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Gesine Lötzsch

Bundesregierung verhöhnt das Bundesverfassungsgericht und die Kinder in Hartz-IV-Familien

Statement von Gesine Lötzsch, Vorsitzende der Partei DIE LINKE, auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus nach der Klausur des Parteivorstandes:

Ich möchte mich zu vier Punkten äußern. Zum ersten, die Bundesregierung wird am Mittwoch die mittelfristige Finanzplanung beschließen und den Haushalt im Bundeskabinett behandeln. Der zweite Punkt ist die Frage der Erhöhung der Krankenkassenbeiträge. Der dritte Punkt – ist die Frage, wie Kurt Beck mit der Bundesregierung auf dem steuerpolitischen Gebiet zusammenarbeiten will. Und Punkt vierbeschäftigt sich mit der Klausur des Parteivorstandes am Wochenende.

Am Mittwoch wird die Bundesregierung die mittelfristige Finanzplanung und den Haushalt beschließen. Für uns ist natürlich besonders interessant, inwieweit die Bundesregierung die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen wird, hinsichtlich der Regelsätze für Kinder von Hartz-IV-Empfängern. Ich kann hier nur zu dem Fazit kommen: Die Bundesregierung verhöhnt sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch die Familien, deren Kinder vom Hartz-IV-Bezug leben müssen. Wenn wir uns anschauen, was geplant ist: Das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger wurde gestrichen. Familien, die von Hartz-IV-Bezug leben müssen und ihre Kinder sollen insgesamt 480 Millionen Euro mehr bekommen.

Das heißt, auf der einen Seite werden 400 Millionen Euro gestrichen, auf der anderen Seite werden 480 Millionen Euro dazugegeben. Zudem ist es noch völlig unklar, wie das Geld direkt bei den Kindern ankommen soll. Frau von der Leyen sprach ja weiterhin von Gutscheinen. Ich kann nur feststellen, dass in dieser Gesellschaft, in unserem Land, augenscheinlich ganz unterschiedliche Regeln gelten. Diejenigen, die wenig haben, werden härter bestraft und diejenigen, die die Krise verursacht haben, werden völlig unberücksichtigt, nicht zur Kasse gebeten. Ich darf daran erinnern, dass es immer noch keine Beschlüsse zur Bankenabgabe, keine Beschlüsse zur Finanztransaktionssteuer gibt. Wir haben also eine Ungleichbehandlung.

Einen Punkt, der mir insbesondere bei der mittelfristigen Finanzplanung und der Haushaltsplanung aufgefallen ist, möchte ich hier besonders hervorheben. Im Bereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales soll besonders viel gespart, das heißt gestrichen werden im Vergleich zu den anderen Ministerien. Die Botschaft der Bundesregierung ist klar. Sie kann augenscheinlich mit einer Sockelarbeitsarbeitslosigkeit von 3 Millionen Menschen, die arbeitslos sind, gut leben. Wir als LINKE können das nicht. Wir fordern die Bundesregierung auf, für die Arbeitsmarktpolitik mehr Geld bereitzustellen, als sie es bisher plant und endlich dafür zu sorgen, dass Menschen auch wieder in Arbeit kommen.

Der zweite Punkt: Die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge. Die Zeit der Sprüche, mehr Netto vom Brutto, sind endgültig vorbei. Die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge bedeutet, dass diejenigen, die in der gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, mehr zahlen müssen – also weniger Netto vom Brutto haben. Das ist eine deutliche Belastung der Mittelschicht. Diejenigen, die weit über der Beitragsbemessungsgrenze liegen, werden von dieser Belastung nicht betroffen.

Der dritte Punkt, den ich kurz ansprechen möchte, ist die Diskussion um die Veränderung der Mehrwertsteuersätze. Sie wissen, dass es für bestimmte Waren und Leistungen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz gibt. In der letzten Zeit wird intensiv darüber diskutiert, wie denn die Mövenpick-Steuer zustande gekommen ist – also die 7 Prozent für Hotelübernachtungen. Nun hat Kurt Beck der Großen Koalition angeboten, in der Diskussion auf dem Gebiet der Mehrwertsteuersätze zusammenzuarbeiten. Das ist für mich so ein Zeichen, dass sich die SPD eigentlich nach der Großen Koalition zurücksehnt. Auch der Parteivorsitzende der SPD hat vor kurzem Schwarz-Gelb ein Bündnis der Vernunft, was die Kürzungspolitik betrifft, angeboten. Also die Sehnsucht nach der Großen Koalition wird spürbar. Die Erfahrung bei der Diskussion über die Mehrwertsteuersätze besagt aber, dass man darüber endlos diskutieren kann – über Schnittblumen usw. Die eigentliche Frage ist jedoch: Wir brauchen ein gerechtes Steuersystem. Die Schere zwischen Arm und Reich muss wieder geschlossen werden. Dazu brauchen wir die Vermögenssteuer, die Erbschaftssteuer und die Millionärsabgabe.

Der vierte Punkt, den ich angekündigt habe, ist die Klausur des Parteivorstandes. Der Parteivorstand, der im Mai gewählt wurde, hat sich am Wochenende in der Nähe des Berliner Wannsees in einem Gewerkschaftsheim von ver.di zu seiner ersten Klausurtagung getroffen. Wir haben die Gelegenheit genutzt, uns ausführlich über die aktuelle Situation auszutauschen. Ein Schwerpunkt war die finanzpolitische und wirtschaftspolitische Situation. Wir hatten als Gast den Ökonomen Heiner Flassbeck eingeladen. Wir werden auch in Zukunft zu den Sitzungen des Parteivorstandes möglichst auswärtige Gäste einladen, um hier Anregungen für neue Gedanken und Ideen zu bekommen. Wir haben Beschlüsse gefasst zur Fortsetzung der Programmdebatte. Die Programmkommission, die unter Leitung der beiden ehemaligen Vorsitzenden stand, hat ihre Arbeit beendet. Wir haben ihr dafür gedankt und eine kleinere Gruppe eingesetzt, die den Prozess voranbringen soll. Wir haben uns zu der Frage verständigt, wie wir uns gemeinsam mit anderen Parteien, Organisationen und mit Gewerkschaften gegen das Kürzungspaket der Bundesregierung engagieren wollen. Und wir haben außerdem auf der Sitzung des Parteivorstandes neben anderen Beschlüssen eine Internationale Kommission berufen, an deren Spitze der ehemalige Vorsitzende unserer Partei, Oskar Lafontaine, stehen soll.