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Zur Auseinandersetzung mit der Geschichte

Geschichte wirkt über vielfältige Hinterlassenschaften nachhaltig auf Voraussetzungen und Bedingungen politischen Wirkens in Gegenwart und Zukunft. Das Bild von Geschichte und die Bewertung von Ereignissen, Personen und Prozessen sind Teil der Auseinandersetzung um die geistige Kultur der Gesellschaft und damit um ideologische Hegemonie. Politik und Herrschaftsansprüche bedienen sich historischer Legitimation. Aktuelle politische Kontroversen werden oft im historischen Gewand ausgetragen. Geschichte bleibt deshalb ein wichtiges Feld von Politik. 

erstellt am 5.10.2010

Fragen und Antworten

Die Partei DIE LINKE vereinigt seit Mitte 2007 unterschiedliche politische Kräfte aus Ost- und Westdeutschland, Menschen mit DDR-Biografien und Menschen mit BRD-Biografien. In der PDS bzw. Linkspartei.PDS waren vor allem Bürgerinnen und Bürger aus Ostdeutschland organisiert. Zu einem größeren Teil waren sie zuvor Mitglieder der SED. In der ersten Hälfte der 90er Jahre kamen westdeutsche Linke vor allem aus der "68er-Bewegung" hinzu, die zuvor bei den Grünen, in der DKP oder anderen linken Zusammenhängen organisiert waren. In der 2004 gegründeten WASG schlossen sich vor allem Westdeutsche zusammen, insbesondere aus der Agenda2010-SPD ausgetretene Sozialdemokraten, darunter viele aktive Gewerkschafter, und Menschen, die in sozialen Bewegungen aktiv waren und sind. DIE LINKE vereinigt in sich also sehr unterschiedliche politische und soziale Traditionen und Strömungen. Sie gründet auf dem gegenseitigen Respekt vor dieser Vielfalt und vor den persönlichen Biographien. Sie weiß, dass sie die seltene historische Gelegenheit hat, aus unterschiedlichen Erfahrungen, gewonnen in Ost und West und im vereinigten Deutschland, etwas neues, eine gesamtdeutsche Linke aufzubauen.

DIE LINKE lernt aus der Geschichte. Anspruch linker, emanzipatorischer Politik ist es immer, aus der Vergangenheit, aus der eigenen Geschichte Schlussfolgerungen für Gegenwart und Zukunft zu ziehen, aus Erfolgen wie aus den Niederlagen. Das gilt umso mehr für das Scheitern des realen Sozialismus im 20. Jahrhundert. Die DDR ist nicht an der Übermacht ihrer Gegner, sondern an ihren eigenen Mängeln und Fehlern, am Unrecht in Politik und System, am systematischen Misstrauen ihrer politischen Führung gegenüber der eigenen Bevölkerung gescheitert. Die PDS, die aus der ehemaligen Staatspartei SED hervorgegangen ist, überlebte und erstarkte nicht, weil sie die Geschichte leugnete oder einen Schlussstrich zog, sondern weil sie von Anfang an die Geschichte verarbeitete. Geschichte verarbeiten heißt für uns: in der kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte der SED und der DDR wie der eigenen Biografie zu besseren Einsichten und besserem Handeln zu kommen. Auf ihrem Außerordentlichen Parteitag 1989 hat sich die SED-PDS bei der Bevölkerung der DDR für das von der SED begangene Unrecht entschuldigt und einen Prozess der unwiderruflichen Trennung von stalinistischen Traditionen der SED begonnen.

Die Geschichte der neuen LINKEN ist nicht nur die Geschichte der DDR oder die Geschichte von DDR-Bürgern. Zur Geschichte der LINKEN, die es zu verarbeiten gilt, aus der zu lernen ist, zählen auch die Erfolge, Niederlagen und Fehler des linken Aufbruchs in Westdeutschland nach 1967/68 und die mehrheitliche Wende der SPD zu einer neoliberalen, unsozialdemokratischen Politik.

Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik war der legitime Versuch, nach dem alliierten Sieg über Nazi-Deutschland ein Wiedererstarken sozialer Antriebskräfte des Nationalsozialismus zu verhindern - Stichworte hierfür sind die Bodenreform und die Zerschlagung des Großkapitals - und einen sozialistischen Staat auf deutschem Boden aufzubauen. Dieser Versuch ist gescheitert. Dazu führten nicht nur die äußeren Bedingungen wie Blockkonfrontation und Kalter Krieg. Misslingen musste dieser Versuch vor allem aus inneren Gründen: wegen eines eklatanten Mangels an Demokratie und Missachtung elementarer Bürgerrechte, wegen des grundsätzlichen Misstrauens des Staatsapparates gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und, schließlich, wegen der mangelhaften Fähigkeit des Wirtschaftssystems, den Konsumbedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden. 

