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DIE LINKE wird sich überall gegen den Abbau von Bildung und Sozialem stellen

Ulrich Maurer auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus nach der Sitzung des Geschäftsführenden Parteivorstandes

Meine Damen und Herren, ich darf anschließen und möchte zunächst damit beginnen, dass sich uns jeden Tag neu erschließt, auf was sich eigentlich die schwarz-gelbe Regierung geeinigt hat in ihrer Koalition. Wir können erkennen, dass sie sich offensichtlich darauf geeinigt hat, möglichst wenig von geplanten Schandtaten zu Lasten der Bevölkerung vor der Nordrhein-Westfalen-Wahl öffentlich werden zu lassen. Wir gehen in unserer strategischen Planung deshalb davon aus, dass die eigentlichen, die Mehrzahl der Bevölkerung treffenden Sozialabbaumaßnahmen erst nach der NRW-Wahl von dieser Regierung verkündet werden. Wir bereiten uns darauf vor. Wir werden deswegen im nächsten Jahr eine LINKE haben, die sehr stark in die außerparlamentarische Aktion gehen wird. Und darauf stellen wir uns im Moment ein.

Wir sehen, dass offensichtlich die Einigungsformel von Schwarz-Gelb darin besteht, mit Hilfe von Schattenhaushalten die Verschuldung des Bundes weiter massiv zu erhöhen. Gleichzeitig sollen aber, um die FDP-Klientel zu bedienen, neue Steuergeschenke zu Gunsten der Unternehmen und Unternehmer die Länder und Kommunen stranguliert werden. Was da läuft, ist ein ziemlich übles Spiel. Die Bundesregierung übt sich, zumindest bis zur NRW-Wahl, mit Schattenfinanzierungen und gleichzeitig dreht sie den Ländern und Gemeinden finanzpolitisch den Hals zu. Wir nehmen mit Interesse zur Kenntnis, dass offensichtlich auch eine Reihe von CDU-Ministerpräsidenten das mittlerweile bemerkt hat. Und dass sie das ausbaden sollen, was da an Versprechungen gegenüber Herrn Westerwelle abgegeben worden ist.  Von daher scheint es aus heutiger Sicht noch nicht klar zu sein, ob die Pläne von Schwarz-Gelb im Bundesrat überhaupt Zustimmung finden. Man wird sehen, wie weit der Mut dieser Granden reicht. Immerhin wissen wir seit heute, dass Herr Schäuble per Handelsblatt den Stufen-Tarif der FDP bereits für diese Legislaturperiode beerdigt hat. Von daher ist es eine Koalition, die sich zwar offensichtlich darin einig ist, die Entsolidarisierung der Gesellschaft voranzutreiben und  insbesondere bei den sozialen Sicherungssystemen, den Grundsatz der Parität noch weiter aufzuheben als es schon die vorherigen Regierungen gemacht haben. Gleichzeitig wird offenkundig der deutschen Versicherungswirtschaft bei der Pflegefinanzierung ein neues Geschäftsfeld eröffnet. Die Frage, wie weit sie in der Verschlechterung der Staatseinnahmen gehen werden, und – wie gesagt – die FDP-Klientel zu bedienen, wird vom Votum des Bundesrates abhängen. Das ist eine offene Frage. Die Länder stehen alle vor der Frage, ob sie diese unseriöse Finanzpolitik des Bundes zu ihren Lasten einfach zu Lasten ihrer Bevölkerung und ihrer Kommunen exekutieren oder ob sie sich dem entziehen. Mich hat sehr gefreut, dass der designierte Finanzminister von Brandenburg Helmuth Markov gesagt hat, dass er für solche Operationen nicht zur Verfügung steht. Dass er sich weder von der sogenannten Schuldenbremse, noch von den geplanten weiteren Einnahmeverschlechterungen der Länder dazu nötigen lassen wird, in seinem Land auf notwendige Bildungsinvestitionen zu verzichten oder Sozialabbau zu betreiben. Das halte ich für die richtige Position in dieser Situation. Ich bin gespannt, wie das in anderen Ländern gehandhabt werden wird. Ich glaube, dass den Ländern gar nichts anderes übrig bleiben wird, als aktiv gegen die sogenannte Schuldenbremse vorzugehen. Sie haben im Grunde genommen nur zwei Möglichkeiten. Da der Bund sich weigert, den Ländern eine bessere Finanzierung zur Verfügung zu stellen – dabei könnte er das mit der Einführung der Vermögenssteuer sehr rasch – werden die Länder vor die Frage gestellt, entweder sich auch zusätzlich zu verschulden, wie das die Bundesregierung tut, oder massiv Bildung und Soziales abzubauen. DIE LINKE wird sich überall gegen den Abbau von Bildung und Sozialem stellen.

