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Klaus Ernst

Beschimpfen ist kein motivierendes Element

Statement von Klaus Ernst, Vorsitzender der Partei DIE LINKE, auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus im Anschluss an die Beratung des Geschäftsführenden Parteivorstandes:

Guten Morgen zusammen, das erste Thema, welches ich ansprechen möchte – es wird Sie nicht wundern - ist die Kandidatur von Luc Jochimsen zur Bundespräsidentin. Aus unserer Sicht ist es nachwievor vollkommen richtig, eine eigene Kandidatin aufgestellt zu haben. Ich kann versichern: Sie wird alle Stimmen unserer Wahlfrauen und Wahlmänner erhalten. Die Frage stellt sich allerdings, ob das bei den anderen Parteien auch so ist. Ich denke, dass die Grünen und die SPD eher Probleme haben werden, als wir mit unserer Kandidatin.

Herr Gauck hat sich äußerst ungewöhnlich für einen Kandidaten verhalten. Er hat uns als nicht regierungsfähig beschimpft und will gleichzeitig unsere Stimmen erhalten. Also wie das aufgeht, ist mir ein Rätsel. Wir werden den Kakao, durch den er uns zieht, nicht auch noch trinken. Insofern hat er auch nochmal unter Beweis gestellt, dass der Vorwurf, den wir erhoben haben, richtig ist, nämlich dass es sich bei Herrn Gauck nicht um einen Versöhner handelt, sondern eher um einen, der auseinanderdividiert und spaltet. Wir werden jedenfalls, auch wenn wir ihn in unsere Fraktion einladen, kritische Fragen an ihn richten. Es könnte ja sein, dass er alles ganz anders gemeint hat, als er es gesagt hat. Dann hat das Gespräch ja auch noch einen Sinn. Er ist für uns deshalb nicht wählbar, nicht wegen dem, was er früher gemacht hat. Im Gegenteil, dort hat er sicherlich auch seine Verdienste. Aber er steht für den Afghanistan-Krieg. Er tritt nachdrücklich auch für den vorgesehenen Sozialabbau in der Bundesrepublik Deutschland ein. Deshalb kann ich nur sagen: Das sind die Gründe, warum er für uns als Kandidat nicht infrage kommt. Nun sagt ja Gauck auch, er ist für Volksabstimmungen. Wenn eine Volksabstimmung zu Afghanistan stattfinden würde, würde eine Volksabstimmung zu diesem Sozialabbau, zu Hartz IV, stattfinden, dann würde das Volk anders entscheiden, als das, was Herr Gauck gegenwärtig meint. Das weiß er auch. Also habe ich den Eindruck, wenn er Volksabstimmungen ins Gespräch bringt und gleichzeitig eine ganz andere Position einnimmt, obwohl er weiß, wie das Volk denkt, will er sich offensichtlich an diese Volksabstimmungen auch nicht halten. Das scheint uns, auch, wenn das eine Verbindung zu uns wäre, Volksabstimmungen zu fordern, doch dann eher eine Finte. Herr Gauck wird unsere Stimmen nicht bekommen, und es ist im Moment nicht absehbar, was sich daran zwischen dem ersten, zweiten und dritten Wahlgang ändern sollte. Selbst wenn wir uns nach einem eventuellen zweiten Wahlgang gegebenenfalls beraten, was ich noch nicht sehe, wird es keine Zustimmung für Herrn Gauck geben. Ich glaube, das kann ich Ihnen schon mal vorweg sagen. Die Einladung an ihn war eine Sache der Höflichkeit. Ich hoffe, dass wir das eine oder andere tatsächlich als Missverständnis von Herrn Gauck erklärt bekommen. Das würde mich freuen, auch für das Klima in unserem Land. Aber ich denke, es wird für ihn kein einfacher Termin sein. Wenn man jemanden beschimpft, von dem man gewählt werden will, ist das nicht gerade ein motivierendes Element.

Zum Toronto-Gipfel: Bei diesem Gipfel handelt es sich um einen verlorenen Gipfel. Das Prinzip „Wachstum durch Sparen“ ist nun wirklich absurd. Genauso gut könnte man sagen, dass man durch Hunger satt wird. Dieses Prinzip wird nicht funktionieren. Die Spekulanten können nun weiter ohne internationale Regeln zocken, und Frau Merkel ist offenbar einen Kuhhandelt eingegangen, der letztendlich darauf beruht, dass man auf internationalen Finanzmarktregeln verzichtet, dafür aber gelichzeitig konjunkturabwürgende Sparprogramme auflegt. Das wird im Ergebnis aus unserer Sicht nicht funktionieren. Es wird aber auch deutlich, dass offensichtlich Frau Merkel kein besonderes Interesse an einer internationalen Finanzmarktregelung hat. Das bedauern wir, denn es zeigt auch, dass sie in Europa und in der Welt offensichtlich nicht viel zu sagen hat.

