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"Die Kritik an den Krankenkassen ist scheinheilig"

Ab Februar 2010 müssen die ersten Versicherten mit höheren Krankenversicherungsbeiträgen rechnen. Weitere Krankenkassen wollen nachziehen. Das bedeutet eine kleine "Kopfpauschale" von acht Euro mehr im Monat, fast hundert Euro im Jahr, während der Arbeitgeberbeitrag hingegen unverändert bleibt. Klaus Ernst, der stellvertretende Parteivorsitzende der LINKEN, ist der Meinung, dass den Versicherten die Zusatzbeiträge erspart bleiben könnten.

Was schlagen Sie vor, um die Finanzlöcher der Krankenkassen zu stopfen, ohne dass es zu Lasten der Versicherten geht?

Die Kritik an den Krankenkassen ist scheinheilig, denn die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD hat den Gesundheitsfonds eingeführt und damit einseitige, auch pauschale Mehrbelastungen der Versicherten durch Zusatzbeiträge in Kauf genommen. Um die Löcher zu stopfen, muss der Bund seinen Sonderzuschuss, der bislang allein die krisenbedingten Einnahmeausfälle der Krankenkassen ausgleichen soll, verdoppeln. Kosten: vier Milliarden Euro. Dies entspricht dem Betrag, den der Bund den Kassen seit Jahren für Langzeitarbeitslose verweigert. Durch eine entsprechende Aufstockung wäre das Defizit gedeckt. Den Versicherten blieben Zusatzbeiträge erspart.

Der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) kündigte an, die Ausgaben für Arzneimittel kürzen zu wollen. Ist das ein Weg in die richtige Richtung?

Da wünsche ich Herrn Rösler viel Erfolg. Aber mal im Ernst: Natürlich begrüße ich es, dass Herr Rößler mit den Pharmakonzernen über die Arzneimittelpreise sprechen will. Wie glaubhaft er diese Gespräche führen wird, zeigt sich schon daran, dass er den Vertrag mit dem unliebsamen Leiter des unabhängigen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen nicht verlängern hat und gleichzeitig einen industriefreundlichen Kandidaten in das Amt des obersten Arzneimittelprüfers hebt. Augenscheinlich haben sich in dieser Frage die Interessen der Industrie durchgesetzt.

Die Leidtragenden der höheren Krankenversicherungsbeiträge sind vor allem Hartz IV-Empfänger. DIE LINKE fordert eine solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. Was bedeutet das?

Die Gesetzlichen Krankenkassen haben vor allem ein Einnahmeproblem. Für Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II etwa wird derzeit ein deutlich zu niedriger Beitragssatz an die gesetzlichen Krankenkassen abgeführt. Würde der tatsächlich notwendige Beitrag erhoben, wären Zusatzbeiträge unnötig. Aufforderungen an die Versicherten, die Kasse zu wechseln, sind angesichts flächendeckender Zusatzbeiträge abwegig. Natürlich muss auch die Ausgabenseite in den Blick genommen werden. Was wir allerdings wollen und brauchen ist die Verbesserung der Einnahmeseite. Konkret wollen wir, dass alle Einkommensarten – auch die der privat Versicherten - berücksichtigt werden. Vor allem, müssen die Arbeitgeber wieder die Hälfte der Beiträge ihrer Beschäftigten tragen.