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Caren Lay

Bundesregierung verweigert verfassungsgemäßen Hartz-IV-Regelsatz

Statement der Bundesgeschäftsführerin der LINKEN Caren Lay auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Einen wunderschönen guten Tag,
ich möchte Sie sehr herzlich zu dieser Pressekonferenz begrüßen. Ich werde heute zu drei Themen sprechen: zunächst zur aktuellen Lage in Ägypten, zweitens zum Stand der Hartz-IV-Verhandlungen und drittens möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auch noch einmal auf das Steuerkonzept der LINKEN leiten.

Wir beginnen mit der Lage in Ägypten. Wir sind als LINKE über die Lage in Ägyptensehr besorgt. Aber es dominiert natürlich die Hoffnung auf einen friedlichen und demokratischen Wandel in diesem Land. Die internationale Gemeinschaft trägt Verantwortung, diesen demokratischen Aufbruch und politischen Wandel zu unterstützen. Bisher sendet die Bundesregierung hier im besten Falle widersprüchliche Signale aus. Aus unserer Sicht als LINKE ist die zögerliche Haltung der Bundesregierung nicht vertretbar. Die Bremssignale, die Angela Merkel  derzeit aussendet, können natürlich auch zum Ergebnis führen, dass die reaktionären Kräfte in Ägypten erstarken. Aus unserer Sicht wäre eine Unterstützung der Demokratiebewegung das Gebot der Stunde. Diese Unterstützung der Demokratiebewegung muss mit viel mehr Engagement erfolgen als das bisher der Fall ist. Die Bundesregierung müsste sich dafür natürlich zunächst eingestehen, dass die bisherige Politik in Bezug auf Ägypten und auch in Bezug auf andere Länder im Nahen Osten falsch war. Es wird keinen Neubeginn ohne die Aufarbeitung dieser verfehlten Politik der Vergangenheit geben. Alle Bundesregierungen, also sowohl die gegenwärtige schwarz-gelbe Koalition, aber auch die vorherigen Regierungen, haben mit Mubarak, mit Ben Ali und mit ähnlichen Diktatoren paktiert. Dieses Thema findet derzeit in der Öffentlichkeit sehr viel Unverständnis. Wir als LINKE teilen dieses Unverständnis. Dieses Paktieren mit Diktatoren wie Mubarak und Ben Ali hat im Wissen stattgefunden, dass es Folter in diesen Ländern und schamlose Bereicherungen der politischen Kaste gibt. Deswegen erwarten wir von jetzt an einen grundsätzlichen Wandel dieser Politik. Die EU und Deutschland müssen ihre Doppelmoral gegenüber den arabischen Staaten aufgeben. Die Menschenrechtsapelle aus Europa sind unglaubwürdig, wenn gleichzeitig Finanzen und auch andere politische Unterstützungen in Richtung Diktaturen fließen. Die Bundesregierung genehmigte noch im Jahr 2009 Waffenexporte im Wert von 77,5 Millionen Euro an Ägypten. Ägypten ist der drittgrößte Empfänger von US-Militärhilfen in der Höhe von 1,3 Milliarden Euro jährlich. Wir sagen, dass diese Unterstützung mit Finanzen und mit Rüstungen falsch war und falsch ist. Wir brauchen jetzt einen Wandel zu einer demokratischen Politik. Deutschland und andere westliche Länder haben die arabischen Diktaturen hingegen als Verbündete in dem sogenannten Kampf gegen den Terror, als Garanten für den Zugang zum Ölreichtum, aber natürlich auch als Garanten für die Öffnung ihrer Märkte für Exporte gesehen. DIE LINKE sagt: Demokratie und Menschenrechte sind nicht länger den Interessen der Wirtschaft unterzuordnen. Wir bleiben deswegen bei unserer Forderung, Mubarak muss zurücktreten. Auch die Bundesregierung muss sich diese Forderungen jetzt zueigen machen. Wir wollen eine offensive Unterstützung des Demokratieprozesses in Ägypten und im Nahen Osten.