Aber auf einen weiteren Vorgang möchte ich Sie gern aufmerksam machen, nämlich zum vorgesehenen Kürzungspaket in Deutschland. Es wird immer deutlicher, dass dieses Kürzungspaket aufgrund der aktuellen Haushaltszahlen überhaupt nicht notwendig ist. Am 09. November 2009 hat sie noch eine vollkommen gegenteilige Position eingenommen. Ich zitiere Frau Merkel: „Um 86 Milliarden Euro auszugleichen müssten wir die größte Kürzungs- und Streichungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland starten.“ Ich glaube, jede weitere Diskussion über diesen Weg erübrigt sich. Ein solcher Weg ist in der Krise offensichtlich keine Lösung. Damals hatte Frau Merkel mit ihrer Aussage recht, aber nun erzählt sie das Gegenteil. Entweder sie hat damals die Öffentlichkeit getäuscht. Davon gehe ich aus, weil die Bundesregierung schriftlich bestätigt hat, dass viele der Kürzungsvorschläge schon im Herbst zu den Koalitionsverhandlungen auf den Tisch lagen, also mit der aktuellen Situation gar nichts zu tun hatten, oder sie handelt heute gegen ihre Überzeugungen. Beides ist für eine Bundeskanzlerin inakzeptabel. Unsere Position als LINKE ist: Natürlich wollen wir Staatsdefizite abbauen, aber wir können Staatsdefizite nicht abbauen, indem wir bei den Armen und Ärmsten sparen, sondern indem wir die Einnahmeseite dort verbessern, wo sie in der letzten Zeit schlichtweg in eine falsche Richtung gegangen ist. Wir brauchen mehr Steuereinnahmen insbesondere bei den Besserverdienenden. Wir brauchen wieder einen entsprechenden Spitzensteuersatz. Wir brauchen eine Besteuerung von Veräußerungsgewinnen beim Verkauf von Unternehmen. Auch sie waren mal in diesem Land besteuert. Wir brauchen eine vernünftige Erbschaftsbesteuerung. Mit diesen Maßnahmen könnten wir die Einnahmeseite unserer Haushalte so verändern, dass ein Sparprogramm überflüssig wäre. Wir stellen uns natürlich einer notwendigen Haushaltssanierungen, schlagen dafür aber einen vollkommen anderen Weg vor. Nur über Steuererhöhungen bei denen, die in den letzten Jahren mit Steuervergünstigungen bedacht worden sind, lässt sich eine Haushaltskonsolidierung realisieren.

Ein drittes Thema Rheinland-Pfalz: wir haben dort unsere Landesliste aufgestellt, und wir haben durchwegs respektable Persönlichkeiten auf unserer Liste. Alle diese Kandidaten stehen für eine soziale und kämpferische Ausrichtung der LINKEN in Rheinland-Pfalz. Nur, um mal einige zu nennen: Robert Rum, der Listenführer in Rheinland-Pfalz, ist Leiter des Personalwesens in einem großen Klinikum. Tanja Kraut ist Telekom-Beamtin. Elke Theisinger-Hinkel ist Mitarbeiterin in einem Wahlkreisbüro. Wir haben einen Rechtsanwalt und eine Einzelhandelskauffrau auf unserer Liste. Das sind durchaus respektable Persönlichkeiten, und ich gehe fest davon aus, dass wir mit dieser Liste auch Erfolg haben werden. Wir respektieren und bedauern den Rücktritt eines unserer Landesvorsitzenden, Alexander Ulrich. Er ist einer der profiliertesten Gewerkschafter unserer Partei und gehört zu den Gründern der LINKEN in Rheinland-Pfalz. Sein Rücktritt ist ein Verlust. Ich möchte aber auch betonen, dass es am demokratischen Zustandekommen dieser Liste in keiner Weise Zweifel geben kann. Es wird aber bei diesem Vorgang deutlich, dass wichtige Entscheidungen unserer Partei von einem breiten Konsens getragen werden muss. Wenn das nicht der Fall ist, dann führt es tatsächlich dazu, dass es Verwerfungen und Unmut kommt. Ein Teil fühlt sich dann nicht integriert und ist mit dem Ergebnis folglich nicht einverstanden. Klar ist aber auch, dass die Menschen kein Verständnis für parteiinterne Streitigkeiten haben. Sie wollen, eine LINKE, die für ihre Interessen eintritt und geschlossen und einheitlich auftritt. Das ist noch nicht überall in Rheinland-Pfalz gelungen. Gesine Lötzsch und ich– das haben wir auch heute in der Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Partei festgelegt - werden uns einbringen, um sehr schnell in Rheinland-Pfalz ein einheitliches Auftreten der Partei bei dieser Wahl zu gewährleisten. DIE LINKE wird geschlossen in den Wahlkampf in Rheinland-Pfalz ziehen. Wir werden aus Sicht der Bundespartei diesen Wahlkampf massiv unterstützen. Sie wissen, wir haben noch drei Länder, in denen wir noch nicht in Landesparlamenten vertreten sind. Eines ist Rheinland-Pfalz. Deshalb ist diese Wahl auch für uns von besonderer Bedeutung.