Der Bau der Mauer, des vorgeblichen "antifaschistischen Schutzwalls", war ein deutliches Zeichen der Schwäche der DDR-Regierung. Die Mauer richtete sich in letzter Konsequenz nicht gegen äußere Staatsfeinde, sondern gegen die individuellen Freiheitsrechte der eigenen Bürgerinnen und Bürger. Zwar hat jeder Staat das Recht und die Pflicht, seine Grenzen zu schützen, aber die Geschichte der Mauer entlang der Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten steht für den Missbrauch dieses Rechtes. Die Schüsse an der Mauer auf eigene Bürgerinnen und Bürger, die ihren Staat verlassen wollten, stellen eine Verletzung elementarer Menschenrechte dar und sind durch nichts zu rechtfertigen.

Nach dem Ende der DDR sind viele auf der Suche nach einem zentralen "Schießbefehl", einem Dokument, mit dem die Staatsführung die Grenzsoldaten ausdrücklich anweist, auf eigene Bürgerinnen und Bürger beim Versuch, die Staatsgrenze zu überschreiten, gezielt zu schießen. Ein solches Dokument ist bisher nicht gefunden worden. Dokumentiert sind Schießbefehle aus dem Verantwortungsbereich des Ministeriums für Staatssicherheit für einzelne ihrer an der Grenze stationierten Einheiten. Tatsache ist, dass an der Grenze geschossen wurde, dass es Hunderte von Toten gab - ob mit oder ohne offiziellen Schießbefehl. Wenn es keinen Schießbefehl des "Politbüros" oder der Staatsführung gegeben hat, so wirft das kein besseres Licht auf die Verantwortlichen. Denn sie haben auf jeden Fall nichts getan, um die Schüsse zu unterbinden. Und wenn das Grenzregime ohne zentralen Befehl auskam, so sagt dies mehr über die systematischen repressiven Mechanismen aus als es ein zentraler Schießbefehl jemals könnte.

Bereits in ihrer Gründungsphase hat die PDS verbindliche Beschlüsse gefasst, wonach Kandidatinnen und Kandidaten für politische Ämter und Mandate der Partei ihre politischen Biografien offenlegen sollen. Dazu zählt ausdrücklich auch eine Tätigkeit als "Informeller Mitarbeiter" des Ministeriums für Staatssicherheit. Wo eine solche Tätigkeit zunächst verschwiegen, dann aber bekannt wurde, folgte in der Regel der Rücktritt von Amt und Mandat. Wichtig war der PDS immer die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie, die Frage nach den Schlussfolgerungen und der Bewertung. Ein besonders wichtiger Aspekt der Bewertung war neben den Beweggründen vor allem die Frage nach dem angerichteten Schaden, den Folgen für andere. An der Tätigkeit des nach innen gerichteten Spitzelwesens und Repressionsapparats des MfS gab es für die PDS nie etwas zu beschönigen, aber Menschen hat sie immer für einsichts- und veränderungsfähig gehalten. Eine Schlussfolgerung der Auseinandersetzung mit den Staatssicherheitsdiensten der DDR ist die generelle Skepsis gegenüber einer Vereinbarkeit von geheimdienstlicher Tätigkeit und demokratischer Transparenz und Kontrolle.

DIE LINKE ist keine Modeerscheinung aus dem Nichts. Sie sieht sich in einer parteipolitischen Traditionslinie, die auf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zurückreicht. Das ist aber nicht gemeint, wenn uns von unseren politischen Gegnern, immer gerne auch wider besseres Wissen, vorgeworfen wird, wir seien eine Partei aus alten "SED-Kadern", unverbesserlichen westdeutschen "Altkommunisten" und frustrierten Ex-Sozialdemokraten. Ehemalige Mitglieder der Blockparteien der DDR finden sich auch in anderen Parteien, vor allem der CDU und der FDP, an die auch deren Vermögen überging. Das scheint aber kein Thema der politischen Auseinandersetzung zu sein. Tatsache ist, dass mehr als 95% der ehemaligen SED-Mitglieder nicht mehr Mitglied der PDS geworden sind. Heute geht es unseren politischen Gegnern vor allem darum, in der politischen Auseinandersetzung tiefsitzende antikommunistische Ressentiments anzusprechen, die in den Zeiten der Blockkonfrontation und des Kalten Krieges auch schon benutzt wurden. Das ist in der Tat ewiggestrig.