Ich möchte zweitens zum aktuellen Stand der Hartz-IV-Verhandlungen sprechen: Die bisherigen Verhandlungen zum Thema Hartz IV sind eine Farce. Wir sehen darin im Wesentlichen eine Kungelei auf dem Rücken der Betroffenen. Das Verfassungsgericht hat einen verfassungsgemäßen Regelsatz eingefordert und keine Vollmacht zur Geheimdiplomatie erteilt. Union, FDP, SPD und auch die Grünen haben sich in parteipolitischen Gräben verschanzt und befeuern sich munter mit Interviewäußerungen. Aber es geht uns als LINKE in erster Linie um die Position der Betroffenen. Die Bedürfnisse der Hartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IV-Empfänger müssen endlich wieder in den Mittelpunkt dieser Verhandlungen gerückt werden. Es gibt derzeit keine inhaltliche Forderung, weder von CDU noch von SPD, die uns als LINKE Anlass zur Hoffnung geben, dass diese Verhandlungen zum Erfolg führen. Wir sehen diese Verhandlungen sind im Grunde gescheitert. Es gibt – wie gesagt – kein inhaltliches Angebot, was auch nur in die Nähe eines verfassungsgemäßen Regelsatzes kommt. Der verfassungsgemäße Regelsatz ist das, was ins Zentrum dieser Verhandlungen gehört. Die Betroffenen können nicht länger abwarten, denn der Preisschub und die Inflation haben schon jetzt zu einer dramatischen Verschlechterung der Lage von Hartz-IV-Empfängern geführt. Dazu gehört beispielsweise die Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Haushalte und die Streichung des Übergangsgeldes von ALG I zu ALG II. Das alles bedeutet schon jetzt erhebliche Verschlechterungen der Einkommenssituation von Hartz-IV-Haushalten. Es wird für die Betroffenen jetzt keinen anderen Weg geben, als sich bei den Sozialgerichten ihr Recht einzuklagen. Das Verfassungsgerichtsurteil gibt ganz klare Vorgaben. Die alten Regelsätze haben seit dem 01.01.2011 keine rechtliche Basis mehr. Wir haben hier im Grunde einen verfassungswidrigen Zustand, der schnellstmöglich beendet werden muss. Wir können Hartz-IV-Betroffene nur aufrufen, gegen diese Bescheide zu klagen. Die Sozialgerichte wären dann gezwungen, transparent auszurechnen, wie hoch der Regelsatz wirklich sein muss. Die Bundesregierung ist dazu offenbar nicht in der Lage. Klagen gegen die Hartz-IV-Bescheide, die verfassungswidrig sind, haben im Moment sehr große Erfolgsaussichten.

