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betrieb & gewerkschaft

Michael Sommer irrt…

Gerd Graw

…wenn er so tut, als seien seine Kooperationspläne mit der Bundeswehr in unserem, d.h. im Sinne der DGB-Mitglieder. Das ist absurd. Sein „Verständnis für die Probleme der Soldaten“, beispielsweise in Afghanistan, impliziert nämlich auch Zustimmung zur Beteiligung an Kampf- und Kriegshandlungen. Die aber lehnen wir laut DGB-Grundsatzprogramm unmissverständlich ab. Das gilt nach wie vor. Michael Sommer befindet sich damit übrigens, wie sein Vorgänger Dieter Schulte, auf gefährlichem „Kriegspfad“. Schulte hatte – wir erinnern uns – im Frühjahr 1999 ebenfalls behauptet, dass die Mitglieder des DGB die deutsche Beteiligung am 78-Tagekrieg der NATO gegen Jugoslawien akzeptieren.

Wir – zehn Mitglieder aus unterschiedlichen DGB-Einzelgewerkschaften – wollten das jedoch nicht akzeptieren. Unter der Losung „Dialog von unten statt Bomben von oben“ reisten wir in der Pfingstwoche 1999 nach Jugoslawien. Wir wollten öffentliches Interesse wecken, ein Zeichen setzen. Die traurige Bilanz dieser 78 Kriegstage: Zehntausend getötete Zivilisten, 500.000 vernichtete Arbeits- und Ausbildungsplätze, eine völlig zerstörte Infrastruktur. Gerhard Schröder, damals deutscher Bundeskanzler, jedoch erklärte: „Wir führen keinen Krieg gegen die Menschen in Jugoslawien“. 

Wir haben das anders erlebt. Wir haben in den Städten Novi Sad, Belgrad, Kragujevać, Niš und Aleksinac zum Teil hautnahe Bombenangriffe erlebt, unfassbare Zerstörungen von Wohngebieten, Fabriken, Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen gesehen. Wir haben mit Kindern und Müttern im Hotelkeller gesprochen, die 58 Tage kein Tageslicht gesehen hatten.

Der Vorsitzende des serbischen Gewerkschaftsbundes sagte uns, dass die materiellen Schäden nach 64 Tagen NATO-Bombardement bereits größer als alle Zerstörungen während des 2. Weltkrieges in Jugoslawien seien. Wir haben während unserer Exkursion mit Vertretern der Gewerkschaften, mit Beschäftigten zerstörter Betriebe, mit Ärzten und Wissenschaftlern, mit Ausgebombten und Vertretern des Roten Kreuzes, mit Schülern, mit Oppositionellen, mit Lehrern und Verletzten gesprochen. Ihr übereinstimmendes Urteil: „Die NATO zerstört unsere Lebensgrundlagen über Jahrzehnte.“

Unser Fazit am Ende unserer „Expedition“: Der „saubere Krieg“ der NATO ist kein „Krieg gegen Milošević“, sondern ein Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Die Versorgungszentren liegen in Trümmern, die Arbeitsplätze sind für Jahrzehnte vernichtet, die Jugend ist ihrer Perspektive beraubt.

All das geschah mit dem „Segen“ des DGB-Vorsitzenden Dieter Schulte.

Heute operiert die Bundeswehr global – von Afghanistan bis Mali zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Wie schnell aus so genannten Hilfs- oder Unterstützungseinsätzen Kampfeinsätze werden können, lehrt uns Afghanistan. Deshalb nehmen wir nicht hin, dass Michael Sommer so tut, als spreche und handele er im Namen der DGB-Mitglieder!