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betrieb & gewerkschaft

Das politische Mandat ausüben – Frauenstreik und Gewerkschaften

Yanira Wolf

Debatteneröffnung

Gewerkschafterinnen haben die Radikalisierung frauenpolitischer Proteste um den 8. März aufgegriffen und vielerorts betriebsnahe Aktionen durchgeführt: Aktive Mittagspausen an öffentlichen Plätzen, Infostände in Kantinen, Fortbildungen während der Arbeitszeit und Teilnahme an Demonstrationen. Organisiert wurden kollektive Überlastungsanzeigen oder Verweigerungen, aus dem "Frei" zu kommen. Arbeitsniederlegungen gab es u.a. von Frauen des Neuen Deutschlands und der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Beschäftigte des Maxim-Gorki-Theaters ließen die Premiere am 8. März platzen und Amazon-Beschäftigte in Bad Hersfeld nutzten den Streiktag für frauenpolitische Ansprachen. Vielfältige Möglichkeiten, sich feministischen Themen zu widmen, sogar niedrigschwelliger und beteiligungsbreiter, als dies ein Streik tut.

Notwendige Auswertungselemente

Die regionalen Frauenstreikbündnisse sind unterschiedlich vor Ort etablierte, zumeist in institutionalisierten frauen*politischen Strukturen, auf Gewerkschaften zugegangen. Hierdurch entstandene Diskussionen und Konfliktlinien stellen lehrreiche Wegweiser für breitere gesellschaftliche Bündnisse in den Folgejahren dar. Denn es bedarf tragfähiger Bündnisarbeit, wenn es einen kontinuierlichen Druckaufbau zur Durchsetzung konkreter Forderungen geben soll. Interessanterweise scheint noch Unschlüssigkeit bei der Frage zu herrschen, ob es gerade das breite Themenspektrum war, das zu der hohen (Demonstrations-)Teilnahme geführt hat. Klar sollte jedoch sein, dass man nicht alleine durch identitätspolitische Aspekte, sondern durch materialisierbare Forderungen messbare Erfolge oder eben Misserfolge feststellen kann.

Entscheidend ist und bleibt die Forderung nach offiziellen Streikaufrufen. Diese setzt auf einer hohen Eskalationsstufe an und benötigt organisierte und konfliktbereite Belegschaften, die zu weiten Teilen noch für die Idee gewonnen werden müssen. Zudem bewegen wir uns hier in einem schwierigen juristisch-machtpolitischen Feld, da die Auslegung zum politischen Streikrecht in Deutschland höchst restriktiv ist. Eignet sich also aus gewerkschaftlicher Sicht gerade dieses Themenspektrum zur Mobilisierung und zum Kippen des politischen Streikrechts? Für eine gelungene Bündnisarbeit erscheint ein strategischer, aber auch inhaltlicher, Konfliktpunkt der Streikbegriff selbst: Wenn nach dem 8. März von Streikaktivitäten an einem Feiertag, von Selbstständigen oder von flexibel arbeitenden Projektbeschäftigten die Rede ist, dann müssen wir miteinander bei folgendem Punkt diskutieren: Was hat das beliebige Füllen und (Um)Deklarieren als "feministischer Streik" mit dem zentralen Ziel von realem Druckaufbau zu tun und wie anschlussfähig ist dies im gewerkschaftlichen Kontext?

Aufräumen in den eigenen Reihen

Sich gegen Diskriminierung einzusetzen ist urgewerkschaftliche Sache. Die zwar wenig koordinierte aber trotzdem kreative Umsetzung gewerkschaftlicher Aktionsformen um den 8. März zeigt, wie aktuell Gewerkschafter*innen das Anliegen ist. Das wurde auch auf der Streikkonferenz in Braunschweig deutlich, wo es großen Anklang auf einen Bericht aus Spanien gab und eine gut besuchte Diskussion. In unseren Reihen gibt es genügend Anlässe, um über sexistische Alltagskultur zu sprechen. Ausdruck hiervon ist nicht zuletzt eine (Arbeits-)Kultur, die auf vermeintliche Autonomie und individuelles Heldentum setzt und der Reproduktionsarrangements individualisiert und breitbeiniges Auftreten (Harte-Ansagen-Machen) gefeiert werden.

Dies wird einer offenen und diversen Gewerkschaftsbewegung nicht gerecht. Gewerkschaftsarbeit ist mehr als Tarifkampf. Individuelle und kollektive Konfliktfähigkeit wurzeln in erfahrener Solidarität und Alltagskämpfen. Es ist notwendig, kontinuierliche Beziehungsarbeit ernst zu nehmen, die Menschen in ihren Emanzipationsprozessen unterstützt. So wird Gewerkschaft zur Wertschätzung der Vielen im Hintergrund, ebenso wie der Arbeit der Rampensäue. Wir brauchen Gewerkschaften, in die sich alle einbringen wollen, weil sie wissen, dass sie es können. Viele bewegt zudem, dass weiterhin Frauen v.a. diejenigen sind, die im Hintergrund arbeiten, während Männer die zentralen Positionen innehaben. Das hat Auswirkung auf Entscheidungen, welche Themen als tarifierbar gelten und in welche Kämpfe gewerkschaftliche Ressourcen fließen.

Feminisierung von Gewerkschaftskämpfen

Tarifkämpfe verlagern sich zunehmend auf weiblich geprägte Berufsfelder. Frauen werden in diesen Auseinandersetzungen sichtbarer und kämpferischer. Lohnerhöhung allein als Forderung reicht ihnen nicht. Ihnen geht es auch um Anerkennung von Arbeit, konkrete Entlastung im Berufsalltag und um Arbeitszeitverkürzung. So müssen verstärkt Themen nach vorn gestellt werden, die insbesondere Frauen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Lage beschäftigen. Aktive Frauen in gewerkschaftlichen Strukturen gilt es zu unterstützen oder ihnen Platz zu machen. Dazu gehört auch, Tarifforderungen systematisch geschlechterkritisch zu betrachten - z.B. in der Arbeitszeitdebatte. Bei Doppelbelastung helfen einzelne freie Tage im Jahr weniger, als eine dauerhafte Arbeitszeitreduzierung über die Woche. Hausarbeit und Kinderbetreuung lassen sich nur begrenzt auf freie Tage verschieben. Entlastung muss jeden Tag spürbar sein.

All die Themen erfordern eine hohe Schlagkraft, gerade weil sie auf eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung abzielen. Dazu kommt, dass gerade in KiTas oder Schulen die altbewährte »Alle Mann vors Tor - Band steht still«-Taktik nicht greift: Um beruflichem Verantwortungsgefühl und realen Gefahren für anvertraute Personen gerecht zu werden braucht es neue Kampfformen, um Gegenmacht aufzubauen. Ökonomischer Druck muss durch öffentlichen Druck ergänzt werden. Hier ist in den letzten Jahren in Gewerkschaften viel passiert. Das gilt es zu verstetigen und auf andere Bereiche zu übertragen.

Ohne Verbündete wird das nicht gelingen. Wir müssen daher unser politisches Mandat ernst nehmen und unser Selbstverständnis als soziale Bewegung stärken. Wir kommen um die aktive Mitgestaltung gesellschaftlicher Bündnisse und Netzwerke nicht herum, denn in zukunftsweisenden Kämpfen wird es mehr als betriebliche Auseinandersetzungen brauchen. Gewerkschaften täten daher gut daran, sich den widerstandslustigen und tatkräftigen Frauen und Queers aus den Frauenstreikbündnissen anzunähern und die eigenen wütenden Frauen dabei zu unterstützen, ihre Themen zu setzen.