Meine Damen und Herren, ich möchte im dritten Punkt Ihre Aufmerksamkeit auf den Beschluss des Parteivorstandes vom 23.01.2011 lenken, weil wir als LINKE auch immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert sind, dass wir unfinanzierbare Forderungen stellen. Deswegen möchte ich Sie mit den Leitgedanken unseres Steuerkonzeptes vertraut machen. Wir gehen erstens vom Grundsatz aus, dass öffentliche Haushalte ausreichende Einnahmen erhalten müssen. Wir wollen also eine andere Einnahmenpolitik zugunsten der öffentlichen Haushalte in den Mittelpunkt stellen. Der Staat muss endlich wieder handlungsfähig werden. Zweitens sagen wir natürlich, dass das Steuersystem gerecht sein muss. Wir wollen Gering- aber auch Durchschnittsverdienerinnen und Durchschnittsverdiener entlasten, und wir wollen Besserverdienende, Reiche und Spekulanten stärker zur Finanzierung der Einnahmen heranziehen. Drittens ist unser Ziel die Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen. Wir wollen deswegen eine Individualbesteuerung einführen. Und wir wollen viertens auf internationaler Ebene eine Eindämmung des Wettbewerbs um den niedrigsten Steuersatz bzw. das Steuerdumping stoppen. Mit unserem Steuerkonzept können wir Mehreinnahmen von insgesamt 180 Milliarden Euro im Jahr erzielen. Schwerpunkte liegen dabei bei der Einnahmenerhöhung. Den größten Anteil würde damit die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer auf Privatvermögen bedeuten. Wir wollen dies mit Hilfe einer Millionärssteuer erreichen. Bei einem Freibetrag, der mit einer Million Euro großzügig berechnet ist und einem Steuersatz von 5 Prozent, wären wir hier bei 80 Milliarden Euro Mehreinnahmen im Jahr. Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Reform der Unternehmensbesteuerung. Vor allen Dingen durch die Wiederanhebung der Körperschaftssteuer auf 25 Prozent im Jahr würden sich 40 Milliarden Euro Mehreinnahmen ergeben. Ich darf Sie daran erinnern, dass dieser Körperschaftssteuersatz von 25 Prozent bereits zu den Zeiten von Helmut Kohl gültiges Recht war. Drittens die Finanztransaktionssteuer, also eine Umsatzsteuer aller Finanztransaktionen, von 0,05 Prozent würde 27 Milliarden Euro an Mehreinnahmen bedeuten. Auch eine solche Finanztransaktionssteuer ist dringend überfällig. Vielleicht ein Beispiel zur Veranschaulichung: Es ist ja so, dass man in der Bundesrepublik auf sehr viele Waren, beispielsweise auch auf Babynahrung, 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen muss, aber auf GIF-Papiere 0 Prozent. Diesen Zustand wollen wir beenden. Deswegen sagen wir, die Finanztransaktionssteuer muss her. Das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Es ist aber auch eine Frage einer gerechten und guten Steuerpolitik und würde Mehreinnahmen von 27 Milliarden Euro im Jahr bedeuten. Wir wollen im Gegenzug die Einkommenssteuer reformieren und damit Niedrigverdiener, aber auch die Mittelschicht entlasten. Wir wollen den sogenannten Mittelstandsbauch durch die Anhebung des Grundfreibetrages auf 9.300,00 Euro beseitigen. Im Gegenzug dazu soll der Spitzensteuersatz wieder auf 53 Prozent  ab einem zu versteuernden Einkommen von 65.000 Euro pro Jahr angehoben werden. Wir wollen ebenso Kapitalerträge so besteuern wie andere Einkommen aus Löhnen und Gehältern auch. Das Ehegattensplitting soll zugunsten eines erhöhten Kindergeldes sowie einer Berücksichtigung der tatsächlichen Betreuungskosten abgeschafft werden. Das ist eine Forderung der sozialen Gerechtigkeit, aber es ist auch eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit, denn das Ehegattensplitting in der bisherigen Form unterstützt ja unzulässigerweise traditionelle Lebensformen und benachteiligt das Zusammenleben mit Kindern. Dafür gibt es einfach in der heutigen Zeit keine sachliche Grundlage mehr. Deswegen wollen wir hier eine Reform der Unterstützung von Familien. Wir wollen das Zusammenleben mit Kindern unterstützen. Im Ergebnis würden alle mit einem Bruttoeinkommen unter 6.000,00 Euro im Monat entlastet. Also jeder, der bis zu 6.000,00 Euro im Monat verdient, würde durch das Steuerkonzept der LINKEN entlastet. Auch so viel vielleicht nochmal zu dem Vorwurf, dass wir als LINKE eine Politik machen würden, die nicht im Interesse der Mittelschichten sei. Im Gegenteil, unser Steuerkonzept wäre wirklich eine Bereicherung, wäre eine Entlastung der Mittelschichten. Deswegen werden wir diese Forderungen auch mit Nachdruck erheben. Die Forderungen der LINKEN sind also finanzierbar, unter der Voraussetzung, dass die Verteilungsfrage konsequent gestellt wird. Durch ein gerechtes Steuersystem würden alle gewinnen. Das Steuerkonzept der LINKEN ist ein Gegenentwurf zur verfehlten Steuerpolitik von Schwarz-Gelb, von Rot-Grün und natürlich auch von Schwarz-Rot. Für DIE LINKE ist eine andere Einnahmenpolitik, eine andere gerechte Steuerpolitik ein ganz zentrales Instrument des von uns angestrebten Politikwechsels.

Vielen Dank!