Das Vermögen der SED wurde auf der Grundlage des Parteiengesetzes der DDR (§§ 20 a und 20 b) vom Februar 1990 mit dem Stichtag 7. Oktober 1989 unter treuhänderische Verwaltung gestellt. Eine Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR hatte die Aufgabe, den materiell-rechtsstaatlichen Erwerb des Parteivermögens zu prüfen und festzustellen.

Unabhängig davon hat die PDS auf eigenen Beschluss Anfang 1990 aus dem Parteivermögen eine Summe von 3,041 Mrd. Mark der DDR an den Staatshaushalt der DDR für soziale und kulturelle Zwecke abgeführt. Große Teile des vorhandenen Geldvermögens der Partei mussten für Abwicklungsmaßnahmen eingesetzt werden – nach Verfügung der treuhänderischen Verwaltung jeweils auf der Grundlage von Freigaben durch die Treuhandanstalt. Die SED hatte immerhin rd. 44.000 hauptamtliche Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnisse aufzulösen waren. Auch die Verwaltung von rd. 750 Immobilien bis zur Übergabe an neue Träger bzw. Betreiber verlangte größere Aufwendungen.

Bereits 1990 hat die PDS den Verzicht auf das Auslandsvermögen der SED erklärt, ohne dass dieses dem Präsidium des Parteivorstandes zu diesem Zeitpunkt konkret bekannt war. Am 14. Mai 1992 wurde dieser Verzicht auf der Grundlage eines Vertrages zwischen der Treuhandanstalt und der PDS notariell beurkundet. In der Bundestagsdrucksache 12/5575 vom 19. August 1993 ist das der PDS nach intensiven Recherchen bekannt gewordene Auslandsvermögen als Nachtrag zum Rechenschaftsbericht der PDS veröffentlicht worden. Es gab 1990 Versuche von Funktionären der SED/PDS, Parteivermögen an der Treuhand vorbei für die Partei zu sichern. So wurden rd. 107 Millionen DM ins Ausland transferiert, die durch die Treuhandanstalt zurückgeholt wurden. Im ersten Halbjahr 1990 wurden von der Partei ohne Zustimmung der Treuhandanstalt Darlehen zur Gründung von GmbH ausgereicht, mit denen auch Arbeitsplätze für ehemalige MitarbeiterInnen der Partei gesichert werden sollten. Diese Verfahrensweise hatte letztlich keine rechtliche Grundlage, so dass in der Regel eine Rückabwicklung durch die Treuhandanstalt erfolgte.

Zum 31. August 1991 wurden auf der Grundlage eines Verwaltungsaktes der Treuhandanstalt die Geldbestände auf den Bankkonten der PDS eingezogen, so dass faktisch mit dem 01.September 1991 eine finanzielle Neugründung der PDS stattfand. Von da an konnte die Partei nur noch über die ab diesem Zeitpunkt eingenommenen Mitgliedsbeiträge, Spenden und staatlichen Mittel verfügen.

Am 18. Juli 1995 wurde vor dem Berliner Oberverwaltungsgericht ein Vergleich zwischen PDS, Treuhandanstalt ( BvS) und Unabhängiger Kommission zur endgültigen Regelung der Vermögensfragen abgeschlossen. Auf der Grundlage dieses Vergleichs hat die PDS kein Geldvermögen zurückerhalten, da der Erwerb dieses Vermögens nicht als materiell-rechtsstaatlich anerkannt wurde. Das traf auch auf die von der SED eingenommenen Mitgliedsbeiträge zu. Der PDS wurden vier Immobilien insbesondere aus dem früheren Eigentum der KPD (darunter das Berliner Karl-Liebknecht-Haus als Sitz des Parteivorstandes) zugesprochen. Außerdem konnte die PDS die in den Geschäftsstellen vorhandenen Ausstattungen behalten.

Aus der treuhänderischen Verwaltung entlassen wurden auch die "Neues Deutschland Verlag und Druckerei GmbH" und die "Karl Dietz Berlin Verlag GmbH", bei denen die PDS Gesellschafter war.

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