Wir haben auch in diesem Licht zu sehen, wie die neue Regierung in Brandenburg sich verhalten wird. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die SPD einige ihrer Lieblingsdogmen in den Koalitionsvertrag reingeschrieben hat, insbesondere die kameralistische Vorstellung, man könne mit Stellenabbau den Haushalt eines Landes konsolidieren. Ich will das mal kurz durchdeklinieren. Wir haben das ein bisschen berechnet. Das Einsparungsvolumen bei diesem völlig unkonkretisiert beschriebenen Stellenabbau beläuft sich im ersten Jahr auf bestenfalls 40 Millionen - je nach Haushaltsunterdeckung, die den Zahlen nach, denen ich glauben darf, zwischen 1 und anderthalb Milliarden liegt - im zweiten Jahr auf 80 Millionen, im dritten Jahr auf 120 Millionen, im vierten Jahr auf 160 Millionen. Wenn ein Finanzminister darauf verzichten würde und stattdessen sich die 40 Millionen auf dem Kapitalmarkt beschaffen würde, würde ihn das im Moment 1,6 Millionen pro Jahr kosten. Damit wir mal die Größenordnungen sehen. Also die Behauptung, dass man über so einen kameralistischen Ansatz einen Haushalt konsolidieren oder überhaupt Nennenswertes bewegen könnte, hat mit der Realität ziemlich wenig zu tun.

Im Übrigen bleibt es dabei, was DIE LINKE immer bekräftigt hat. Unter dem Vorzeichen massiv ansteigender Arbeitslosigkeit in Deutschland darf der öffentliche Beschäftigungssektor nicht verkleinert werden, sondern muss ausgeweitet werden. Deshalb begrüße ich, dass in Brandenburg 8000 zusätzliche Stellen im Rahmen eines öffentlichen Beschäftigungssektors geschaffen werden sollen. Die zusätzlichen 800 bis 1000 ErzieherInnenstellen resultieren durch Förderung des Landes bei den kommunalen Haushalten. Das ist Beschäftigungsaufbau, der durch das Land mitfinanziert wird. Was die schon eben sehr oberflächlich beschriebenen Stellenplankürzungen angeht, will ich - auch nach Verständigung mit unserer Fraktionsvorsitzenden Kerstin Kaiser - folgendes sagen: Wir können im Moment noch nicht nachvollziehen, wo der Herr Ministerpräsident bzw. der ehemalige Finanzminister Speer, von dem das alles stammt, diese Stellenstreichungen eigentlich vornehmen will. Denn die neue Regierung hat erklärt, sie will in der Bildung keine Verschlechterung. Es wird mit der LINKEN auch keine Verschlechterung in der öffentlichen Sicherheit geben können. Ich habe mir sagen lassen, dass es bei einem Verkehrsunfall heute schon bis zu anderthalb Stunden dauern kann, bis in diesem großen Flächenland die Polizei eintrifft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand auf die Idee kommt, das noch weiter abzubauen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass in den Krankenhäusern, für die das Land Verantwortung trägt, die Patienten schlechter versorgt, die Ärzte und Pfleger noch mehr beansprucht werden sollen als das ohnehin schon der Fall ist. Von daher erschließt sich mir diese abstrakte Ankündigung nicht so recht. Es sei denn, Herr Platzeck schlägt seine Staatskanzlei mit ihren Beamten oder andere von der SPD geführten Ministerien zur Stellenstreichung vor. Aber das werden wir ja sehen.

