - das Thema, mit dem sich Merkel und die Grünen gerne brüsten und dsd eine der existenziellsten Herausforderungen unserer Zeit ist - wird nicht angegangen. Es gibt kein klares Bekenntnis zu den UN-Klimazielen. Die Grünen haben schon angekündigt, dass sie damit zufrieden sein werden, wenn weiter drüber gesprochen wird. Die FDP will gar nicht über die Themen sprechen, weil sie sich offensichtlich überhaupt nicht auskennt. CDU/CSU sind wie gewohnt dicht an den Interessen der transnationalen Konzerne. Was dringend wäre: Nicht ein Technologischub, der das Modell des Individualverkehrs auf Ewigkeit stellt. Elektroautos belasten die Umwelt in der Produktion und fahren mit schmutzigem Strom. Stattdessen ist jetzt die Zeit für eine Verkehrswende: kostenfreier öffentlicher Nahverkehr würde den Automobilverkehr drastisch senken und das Klima entlasten. Wir brauchen Investitionen für den Ausbau in den öffentliche Nah- und Fernverkehr. Stattdessen sind Privatisierungen und damit Preiserhöhungen im Gespräch.
  • Kein Plan für eine humanitäre Flüchtlingspolitik und eine gerechte Teilhabe. Das öffentliche Gezerre um Familiennachzug oder Obergrenzen von Geflüchteten ist ein unwürdiges Schauspiel. Was wirklich nötig wäre: Wer das Zusammenleben von Geflüchteten, Eingesessenen und Einwanderern verbessern will, muss auf eine soziale Offensive für alle setzen. Statt Konkurrenz und Existenzangst muss auf gute Versorgung der gesamten Bevölkerung gesetzt werden.

Wir halten die Bezeichnung dieser schwarz-gelb-grünen Sondierungen als Jamaika für einen irreführenden Etikettenschwindel. Jamaika - das klingt nach Sonnenschein und Wärme. Doch diese Truppe wird, so sie je eine Regierung bildet, vor allem eine Regierung der Reichen sein, die die soziale Kälte befördert.