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Bamf: Der Skandal ist nicht zu viel Hilfe, sondern zu wenig Recht

Ein Kommentar von Sabine Leidig, MdB, für die "Gelnhäuser Nachrichten"

Es erschreckt mich, welch eifrige, ja geifernde Empörung aufkommt - nicht nur bei Afd und BILD - weil eine Behörde nicht die volle Härte der Asylgesetze exekutiert hat. Ich denke: vielleicht hat sie Leben gerettet. Immerhin sind die meisten der 1.200 Menschen die in den Jahren 2013 bis 2016 die Möglichkeit bekamen nun in Deutschland zu leben, Jesidinnen und Jesiden.

Wir wissen doch: Seit dem Ende des Irakkrieges 2003 sind die Jesiden gezielt zur Zielscheibe fundamentalistischer Muslime geworden. Die terroristische Vereinigung "Islamischer Staat"verfolgt und ermordet sie und hat Frauen und Mädchen als Sklavinnen verkauft. Im August 2014 hat die kurdische YPG/PKK zigtausende Jesidinnen und Jesiden vor dem schrecklichen Tod im Kindschasa-Gebirge gerettet - was niemand sonst gewagt hat.

Wenn vor diesem Hintergrund eine Behördenleiterin mal "ein Auge zu drückt", damit diejenigen, denen die gefahrvolle Flucht gelungen ist, nicht zurückgeschickt werden in die Angst, dann ist das kein Vergehen. Wenn ein paar hundert Frauen und Kinder hier in Sicherheit und in der Nähe ihrer Landsleute oder Familienangehörigen bleiben können, dann ist das kein Grund zur Aufregung. Auch nicht, wenn kenntnisreiche Anwälte und erfahrene Dolmetscher dabei geholfen haben.

Das Unrecht, das mich wirklich empört, ist doch auf der anderen Seite! Tatsächlich musste das Bundesamt für Migration (Bamf) alleine im Jahr 2017 über 32.000 Bescheide korrigieren: Gerichte mussten feststellen, dass die Rechte der Asylsuchenden nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Über 40 Prozent der Klagen gegen Ablehnung von Asyl sind erfolgreich.

Das zeigt, wo die wirklichen Probleme liegen und wie wichtig es ist, Menschen vor Abschiebung zu schützen - denn es geht beim Asylrecht um schwere Menschenrechtsverletzungen, nicht selten um Fragen von Leben und Tod.

Und es gibt eine traurige Parallele zur Situation von Erwerbslosen: auch hier ist die staatliche Behörde auf "Kostenminimierung" getrimmt und versucht, was einem Armen zusteht, noch zu beschneiden: auch hier werden über 40 Prozent der Beschwerden gegen Hartz IV-Bescheide im Nachhinein ganz oder teilweise anerkannt.

Diejenigen, die ohnehin in einer schwierigen und oft belastenden Situation sind, wird viel zu häufig auch noch ihr bisschen Recht verwehrt. Und das ist der Skandal, der eine demokratische Gesellschaft erschüttern muss.