Was ich damit sagen will: Ich glaube, dass wie in Berlin auch im Land Brandenburg die Frage, was das an konkreter Politik bedeutet, sicherlich erst noch unter einem erheblichen Ringen der beiden Koalitionsparteien entschieden wird, wenn der konkrete Haushaltsentwurf vorliegt. Da bleibt es bei dem, was wir in unserem Bundestagswahlprogramm gesagt haben. DIELINKE in Deutschland tritt ein für einen Aufbau öffentlicher Beschäftigung, nicht für Abbau. Wir haben zufrieden zur Kenntnis genommen, dass es in Brandenburg keine weiteren Privatisierungen geben wird und auch keinen Sozialabbau. Aber natürlich – Lothar Bisky hat das schon gesagt – könnten wir uns mehr vorstellen.

Wir können bis heute nicht erkennen, dass die SPD herausgefunden hätte, für was sie eigentlich steht oder nicht steht. Wir beobachten bei der SPD im Moment weitere Differenzierungsprozesse. Es wird in Kassel einen Basisratschlag geben, der von Teilen der Parteilinken organisiert wird, in dem aber interessanterweise Frau Nahles oder Herr Böhning nicht mehr partizipieren. Das sind dann also wirklich die Parteilinken. Das ist offensichtlich ein Gärungsprozess in Gange, der noch relativ viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Wird haben, das will ich zum Schluss sagen, eine zentrale Erfahrung an der Saar gemacht. Ich habe in vielen deutschen Medien gelesen, Oskar Lafontaine sei schuld am nicht Zustandekommen einer alternativen Regierung an der Saar. Wir wissen sehr genau, dass dieses in Wirklichkeit an der Tatsache gescheitert ist, dass die Grünen an der Saar, insbesondere in Person ihres Vorsitzenden offensichtlich erheblich korrumpiert sind. Der "starke Mann" dieser Koalition ist offensichtlich ein ortsansässiger saarländischer Tycoon, auf dessen Gehaltslisten sich der grüne Landesvorsitzende befunden hat. Das sind – wenn Sie gestatten – sizilianische Verhältnisse. Dass auch meine baden-württembergischen Heimatzeitungen das verdienstvoll ermittelt haben, die ansonsten nicht sehr linksverdächtig sind, unterstreicht das. So ist das in der Politik.

Wir stellen mit Verblüffung fest, dass die grüne Bundespartei damit offensichtlich kein Problem hat. Das ist doch eine erstaunliche kulturelle Entwicklung, die sich da innerhalb der Grünen vollzieht. Heute lese ich, dass sie rechtzeitig vor ihrem Parteitag in ihrem Kreisverband nochmal schnell die Delegierten ausgetauscht haben, von den 20 Mitgliedern sieben erschienen waren und dass mit 4 zu 3 entschieden haben. Also der Herr Ulrich hat offensichtlich ein sehr spezifisches Demokratieverständnis. Dass er sich dabei der Freundschaft von Herrn Özdemir sicher sein kann, wirft Fragen auf nach der Rolle des Bundesvorsitzenden der Grünen, der wohl ziemlich genau Bescheid gewusst haben muss über die saarländischen Verhältnisse seiner Partei. Versuchen Sie sich nur mal einen Augenblick vorzustellen, dass sich ähnliche Aktivitäten bei den LINKEN vollzogen hätten, was da los gewesen wäre in unserer Republik. Ich halte das – wie gesagt –für massive Korrumpierung und die Errichtung eines Feudalsystems. Dass das innerhalb der Grünen möglich ist, und dass das von den Bundesgrünen sogar noch zu einem strategischen Akt verklärt wird, spricht Bände. Aber immerhin – die Wahrheit ist ans Licht gekommen. Wir sind gespannt darauf, ob die Bundesführung der Grünen eine Koalitionsbildung mit einem solchen Repräsentanten an der Spitze weiter befürwortet. Und wir sind auch weiter gespannt, ob die Grünen an der Saar ein solches mieses Geschäft betreiben wollen.